Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft: EU muss das Tempo erhöhen

Die USA drohen, die Europäische Union beim Wasserstoff abzuhängen. Jetzt muss die EU beim Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft dagegenhalten.

Fahrzeug tankt Wasserstoff an Zapfsäule

Grüner Wasserstoff ist das Schlüsselelement für den Klimaschutz: Als universell einsetzbarer, klimaneutraler Energieträger soll er Erdgas, Öl und Kohle ersetzen, und das in Industrie und Verkehr genauso wie in der Strom- und Wärmeerzeugung. In den nächsten Jahren entsteht eine weltweite Wasserstoffwirtschaft, die Unternehmen enorme Wachstumschancen bietet.

Damit die europäische Wirtschaft davon bestmöglich profitiert, muss die Europäische Union (EU) jetzt die richtigen Weichen stellen. Die Aufgaben sind vielfältig: Es gilt, die Nachfrage nach Wasserstoff zu stimulieren, Anreize zum Aufbau einer lokalen Erzeugung zu setzen, Importe zu sichern und nicht zuletzt heimische Hersteller etwa von Elektrolyseuren oder Brennstoffzellen im globalen Wettbewerb zu unterstützen.

Welcher Wasserstoff als „grün“ gelten soll

Dazu hat die EU-Kommission bereits 2020 im Rahmen ihrer Fit-for-55-Inititative eine erste Wasserstoffstrategie vorgelegt. Einige wichtige Punkte hat sie dabei allerdings offengelassen – etwa, wie der europäische Wasserstoffhandel organisiert und die nötige Transportinfrastruktur geschaffen werden soll.

Vor allem aber ist noch ungeklärt, welchen Wasserstoff die EU als „grün“ klassifizieren wird: Nur solcher, der mit eigens dafür erzeugtem Wind- oder Solarstrom produziert wird? Oder auch solcher, für dessen Herstellung Ökostrom aus dem Netz verwendet wird? Diese Frage muss beantwortet werden, bevor die EU den nötigen Rechtsrahmen spannen und neue Förderprogramme einrichten kann.

Einigung zwischen EU-Kommission und -Parlament in Sicht

Dass die EU bislang kaum vorangekommen ist, liegt vor allem daran, dass EU-Kommission und Europäisches Parlament lange Zeit unterschiedliche Meinungen vertreten haben: Für die Kommission zählte bislang nur Wasserstoff, der mit Strom aus eigens dafür errichteten Wind- oder Sonnenkraftwerken hergestellt wird. Das Parlament ist da großzügiger: Die Abgeordneten betrachten mehrheitlich Wasserstoff auch dann als grün, wenn der Strom nicht aus eigens dafür installierten Anlagen stammt – sofern es sich dabei um zertifizierten Grünstrom handelt.

Dieser Konflikt könnte bald gelöst sein: Die EU-Kommission hat jetzt ein Regelwerk (delegierter Rechtsakt) erarbeitet, das einige wesentliche Punkte des Parlaments berücksichtigt. Das macht es Unternehmen einfacher, Anlagen für die Erzeugung von Wasserstoff zu errichten. Findet der Entwurf die Zustimmung des Parlaments und der EU-Mitgliedsstaaten, wäre ein zentrales Hindernis für den Aufbau einer europäischen Wasserstoffwirtschaft beseitigt.

USA machen Investitionen attraktiv

Dass sich ein Kompromiss abzeichnet, dürfte von der jüngsten Entwicklung in den USA befördert worden sein: Mit dem Inflation Reduction Act hat Präsident Joe Biden bei Wasserstoff – und bei anderen Klimaschutztechnologien – kürzlich den Turbo gezündet. Damit droht, dass die USA die EU im globalen Wettbewerb abhängen werden.

Konkret sieht das Gesetz unter anderem vor, Investitionen in die US-Wasserstoffwirtschaft mit Steuergutschriften zu fördern. Gut 13 Milliarden Dollar stehen dafür bis 2031 zur Verfügung. Wer davon profitieren will, muss Technologie verwenden, die zu einem großen Teil in den USA gefertigt worden ist.

13 Mrd. Dollar

für Steuergutschriften stehen zur Förderung der Wasserstoffwirtschaft in den USA bis 2031 zur Verfügung.

Europäische Hersteller, etwa von Elektrolyseuren und Brennstoffzellen, bekommen damit einen starken Anreiz, neue Werke in den USA statt in der Europäischen Union zu errichten. Zudem könnten Ressourcen für den Aufbau einer europäischen Wasserstoffwirtschaft fehlen, weil sich die Unternehmen lieber jenseits des Atlantiks engagieren. Die EU ist daher gut beraten, so schnell wie möglich mit klaren Regeln und eigenen Initiativen zu kontern.