So will die Bundesregierung mehr Tempo machen

Die Bundesregierung hat die Nationale Wasserstoffstrategie grundlegend überarbeitet. Dabei hat sie das Ziel für die heimische Erzeugung verdoppelt.

Wasserstofftanks

Wasserstoff ist ein extrem leichtes Gas, Luft ist rund 14 Mal schwerer. In den letzten Jahren hat Wasserstoff jedoch enormes Gewicht bekommen: Das Gas gilt heute als Schlüsselelement für den Klimaschutz. Erzeugt mit erneuerbaren Energien, ist Wasserstoff eine universell einsetzbare, klimaneutrale Alternative zu fossilen Energieträgern.

Bereits 2020 hat die damalige Bundesregierung mit ihrer Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) die ersten Schritte auf dem Weg in eine Wasserstoffwirtschaft skizziert. Seitdem ist viel geschehen: Die Nachfrage nach dem grünen Gas wächst, die Kosten sinken, die Technologien sind reifer geworden. Und nicht zuletzt hat die EU im Zuge ihrer „Fit for 55“-Initiative mehrere Regelwerke erlassen, die den Umstieg auf klimaneutrale Energieträger beschleunigen.

Gute Gründe also für die Ampelkoalition, die deutsche Wasserstoffstrategie grundlegend zu überarbeiten. Dabei sind SPD, Grüne und FDP in einigen zentralen Punkten weit über die ursprüngliche NWS hinaus gegangen. Das Bundeskabinett hat die neue Fassung (PDF | 0.85 MB) Ende Juli 2023 verabschiedet.

Erzeugung: Spielraum für Wasserstoff aus Erdgas

Die Bundesregierung macht mit ihrer überarbeiteten Strategie deutlich mehr Tempo beim Aufbau der Wasserstoffwirtschaft. So sollen bis 2030 nicht wie ursprünglich geplant fünf, sondern mindestens zehn Gigawatt Elektrolyseleistung für die Erzeugung von Wasserstoff im Inland aufgebaut werden. Dafür ist viel grüner Strom notwendig: Um sämtliche Elektrolyseure voll auszulasten, müssten gut 2.100 Onshore-Windräder heutiger Bauart mit maximaler Leistung laufen.

Allerdings wird die heimische Erzeugung bei weitem nicht genügen, um den Bedarf zu decken. Daher sieht die NWS vor, 2030 insgesamt 50 bis 70 Prozent aus Ländern zu importieren, die über bessere Bedingungen für die Erzeugung großer Wasserstoffmengen verfügen.

Zudem präzisiert die Neufassung der NWS, was als klimaneutraler Wasserstoff gilt. Danach erfüllen neben grünem zunächst auch blauer und türkiser Wasserstoff die Vorgaben. Bei beiden Spielarten dient fossiles Erdgas als Ausgangsbasis. Das bei der Wasserstofferzeugung entstehende Kohlendioxid wird abgeschieden und dauerhaft gelagert, so dass es nicht in die Atmosphäre gelangen kann. Auch orangenen, aus Bioabfällen gewonnenen Wasserstoff stuft die NWS für eine Übergangszeit als klimaneutral ein. Mit dieser weiten Definition will die Bundesregierung sicherstellen, dass in der Phase des Markthochlaufs genug Wasserstoff zur Verfügung steht. Müssten potenzielle Verbraucher nämlich fürchten, dass es hieran mangelt, würden sie die nötigen Investitionen scheuen.

Fahrzeug tankt Wasserstoff an Zapfsäule

Transport: staatliche Förderung für die Infrastruktur

Darüber hinaus setzt die überarbeitete NWS klare Ziele für den Aufbau der nötigen Transportinfrastruktur. So soll hierzulande bis spätestens 2028 mit staatlicher Förderung ein 1.800 Kilometer messendes Wasserstoffnetz entstehen.

Bis 2030 sollen dann alle Erzeugungs-, Import- und Speicherzentren mit den großen Abnehmern, etwa Stahl- und Chemiebetrieben oder Raffinerien, verbunden werden.

Verbrauch: Fokus auf Industrie, Kraftwerke sowie Schiffs- und Luftverkehr

Auch konkretisiert die überarbeitete Strategie, für welche Zwecke der klimaneutrale Wasserstoff eingesetzt werden soll. So ist vorgesehen, das Gas zuvorderst in Industrieprozessen, in Reservekraftwerken und im Luft- und Schiffsverkehr zu verwenden.

Im Straßenverkehr dagegen nennt die überarbeitete NWS lediglich schwere Nutzfahrzeuge als mögliches Einsatzfeld – obwohl doch die FDP zuvor beim PKW-Verbrennerverbot der EU Ausnahmen für Motoren durchgesetzt hat, die mit wasserstoffbasierten e-Fuels betrieben werden.

Bei Heizungen wird Wasserstoff der neuen Fassung zufolge eine „eher nachgeordnete Rolle“ spielen – und das auch nur dort, wo es in der Nachbarschaft ohnehin Wasserstoffgroßabnehmer gibt, die gewährleisten, dass ausreichend Brennstoff zu niedrigen Preisen verfügbar ist. Angesichts der Vehemenz, mit der sich die FDP bei der Diskussion um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) für Wasserstoff eingesetzt hat, kommt diese Einschränkung überraschend.

Deutschland steht im Wettbewerb mit den USA

Mit der Fortschreibung der NWS gibt die Bundesregierung der heimischen Industrie einen Rahmen, innerhalb dessen die Unternehmen ihre eigenen Wasserstoffstrategien entwickeln können.

Die Politik hat damit allerdings nur einen von vielen notwendigen Schritten getan. Nun gilt es vor allem, die rechtlichen Rahmenbedingungen so weiterzuentwickeln, dass konkrete Anreize für die Erzeugung und den Einsatz von klimaneutralem Wasserstoff entstehen. Dabei drängt die Zeit – lockt doch die US-Regierung mit dem Inflation Reduction Act ausländische Unternehmen, ihre Wasserstoffinvestitionen in den Vereinigten Staaten statt in der Heimat zu tätigen.

1800 Kilometer

soll das Wasserstoffnetz spätestens 2028 messen, das mit staatlichen Förderungen in Deutschland errichtet wird.