07.07.2025
Investitionen brauchen Planbarkeit
Halbjahresausblick 2025 | Die Bundesregierung schlägt einen neuen Kurs ein. Klima- und Wirtschaftspolitik gehen getrennte Wege in unterschiedlichen Ministerien.


Halbjahresausblick 2025 - Umwelt und Energie
- Getrennte Wege für Klima- und Wirtschaftspolitik
- Subventionen für Gas aus dem Fonds für Transformation
- Brüsseler Realität trifft auf Berliner Wunschdenken
- Mehr Verunsicherung schadet der Wirtschaft
- Von: Sabrina Kremer, Senior Sustainability Analyst
In Deutschland gleicht die Umwelt- und Energiepolitik einem Cha-Cha-Cha. Ein bisschen vor. Dann zurück. Und zwischendurch auch mal seitwärts. Als könnte man sich nicht so ganz für das eine oder das andere entscheiden. Während das als Tanz schön anzusehen ist, gleicht es in der Politik einer Katastrophe. Um langfristige Investitionsentscheidungen zu treffen, brauchen Unternehmen Planungssicherheit und einen politisch zumindest halbwegs konsequenten Fahrplan. Nun suggeriert das Festhalten am Klimaneutralitätsziel 2045, dass sich zumindest die Fahrtrichtung nicht ändert, doch bei genauerem Hinsehen scheint das doch nicht ganz so sicher zu sein.
Die neue Bundesregierung schlägt einen neuen Kurs ein. Klima- und Wirtschaftspolitik gehen getrennte Wege in unterschiedlichen Ministerien. Da Klimaschutz aber insbesondere von der Wirtschaft abhängt – ein Großteil der CO2-Emissionen entsteht nun einmal in den Unternehmen – sind alle Augen auf das Wirtschaftsministerium gerichtet. Die neue Ministerin, Katherina Reiche, will die Energiewende einem Realitätscheck unterziehen, stößt dabei aber bereits an die Grenzen der Realität.
Ausbau Erneuerbarer
Stark schwankende und immer häufiger negative Strompreise kratzen an der Wirtschaftlichkeit der Wind- und Solarparks. Um bis 2030 einen Anteil am Bruttostromverbrauch von 80 % zu erreichen, müssten wir das Ausbautempo der vergangenen zwei Jahre beibehalten (siehe Abb. 1) und beim Zubau von Speichern und dem Ausbau der Netze zulegen. Doch die neue Wirtschaftsministerin strebt einen anderen Weg an. Am „Tag der Industrie“ des Bundesverbandes der Deutschen Industrie nannte sie die Ausbauziele „völlig unrealistisch, völlig überzogen“, und forderte, der Zubau müsste „netzorientiert“ erfolgen. Sie schreckt zurück vor den – in der Tat – großen Herausforderungen. Doch Deutschland ist kein Solitär, die Regierung ist gebunden an die Ziele der EU. Damit dürfte es schwierig werden, weniger Erneuerbare zuzubauen.
Klima- und Transformationsfonds (KTF)
Der KTF bekommt 10 Mrd. EUR mehr pro Jahr. Das könnte man posi-tiv bewerten, auch wenn es ein Zugeständnis der neuen Bundesregierung war, um das Sondervermögen durchzubekommen. Die Aufstockung ist nichts, was aus der Überzeugung der Koalition heraus entstanden ist. Immerhin aber gibt es mehr Geld für die Transformation der Wirtschaft, den Klimaschutz und zur Erhöhung der gesellschaftlichen Akzeptanz für die Energiewende. Doch seit Finanzminister Lars Klingbeil den Haushaltsplan vorgelegt hat, ist klar, dass die Regierung den KTF zweckentfremden will. Die Gasspeicherumlage, die bisher verursachergerecht auf den Gaspreis aufgeschlagen wurde, soll nun der KTF finanzieren. Damit subventioniert die neue Regierung fossile Brennstoffe und hält den Preis künstlich niedrig. Und das aus einem Budget, das der Transformation dienen soll. Wohl der bisher herbste Schlag gegen den Klimaschutz.
