25.11.2025

Macht- und Wirtschaftsstrukturen im Umbruch

Jahresausblick 2026 | Entwicklungen des Jahres und fundierter Ausblick: Lesen Sie hier die Analysen und Prognosen unserer Experten zum Thema Geopolitik.

Hausgemachter Aufschwung in China
Hausgemachter Aufschwung in China

Jahresausblick 2026 - Geopolitik

  • Von Matthias Krieger und Sandro Pannagl · Strategy / Macro Research

Die Welt verändert sich und damit auch die Rahmenbedingungen globalen Handelns. Der früher „wohlmeinende Hegemon“ USA, Garant einer regelbasierten Welt- und Wirtschaftsordnung, verfolgt heute einen rein machtbasierten Politikansatz. Die Regierung hat den durchschnittlichen effektiven Zollsatz auf US-Importe von 2 % auf 18 % erhöht. Getrieben werden die USA von China, das mit anderen Mitteln ähnliche Ziele verfolgt: Mit Exportkontrollen für seltene Erden demonstriert Xi Jinping gerade die eigene Macht.

Politisch und militärisch schwach sowie technologisch im Hintertreffen, tut sich Europa schwer in der neuen Umgebung. Das Handeln der EU wirkt oft, als sei sie hilfloser Spielball fremder Mächte. Dabei ist die protektionistische US-Politik eher Zeichen von Schwäche. Der Anteil der USA am Welthandel sinkt (zuletzt 13 %), und trotz Zöllen laufen 70 % des globalen Handels nach WTO-Regeln ab.

Viele Länder wertschätzen den regelbasierten Handel und würden gerne ein Handelsabkommen mit der EU und ihrem 450 Millionen Einwohner großen Binnenmarkt schließen: Mercosur, Indien, Indonesien, weitere ASEAN-Staaten, Australien. Länder mit großer Bevölkerung, beachtlichen Ressourcen an strategischen Rohstoffen und hohen Wachstumsraten. Die EU muss diese Chancen nutzen und täte gut daran, auch innerhalb ihrer eigenen Grenzen Handelshemmnisse abzubauen.

Die EU arbeitet an weiteren Handelsabkommen

Die EU arbeitet an weiteren Handelsabkommen
Quellen: EU-Kommission, LBBW Research; Stand: November 2025

Das Handelsabkommen zwischen der EU und den USA jedenfalls steht auf wackligen Beinen. Die EU hat sich zu Investitionen von 600 Mrd. USD in den USA und zu Energieimporten aus den USA von 750 Mrd. USD verpflichtet. Völlig unklar ist, wie sie das erfüllen will. Scheitern diese „Deals“, wäre das gesamte Abkommen Makulatur.

Zugleich bleibt Russlands Aggression herausfordernd für Europa. Da die USA nicht mehr den Eindruck erwecken, ein zuverlässiger Bündnispartner zu sein, muss Europa seine Sicherheitsarchitektur neu aufstellen. Das ist schon politisch eine Herkules-Aufgabe. Hinzu kommt die finanzielle Seite. Angesichts leerer Kassen wird es auf Deutschland ankommen, eine konventionelle Abschreckung aufzubauen. Ob die Bevölkerung die Belastungen mittragen wird, muss sich zeigen. Bisher enttäuschende Ansätze zur Sanierung der deutschen Sozialsysteme und zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit lassen sorgenvoll in die Zukunft blicken.

Im Nahen Osten ist es unter US-Regie zu einem Waffenstillstandsabkommen gekommen. Ob es zu einer nachhaltigen Befriedung führt, ist zweifelhaft. Die Regierung Netanjahu wirkt, als sehe sie das Abkommen als Vereitelung der Chance, den Gazastreifen und das Westjordanland zu annektieren. Die Hamas wiederum hat nur ihre aktuelle Erschöpfung zur Zustimmung bewegt. Gelöst ist der Konflikt nicht im Ansatz. Die Lebensumstände der Palästinenser und deren jüngste Erfahrungen sind Nährboden weiterer Gewalt. Zu hoffen bleibt, dass Syrien nun eher als Stabilisator wirkt – auch das ist unsicher. Ebenso wie der Kurs des Iran. Die Region hat weiterhin das Potenzial eines gut gefüllten Pulverfasses.

