08.11.2023

Die Qual der Wahl gilt auch bei Risiken

Wer sich als Unternehmer gegen Preisveränderungen am Markt absichern will, kann nicht alle Risiken gleichzeitig vermeiden. Welche Strategie verspricht Erfolg?

GETEC Standort
GETEC Standort

Das Management und die Absicherung von Preisrisiken nehmen besonders bei Handelsunternehmen eine große Rolle ein. Dabei scheint das Geschäftsmodell von Händlern simpel: kaufen, Marge drauf, verkaufen. Die Realität sieht gerade bei großen Handelsunternehmen völlig anders aus: Sie haben tagtäglich mit Risiken zu kämpfen, die sie in die Insolvenz führen können.

Von einer „Risikokaskade“ spricht Dr. Markus Christian Holder, Executive Director im Corporate-Finance-Advisory-Team der LBBW. Denn es gibt gleich drei miteinander verbundene Risiken, die bei jeder Transaktion auftauchen: die Volatilität der Märkte, die Verlässlichkeit der Absicherungspartner und nicht zuletzt die eigene Liquidität. LBBW-Experte Holder spricht dabei von Marktpreisrisiko, Kontrahentenrisiko und Liquiditätsrisiko. „Diesen drei Risiken kann kein Handelsunternehmen ausweichen, sie müssen sich den Herausforderungen an den unterschiedlichen Punkten der Risikokaskade stellen“, sagt Holder. „There is no escape!“ Damit meint er: Werden Marktpreisrisiken eliminiert, müssen Kontrahenten- oder Liquiditätsrisiken akzeptiert werden.

Unternehmen mit hohen Handelsvolumen müssen sich mit der Risikosteuerung und -verteilung beschäftigen. Den passenden Umgang mit der Risikokaskade muss jedes Unternehmen für sich finden, egal, ob mit Lebensmitteln, Energie oder Metallen gehandelt wird. So oder so geht es um hohe Summen und signifikante Risiken.

GETEC ENERGIE und die Risikokaskade

Der Hannoveraner Energiedienstleister GETEC ENERGIE unterstützt große Energieverbraucher, -versorger und -erzeuger bei der effizienten und nachhaltigen Beschaffung bzw. Vermarktung von Energie. Diese Art von Dienstleistungen führt in der Regel zu hohen Handelsvolumen. 2022 betrug der Umsatz der GETEC ENERGIE mehr als 4,8 Milliarden Euro. „Unser Geschäftsumfeld ist von geringen Margen in Relation zum Umsatz geprägt. Daher ist unsere Toleranz für Marktpreisrisiken entsprechend klein“, sagt Alexander-Friedrich Reich, Head of Treasury bei GETEC ENERGIE. „Um jederzeit Herr der Lage zu sein, haben wir ein klares Risikomanagementregime tief in unserer Geschäftsstrategie verankert.“

Insbesondere die vergangenen zwei Jahre waren für Unternehmen der Energiebranche ausgesprochen turbulent: Die Entwicklung der Energiepreise stellte die Risikopolitik der GETEC ENERGIE und ihren Umgang mit den drei Herausforderungen der Risikokaskade auf den Prüfstand. „Das war der Lackmustest für unsere Risikomanagementstrategie“, erzählt Treasurer Reich. „Aufgrund unseres wirklich gelebten Risikomanagementregimes waren wir in der Lage, Marktpreisrisiken weitestgehend zu vermeiden oder gar zu eliminieren.“

Alexander-Friedrich Reich Head of Treasury bei GETEC ENERGIE

Unsere Toleranz für Marktpreisrisiken ist klein. Um jederzeit Herr der Lage zu sein, haben wir ein klares Risikomanagementregime tief in unserer Geschäftsstrategie verankert.