Wir brauchen Gaskraftwerke
20 GW neue Gaskraftwerke plante Reiche zunächst. In Brüssel stieß sie damit auf kein Verständnis. Bereits ihr Vorgänger, Robert Habeck, musste mehrere Jahre lang zähe Verhandlungen mit der EU-Kommission führen, um eine beihilferechtliche Genehmigung für seine Kraftwerksstrategie zu erhalten. Technologieoffen muss sie sein und zu den Klimaneutralitätszielen beitragen. Diese Realität spürt nun auch Reiche. Das Kohle-Aus (spätestens 2038) kommt mit großen Schritten näher, und wir brauchen Back-up Lösungen. Es muss also zeitnah mit dem Bau neuer Kraftwerke losgehen. Deshalb scheint Reiche nun doch auf die bereits genehmigte Kraftwerksstrategie zurückzugreifen. Derzufolge würde die Bundesnetzagentur erst einmal nur 5 GW ausschreiben, weitere 5 GW könnten folgen. Die Kraftwerke müssen sich perspektivisch mit Wasserstoff betreiben lassen. Das Gute an diesem Vorgehen: Der Batteriespeichermarkt entwickelt sich rasant weiter, sowohl was Effizienz als auch Kosten angeht. Am Ende könnte es für Deutschland also von Vorteil sein, nicht alles auf einen Schlag zu bauen, und sogar Steuergelder sparen. Ohne Back-up wird es aber auf keinen Fall funktionieren.
Wärmepumpen
Keine Bevormundung von Verbrauchern und Technologieoffenheit lautet das Credo der neuen Regierung. Denn die Novelle des Gebäudeeffizienzgesetzes (GEG), auch Heizungsgesetz genannt, löste 2023/2024 viel Unruhe aus. Sein Text ist unübersichtlich und sehr detailreich ausgestaltet. Nun soll es einfacher werden. Doch die Ankündigung, dass die schwarz-rote Koalition das Gesetz nun erneut anpacken will, führt zu weiterer Verunsicherung. Laut Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie verkauften die Installationsbetriebe im ersten Quartal 2025 über alle Heizungsarten hinweg 32 % weniger Heizungen als im Vorjahreszeitraum. Bereits 2024 brach infolge der GEG-Novelle der Absatz um 46 % im Vergleich zum Vorjahr ein. Wärmepumpen und Biomasseheizungen haben im Vergleich zum Vor-jahreszeitraum aber zugelegt (siehe Abb. 2). Die heimische Nachfrage nach Heizungen bleibt schwach, obwohl 5,6 Mio. der installierten Systeme im Bestand veraltet sind. Es besteht also dringender Handlungsbedarf. Keine Zeit für Verunsicherung!
Abb. 9: Absatz Wärmeerzeuger 1. Quartal 2025 nach Technologie
Absolut und Veränderung zum Vorjahreszeitraum in %
Der Vorschlag, den Verbrauchern die Entscheidung über die Heizungsart zu überlassen, hört sich erst einmal gut an. Doch vielfach fehlt den Konsumenten das notwendige Wissen über Vorgaben zum CO2-Wert. Eine Heizung kauft man nicht alle Tage. Notwendig wäre die Aufklärung über steigende CO2-Kosten und anhaltend hohe Gaspreise. In Summe bleibt es dabei: CO2-arm lässt sich derzeit nur mit Wärmepumpen heizen. Fern- oder Nahwärmenetze sind, unter bestimmten Voraussetzungen, auch CO2-arm, dafür liegt die Verantwortung aber beim Wärmenetzbetreiber. Alles andere ist Augenwischerei.
Gänzlich außer Acht blieb in der Diskussion bisher, dass spätestens 2026 – also schon im kommenden Jahr! – eine nationale Umsetzung der europäischen Gebäudeeffizienzrichtlinie (EU-EPBD) vorliegen muss. Sie enthält noch strengere Vorgaben für das Aus fossil betriebener Heizungsanlagen. Es bleibt also spannend.
Fazit
Notwendig wäre eine Strategie, die Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz vereint, doch stattdessen schreckt das neue Wirtschafts– und Energieministerium vor den Herausforderungen der Transformation zurück und setzt eher auf den Status-quo oder gar eine Rückkehr zu alten Lösungen. Änderungen und Kurskorrekturen sind in jedem Fall notwendig, auch Back-up-Kraftwerke werden in Zukunft notwendig sein. Klar ist auch: Unsere Energiekosten sind so hoch, unter anderem, weil wir abhängig sind von Gas. 2024 hat Deutschland rund 76 Mrd. EUR für fossile Energieimporte ausgegeben – davon fast 19 Mrd. EUR für Erdgas. Diese Abhängigkeit erneut auszubauen, ist nicht die Lösung. Ebenso wenig die Förderung von Gas-Technologie. Das ist dann sogar die Rückkehr in die „gute“ alte Zeit, zu der es kein Zurück mehr geben darf.
Von: Sabrina Kremer
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