Was soll das mit dem digitalen Euro?

Die Vorbereitungen laufen jetzt an: Schon im Herbst soll der Startschuss zum digitalen Euro fallen. Viele Menschen fragen: Was soll das; wer braucht den überhaupt?

Eurozeichen

Zum Bezahlen zücken wir Karte oder Smartphone. Um Geld zu überweisen, loggen wir uns online ein. Auch wenn wir noch mit Münzen und Geldscheinen im Portemonnaie unterwegs sind: Die meisten Transaktionen wickeln wir digital ab. Wenn der Euro im täglichen Leben längst digital ist, warum brauchen wir dann einen digitalen Euro?

„Eine überaus verständliche Frage“, sagt Dr. Guido Zimmermann, Senior Economist bei LBBW Research. „Was nützt eine neue Lösung, wenn niemand ein Problem sieht?“ Die Menschen in Deutschland können problemlos digital zahlen und überweisen. Folgerichtig sehen 56 Prozent von ihnen laut einer Umfrage der Bundesbank keinen Mehrwert in der Einführung eines Digi-Euro. „Selbst unter den Profis ist die Meinung geteilt“, sagt Zimmermann: „Von den Fach- und Führungskräften der Finanzindustrie sind fast die Hälfte der Meinung, dass es einen digitalen Euro nicht braucht.“

Das sieht die Europäische Zentralbank (EZB) anders: Sie hat jetzt einen Zeitplan vorgestellt, wie es vorangehen soll mit ihrer Digitalwährung. Im September 2023 dürfte die EZB den Start des Digital-Euros mit einer mehrjährigen Testphase beschließen, Ende 2026 dann die endgültige Einführung. Vielleicht schlägt sie damit ein zu rasantes Tempo an, mahnt LBBW-Experte Zimmermann. „Die EZB sollte sich die Zeit nehmen, den Menschen den Sinn und Nutzen des digitalen Euro näherzubringen.“

Genau das hat die Europäische Zentralbank vor. Sie möchte mit dem Digi-Euro die Digitalisierung des Euroraums befördern. Wenn alles klappt, können Verbraucher und Unternehmen per App sicher, anonym und ohne weitere Kosten zahlen – so wie heute schon beim Bargeld. Denn die EZB-Digitalwährung soll das physische Bargeld nicht ersetzen, sondern nur ergänzen. Parallel arbeitet die Notenbank daran, die Eigenschaften des physischen Bargelds – Anonymität und die Möglichkeit der Offline-Zahlung – in den digitalen Raum zu übersetzen. In wichtigen Details hat sich die EZB bereits festgelegt.

Wie wird der digitale Euro aussehen?

  • Der Wert eines digitalen Euro ist identisch mit dem Wert eines „normalen“ Euro.
  • Die Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Staaten des Euroraums haben direkten und kostenlosen Zugang zum digitalen Euro.
  • Der Zugang zum digitalen Euro erfolgt wie bei der Eröffnung eines entsprechenden Kontos über Banken und Sparkassen.
  • Für den täglichen Gebrauch können entsprechende Zahlungsverkehrs-Apps der Banken und Sparkassen oder eine EZB-App genutzt werden.
  • Zahlungen können kontaktlos, über QR-Codes oder andere Lösungen erfolgen.
  • Aufbauend auf einer Basislösung für den digitalen Euro können Banken und Sparkassen zusätzliche Zahlungsverkehrs-Apps anbieten.
  • Damit es nicht zu einem starken Abfluss von Einlagen von den Girokonten hin zum digitalen Euro kommt, werden Obergrenzen für die Bürger eingeführt (z. B. 3.000 Euro).

Der letzte Punkt ist vor allem für Bürgerinnen und Bürger weniger stabiler EU-Staaten relevant. Sie könnten bei einer Pleite ihrer lokalen Bank ihre gesamten Einlagen verlieren. Das eigene Geld über die App im Smartphone der sicheren Europäischen Zentralbank anzuvertrauen: Das wäre ein verständlicher Impuls. Die Obergrenze soll diesen Geldabfluss verhindern.

Damit Europa keine digitale Kolonie wird

Den digitalen Euro erfolgreich einzuführen, wird für die EZB anspruchsvoll, wenn die meisten Bürgerinnen und Bürger problemlos weiter ohne Digi-Euro leben können. Die Entscheidung, im Euroraum eine digitale Währung einzuführen, ist vor allem ein Politikum: Die EZB will sich das Geldmonopol nicht von US-Konzernen wie Meta (früher: Facebook) aus der Hand nehmen lassen. Das Unternehmen hatte 2019 mit der Einführung einer eigenen Währung namens Libra geliebäugelt und damit die Bankenwelt aufschrecken lassen. Auch wenn das Libra-Projekt mittlerweile eingestellt ist: Ähnliche Gedankenspiele beschäftigten auch andere Technologiekonzerne. „Europa muss gegensteuern und selbst eine digitale Währung anbieten“, sagt Zimmermann, „wenn es nicht zu einer digitalen Kolonie werden will.“

Die EZB sollte sich die Zeit nehmen, den Menschen den Sinn und Nutzen des digitalen Euro näherzubringen.

Dr. Guido Zimmermann, Senior Economist bei LBBW Research

Digitale Währungen gibt es längst. Dazu zählen Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum und Ripple, aber auch der e-Naira in Nigeria und der 2022 in China eingeführte e-Yuan. Dort zeigt sich allerdings, dass die zum Benutzen notwendige App der Zentralbank zwar millionenfach heruntergeladen, doch kaum genutzt wird. Der Grund: „In China gibt es bereits effizientere, günstigere und komfortablere Anbieter wie WeChat Pay oder Alipay“, sagt Dr. Jonas Groß, Vorsitzender des Think Tanks Digital Euro Association. Die EZB kann aus aus den Erfahrungen der chinesischen Zentralbank lernen, regt Groß an, und es beim digitalen Euro besser machen.

Beim digitalen Euro steht noch so viel Entwicklungsarbeit an, dass die Europäische Zentralbank angekündigt hat, sich auf eine Basisversion für die neue Digitalwährung zu beschränken. Wie das Ganze dann konkret umgesetzt wird, damit sollen sich die Finanzinstitute beschäftigen. „Die Banken müssen herausfinden, wie ihre verschiedenen Kunden die Möglichkeiten des digitalen Euros im Zahlungsverkehr bestmöglich für sich nutzen können“, sagt Banken-Experte Zimmermann.