15.07.2022
CO₂-Zölle: Protektionismus oder Schritt zu mehr Nachhaltigkeit?
Nach einigem Hin und Her hat sich das EU-Parlament zu CO₂-Zöllen durchgerungen. Sie sind Teil des Klimapakets „Fit for 55“.
Zement, Dünger, Eisen, Stahl, Aluminium – weil die Herstellung dieser Güter besonders energieintensiv ist, müssen Firmen mit Sitz in der EU bei der Produktion eine CO₂-Abgabe zahlen. Eine erste Evaluationsphase von 2023 bis 2025 soll zeigen, ob und wo noch nachjustiert werden muss. Neben Strom sollen langfristig weiterer Produkte und Güter wie Wasserstoff, Polymere und organische Chemikalien mit einbezogen werden. Um aber mit der CO₂-Abgabe die heimischen Hersteller nicht zu benachteiligen gegenüber Anbietern aus Nicht-EU-Ländern, hat sich die Europäische Union entschlossen, CO₂-Zölle einzuführen. Dieser Grenzausgleichsmechanismus (kurz: Cbam für „Carbon Border Adjustment Mechanism“) soll den Import energieintensiver Güter aus Nicht-EU-Ländern teurer machen. Damit soll die eigene Wettbewerbsfähigkeit geschützt, Abwanderung ins Ausland verhindert und gleichzeitig für nachhaltigere Produktionsmethoden gesorgt werden. „Ein EU-Außenzoll auf CO₂ könnte Staaten weltweit zu mehr Klimaschutz motivieren und gleichzeitig unsere Wirtschaft schützen", sagte Jennifer Morgan, Staatsekretärin und Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik im Auswärtigen Amt in einem Gespräch mit der Zeitung Die Welt.
Der Beschluss zu den CO₂-Zöllen ist Teil der umfangreichen Reformen zum Emissionshandel, die wiederum im Rahmen des Klimapakets „Fit for 55“ verabschiedet wurden. Allerdings müssen die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten nun noch grünes Licht für den nicht unumstrittenen Grenzausgleich geben. Dazu werden hitzige Debatten in den Ländern und Änderungsvorschläge erwartet.
Neue Allianzen für das Klima
Den ohnehin schon sehr unterschiedlichen Interessen der Länder innerhalb der EU stehen die der bisherigen Importländer außerhalb der EU entgegen. Für die energieintensiven Güter waren das neben China und der Türkei bisher auch die Ukraine und Russland. In den letzten beiden Fällen hat die politische Lage die Pläne der EU allerdings überholt, da aufgrund des Angriffskrieges durch Russland auf die Ukraine weitreichende Sanktionen gegen Russland, zerstörte Infrastruktur und unterbrochene Transportwege in der Ukraine, aber auch Flucht und Vertreibung die Nachhaltigkeitsvorhaben der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft torpedieren. Gleichzeitig ist die Welthandelsorganisation WTO aufmerksam geworden, weil die von der EU verabschiedeten CO₂-Zölle an den Grenzen des legal Möglichen rütteln. Gegenzölle anderer Staaten und daraus resultierende Handelskonflikte können aber in niemandes Interesse sein.
Ein EU-Außenzoll auf CO₂ könnte Staaten weltweit zu mehr Klimaschutz motivieren und gleichzeitig unsere Wirtschaft schützen.
Darum hat Bundeskanzler Olaf Scholz nicht erst auf dem jüngsten G7-Gipfel auf Schloss Elmau die Idee eines sogenannten Klimaclubs an den Tisch gebracht. Weil die Klimaerwärmung ein globales Problem ist, das sich weder an Ländergrenzen noch an Wirtschaftsräume hält, sollten sich möglichst viele Länder auf gleiche, hohe Standards zum Klimaschutz einigen. So könnten Kräfte gebündelt und Länder außerhalb des Klimaclubs dazu veranlasst werden, selbst höhere Standards anzulegen. Aber auch hier sind unterschiedliche Interesse, etwa seitens der USA oder China, bisher die Bremsklötze dieser Idee.
Das sagen Entscheider
Für unsere B2B-Befragung „Emissionshandel“ haben wir im April und Mai 2022 aus Industrie bzw. produzierendem Gewerbe, Handel & Konsumgütern, Dienstleistungen und öffentlichen Unternehmen ab 50 Millionen Euro Jahresumsatz 200 Entscheider befragt. Rund 27 Prozent der befragten Entscheider sehen in dem Emissionshandel einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Unternehmen aus Ländern ohne eine vergleichbare CO₂-Bepreisung. Zudem befürchten 78 Prozent der Befragten, dass die Auswirkungen des nationalen und europäischen Emissionshandels zu einer geringeren Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen auf den globalen Märkten führen werden.