Alexander-Friedrich Reich, Head of Treasury bei GETEC ENERGIE

Mit dieser Sicherung kommt allerdings die zweite Herausforderung in der Risikokaskade auf: das Kontrahentenrisiko. Damit wird das Risiko beschrieben, dass bei einem Vertrag einer der Partner (Kontrahenten) seinen Verpflichtungen nicht nachkommen kann. Bei Handelsgeschäften sind diese Verträge meist Terminkontrakte: Der Vertragspartner verspricht dem Händler, eine bestimmte Ware – in diesem Fall Energie – zu einem festgelegten Zeitpunkt zu einem verbindlichen Preis abzunehmen. „Mit Abschluss des Terminkontrakts beginnt bei den Vertragspartnern allerdings das Risiko, dass eine der beiden Seiten bei Ablauf des Terminkontrakts nicht in der Lage ist, den Vertrag zu erfüllen“, sagt LBBW-Risikoexperte Holder.

Liquiditätsrisiken reduzieren durch Liquidity Swaps

Durch den dritten Schritt in der Risikokaskade kann dieses Kontrahentenrisiko abgesichert werden. Damit die Vertragspartner einander zeigen, dass sie die Vertragsbedingungen erfüllen können, wird ein sogenanntes Margin-Konto angelegt. Je nachdem, wie sich die Marktpreise entwickeln, muss die eine oder andere Seite dieses Margin-Konto füllen. Börsentäglich. Und das auch, wenn plötzlich aufgrund einer turbulenten Preisentwicklung im Rahmen von sogenannten Margin-Calls sehr große Beträge angefordert werden. Wird das Geld zur Bedienung des Margin-Calls nicht aufgebracht, platzt der Terminkontrakt – und der Vertragspartner, der die Zahlung nicht leisten kann, kämpft häufig mit dem geschäftlichen Aus. Das Liquiditätsrisiko ist daher die dritte und keineswegs unwichtigste Herausforderung auf dieser Risikokaskade, mit der sich Treasurer ohnehin stets befassen.

Markus Holder, LBBW Advisory-Team

Handelsunternehmen müssen sich den Herausforderungen an den unterschiedlichen Punkten der Risikokaskade stellen: There is no escape!

Dr. Markus Christian Holder, Executive Director im Corporate-Finance-Advisory-Team der LBBW
Laechelnder Geschaeftsmann mit Tablet am Fenster

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GETEC ENERGIE beobachtet und bewertet die Verteilung der drei Risikoklassen und versucht, Liquiditäts- und Kontrahentenrisiken optimal zu steuern. Unter anderem werden eigene Liquiditätsrisiken reduziert, indem gezielt sogenannte Liquidity Swaps genutzt werden. Dabei werden Sicherungsgeschäfte, die sonst über die Börse laufen, durch bilaterale Sicherungstransaktionen mit Finanzdienstleistern wie der LBBW ersetzt. „Die LBBW übernimmt im Zuge des Liquidity Swaps das Kontrahentenrisiko, das die Börse nicht tragen möchte, und zugleich das Liquiditätsrisiko, das GETEC ENERGIE nicht tragen möchte“, erklärt Andreas Kliner, Corporate Sales Specialist bei der LBBW. Voraussetzung für einen solchen Liquidity Swap ist, dass beide Seiten das gegenseitige Kontrahentenrisiko akzeptieren.

Aktive Risikosteuerung ist nötig

Denn egal wie die Risikofaktoren auf der Risikokaskade verteilt werden: There is no escape. „Jedes der drei Risiken hat das Potenzial, ein Unternehmen in die Pleite zu treiben“, sagt Risikoexperte Kliner. „Deshalb müssen die Unternehmen die Verteilung der Risiken auf die drei Kaskadenteile je nach Geschäftsmodell und Risikotragfähigkeit sehr genau im Auge behalten und bewusst vornehmen.“

Die LBBW sieht sein Kollege Holder dabei als Sparringspartner: „In unserer Rolle als Kreditgeber wollen wir verstehen, wie verantwortungsbewusst unsere Kunden mit Risiken umgehen.“ Insbesondere vor dem Erfahrungshintergrund der Bank auf der Risikokaskade sei es hilfreich, sich mit den Risk-Assessment-Expertinnen und –experten der LBBW auszutauschen, sagt Holder: „So haben wir bereits häufig hilfreiche Prozesse bei den Unternehmen anschieben können.“

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