Und auch die Beziehung zwischen dem Westen und China bleibt angespannt. Zwar konnten sich Washington und Peking im Oktober auf ein Handelsabkommen einigen. Es stellt aber lediglich eine taktische Entspannung dar. Beide Seiten erkaufen sich Zeit, um die wechselseitigen Verwundbarkeiten weiter abbauen zu können. Der systemische Konflikt bleibt ungelöst.

Europa teilt viele der US-Bedenken gegenüber Peking. Die Abhängigkeit von Chinas Wertschöpfungsketten sowie vom chinesischen Absatzmarkt schränken den Handlungsspielraum jedoch ein. Warnsignale der Vergangenheit (wie erzwungener Technologietransfer) wurden ignoriert. Die KP zementiert mit dem neuen Fünfjahresplan zugleich strategisches Denken, das in Europas Hauptstädten oftmals fehlt.

Die Länder Ostasiens suchen trotz Zollstreit die Nähe zur USA, während Südostasien neben regionaler Integration eine Annäherung an Peking betreibt. Die EU droht, ohne neue Kooperationsinitiativen auch in diesen Regionen ins Hintertreffen zu geraten.

EU in Fernost bereits 2024 abgeschlagen

Handelspartner in % des Gesamtvolumens

ASEAN

Quelle: LSEG, LBBW Research | Stand: 13.11.2024

Japan

Quelle: LSEG, LBBW Research | Stand: 13.11.2024

Korea

Quelle: LSEG, LBBW Research | Stand: 13.11.2024

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Was würde der Wiederaufbau der Ukraine kosten?

Internationale Organisationen schätzen die Kosten auf etwa 550 Mrd. US-Dollar. Je länger der Krieg dauert, desto teurer wird es. Am stärksten beschädigt sind die Verkehrs- und Energieinfrastruktur sowie der Wohnsektor. Die Ukraine wird beim Wiederaufbau auf internationale Hilfe angewiesen sein. Schon jetzt liegen die veranschlagten Kosten beim Zweieinhalbfachen ihres BIP.

Wie würde sich eine Annexion Taiwans weltwirtschaftlich auswirken?

Eine Invasion Chinas in Taiwan hätte verheerende Auswirkungen. Sie würde wichtige Schifffahrtsrouten in Ost- und Südostasien massiv stören und die taiwanesische Chipproduktion lahmlegen. Der Zusammenbruch globaler Lieferketten wäre die Folge. Eine Ausweitung auf Nachbarstaaten ist nicht ausgeschlossen. Der globale Schaden würde die Covidkrise weit übertreffen.

Hat Europa noch ausreichend Wirtschaftsmacht, um Einfluss auszuüben?

Ja! Europa bleibt wirtschaftliches Schwergewicht. Das EU-BIP ist größer als das Chinas, und auch vor den USA muss der alte Kontinent sich nicht verstecken. Technologisch gibt es Defizite, aber die Basis ist vorhanden: Ohne Maschinen aus Europa gäbe es keine Hochleistungschips. Längerfristig könnte der US-Isolationismus Europa Wettbewerbsvorteile verschaffen. Im Umgang mit China braucht es eine Strategie.

Ersetzen die BRICS die Führungsrolle des Westens?

Nein! Um global eine Führungsrolle zu übernehmen, braucht es eine alle einigende Weltsicht als Basis einer Weltordnung. Einig sind sich die BRICS aber nur darin, dagegen zu sein. Die Länder fühlen sich vom Westen nicht einbezogen und in internationalen Institutionen nicht angemessen repräsentiert. Um eine alternative Weltordnung zu formulieren, sind die Interessengegensätze zwischen zentralen BRICS-Staaten zu groß.

Von: Matthias Krieger und Sandro Pannagl

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