Bundesregierung will Kohlendioxid-Speicherung auf den Weg bringen

Klimaneutralität braucht eine CCS-Strategie für das Abscheiden und dauerhafte Speichern von CO₂. Die Bundesregierung will demnächst ihr Konzept dafür vorlegen.

Röhrenförmige Bioreaktoren, gefüllt mit CO2-bindenden Grünalgen

Wir schreiben das Jahr 2050: Der Strom stammt vollständig aus erneuerbaren Quellen, fossile Brenn- und Kraftstoffe sind durch CO₂-neutrale Alternativen wie grünen Wasserstoff ersetzt. Ist Deutschland damit klimaneutral, wie es das Abkommen von Paris fordert? Nicht zwingend – denn es wird auch künftig noch Bereiche geben, in denen Treibhausgase freigesetzt werden, etwa in der Landwirtschaft oder in manchen Industrieprozessen. Das ist technisch oder biologisch unvermeidbar.

Um das Pariser Klimaziel zu erfüllen, bedarf es daher sogenannter negativer Emissionen – Kohlendioxid (CO₂) muss aus der Atmosphäre entfernt und dauerhaft gespeichert werden. So wird der nicht zu vermeidende Ausstoß kompensiert. Als Endlager stehen unterirdische Hohlräume in Gesteinsformationen zur Verfügung, zum Beispiel ehemalige Erdgas-Lagerstätten.

Bundesregierung kündigt CCS-Strategie an

Das Abscheiden und Speichern von Kohlendioxid (Carbon Capture and Storage, kurz CCS) ist also ein unverzichtbares Instrument für das Erreichen der heimischen wie der globalen Klimaziele. Das hat auch die Bundesregierung erkannt: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat Ende 2022 angekündigt, eine Carbon-Management-Strategie vorzulegen, die die nötigen wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die erforderliche Infrastruktur identifiziert. Auf dieser Basis kann die Bundesregierung die gesetzliche Grundlage für CCS – und auch für den Einsatz von CO₂ als industriellen Rohstoff, Carbon Capture and Utilization (CCU) genannt – schaffen.

Bislang ist das Abscheiden und Speichern von Kohlendioxid in Deutschland nämlich lediglich zu Testzwecken erlaubt. Und das auch nur mit einer Einschränkung: Die Bundesländer haben das Recht, solche Vorhaben zu untersagen. Deshalb wird hierzulande erst ein einziges CCS-Projekt umgesetzt.

Rechts- und Investitionssicherheit schaffen

Die Bundesregierung will mit ihrer Carbon-Management-Strategie die dringend benötigte Rechts- und Investitionssicherheit für die Anwendung von CCS in industriellem Maßstab herstellen. Technisch gesehen steht dem kaum etwas entgegen: Forscherinnen und Forscher aus Industrie und Wissenschaft haben in den vergangenen Jahren verschiedene Konzepte für das Abscheiden von CO₂ entwickelt und erprobt.

Der wichtigste Hebel ist das Filtern von Kohlendioxid direkt aus den Industrieabgasen. Dort ist die CO₂-Konzentration vergleichsweise hoch, was das Verfahren effizient macht. Auch die Abluft von Biogasanlagen ist eine vielversprechende Quelle – hier lässt sich das Kohlendioxid abscheiden, das das dort eingesetzte Pflanzenmaterial zuvor der Luft entnommen hat (Bioenergy with Carbon Capture and Storage, BECCS). Technisch gesehen spricht auch nichts dagegen, CO₂ direkt aus der Luft zu holen. Allerdings ist das Verfahren (Direct Air Capture, DAC) noch recht teuer und auch energieaufwändig.

Deutschland will Kapazitäten im Ausland nutzen

Die CO₂-Speicherkapazität im heimischen Untergrund ist riesig, wie Berechnungen der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (Acatech) zeigen. Allein unter dem deutschen Festland könnte 130 Jahre lang ein Zehntel des gegenwärtigen jährlichen CO₂-Ausstoßes eingebracht werden, so die Experten.

130 Jahre

lang könnte ein Zehntel des gegenwärtigen jährlichen CO₂-Ausstoßes unter dem deutschen Festland gespeichert werden.

Allerdings zeigt ein Blick in die Vergangenheit, dass es nicht einfach sein wird, in Deutschland CCS-Projekte zu realisieren: Mehrere Pilotvorhaben wurden wegen Protesten von Anwohnern abgesagt. Deshalb setzt die Bundesregierung auch auf Kooperationen mit anderen europäischen Staaten. Sie sollen einen Teil des hierzulande abgeschiedenen CO₂ endlagern. Auch dafür will die Ampelkoalition mit ihrer Carbon-Management-Strategie die Grundlage schaffen.

Minister Habeck hat im Januar bereits ein deutliches Zeichen für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit gesetzt: Der Grünen-Politiker hat in Norwegen ein CCS-Projekt besichtigt, bei dem künftig CO₂ aus einem Zementwerk unter dem Meeresboden gespeichert wird. Norwegen und andere Staaten wie die Niederlande freuen sich über die deutschen Pläne. Sie sehen in der Entsorgung von Kohlendioxid aus der Bundesrepublik ein attraktives Geschäftsmodell.