Ein Jahr „Fit for 55“: EU-Institutionen ringen um Details des Klimapaket

Vor einem Jahr hat die EU-Kommission ihr ehrgeiziges Klimapaket „Fit for 55“ vorgestellt. Die Verhandlungen machen Fortschritte, viele Details sind noch unklar.

Kerzen auf einem Geburstagskuchen werden angezündet

Mit dem Europäischen Green Deal hat sich die EU das verbindliche Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu werden. Ein Zwischenschritt auf diesem Weg ist die Verpflichtung, bis 2030 die klimaschädlichen Emissionen um mindestens 55 Prozent zu reduzieren. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die EU-Kommission am 14. Juli 2021 ein Maßnahmenpaket mit dem Titel „Fit for 55“ vorgelegt. Dieses besteht sowohl aus einer Reihe von Vorschlägen zur Überarbeitung bestehender EU-Rechtsvorschriften als auch aus neuen politischen Initiativen.

Bevor aus dem Paket Gesetze werden, müssen sich die EU-Länder und das EU-Parlament auf eine Position zu jedem einzelnen Vorhaben einigen. Anschließend folgen Verhandlungen zwischen dem EU-Rat als Vertretung der Mitgliedsstaaten und dem Parlament.

Eine wichtige Rolle in dem Prozess spielen die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, der seit dem 24. Februar 2022 andauert. Gerade die Energiewende hat durch den Konflikt der EU mit Gaslieferant Russland an Bedeutung gewonnen. Gleichwohl sind angesichts der hohen Inflation zusätzliche finanzielle Belastungen für die Verbraucher und Unternehmen schwer zu vermitteln. Hier ein Überblick über den aktuellen Stand in besonders wichtigen Bereichen:

Verkehr: Zu den Vorhaben der Kommission gehört auch das Aus für Neuwagen mit Verbrennungsmotoren. Besonders in Deutschland war die Aufregung groß, als das Parlament dem Vorschlag der Kommission weitgehend folgte, den Verkauf von Verbrennern ab 2035 zu verbieten. Diese Position befürworten auch die EU-Staaten. Hierzulande setzt sich derweil die FDP dafür ein, dass mit klimafreundlichen E-Fuels betriebene Verbrenner auch nach 2035 erlaubt bleiben. Nach der Sommerpause dürften die Verhandlungen um die Details zwischen Parlament und EU-Ländern beginnen.

Energie: Der ursprüngliche Vorschlag der Kommission sieht bis 2030 den Ausbau der Erneuerbaren auf einen Anteil von 40 Prozent am Energiemix vor. Zuvor lag das Ziel bei 32 Prozent. Gleichzeitig sollen Endkunden gegenüber 2020 neun Prozent weniger Energie verbrauchen. Die Mitgliedsstaaten unterstützen das Vorhaben. Wegen des Ukraine-Kriegs erhöhte die Kommission die Ziele nachträglich auf 45 Prozent für Erneuerbare und auf 13 Prozent mehr Energie-Effizienz. Ob die Staaten das mittragen, ist offen. Das Parlament hat sich in der Frage noch nicht positioniert.

45 %

Wegen des Ukraine-Kriegs erhöhte die Kommission die Ziele nachträglich auf 45 Prozent für Erneuerbare Energien.

Emissionshandel: Mit dem seit 2005 bestehenden Emissionshandelssystem sorgt die EU für einen Anreiz zur Reduzierung klimaschädlicher Gase, indem betroffene Unternehmen für deren Ausstoß bezahlen müssen. Die Kommission möchte nun die Zahl der Verschmutzungsrechte schneller verringern und ab 2035 Firmen keine kostenlosen Zertifikate mehr zur Verfügung stellen. Außerdem ist eine Ausweitung des Systems auf das Heizen von Gebäuden und den Verkehr geplant. Das Parlament fürchtet höhere Energiekosten für Verbraucher und möchte im Gegensatz zu den Ländern nur einer Einführung für Gewerbeimmobilien und Logistik zustimmen. Umstritten ist auch, wie lange Unternehmen noch kostenlose Verschmutzungsrechte erhalten. Ein schnelles Ende der bereits laufenden Verhandlungen ist nicht zu erwarten. Viele weitere Informationen zum Emissionshandel finden Sie in unserem Themen-Special.

Klima-Sozialfonds: Der Vorschlag der Kommission sieht vor, dass ein Klima-Sozialfonds Preissprünge durch die Energiewende wie zum Beispiel höhere Heizkosten ausgleicht. Das Ziel ist, sowohl Verbraucher zu entlasten als auch Investitionen, etwa in Energieeffizienz, zu finanzieren. Das Geld für den Fonds soll unter anderem aus dem Emissionshandel kommen. Doch viele Details sind noch unklar, auch das Volumen. Die Kommission schlägt 144,4 Milliarden bis 2032 vor. Das Parlament möchte nur die Hälfte der Summe zur Verfügung stellen. Die Länder, insbesondere Deutschland, plädieren sogar für einen noch kleineren Topf mit einem Volumen von 59 Milliarden Euro.

In vielen weiteren Bereichen steht eine Einigung ebenfalls noch aus. Deshalb ist es fraglich, ob das Gesetzgebungsverfahren wie geplant bis Ende des Jahres abgeschlossen werden kann.