„Grüner“ Konsortialkredit macht die Insel Mainau klimaneutral
Das Ziel der Blumeninsel Mainau: Net Zero Emission bis 2030. Für die nötigen Investitionen wurde ein Konsortialkredit abgeschlossen – federführend war die LBBW.
„Ihr seid doch sowieso grün“ – bei diesem Spruch zucken sie unwillkürlich zusammen auf der Insel Mainau. Weil er klingt, als fiele ihnen in den Schoß, was in Wirklichkeit das Ergebnis mühsamer Arbeit ist. Nämlich nachhaltig zu wirtschaften. „Wo wir heute stehen, das ist das Ergebnis harter Anstrengungen“, sagt Daniel Ette, bei der Mainau GmbH zuständig für Nachhaltigkeit und Energie. An hunderten, wenn nicht tausenden Stellschrauben wird gedreht, von der Mülltrennung bis zum sorgsamen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. So ehrenvoll das ist, es droht die Gefahr, vor lauter Details das große Ganze aus dem Blick zu verlieren. Das haben sie erkannt auf der Blumeninsel im Bodensee und rufen jetzt ein großes Ziel aus: Net Zero Emission – Klimaneutralität bis zum Jahr 2030. Dafür wird jetzt investiert.
„Es ist unser aller Aufgabe, den Klimawandel aufzuhalten“, sagt Bettina Gräfin Bernadotte. Für die Geschäftsführerin der Mainau GmbH birgt Nachhaltigkeit eine weitere, noch umfassendere Aufgabe. „Wenn wir uns nicht nachhaltig verhalten, schränken wir damit die Entwicklung anderer Gesellschaften auf unserer Erde ein – und die Freiheit aller nachfolgenden Generationen.“
Aus Tradition nachhaltig
Das sind keineswegs neue Töne. Bereits 1961 wurde die Grüne Charta von der Mainau, eines der ersten Nachhaltigkeitsdokumente im deutschen Raum, von Lennart Graf Bernadotte verkündet. Den Bernadottes gehört als Nachfahren des badischen Großherzogs Friedrich I. die Insel Mainau seit dem Jahr 1853. Die Familie brachte sie 1974 in die gemeinnützige Lennart-Bernadotte-Stiftung ein. Lennart Graf Bernadotte lud regelmäßig Gäste aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft ein – diese Tradition wird heute von seinen Kindern in jährlichen Veranstaltungen wie den „Mainauer Mobilitätsgesprächen“ fortgesetzt. Der Geist der Grünen Charta wird heute weniger beschworen als vielmehr gelebt: „Wir sind davon überzeugt, dass nur eine nachhaltige Wirtschaftsweise auf lange Sicht bestehen kann“, sagt Bettina Gräfin Bernadotte.
Deshalb fängt die Mainau GmbH bei sich selbst an mit dem nachhaltigen Wirtschaften. Frühe Schritte waren das Heizen mit Holzhackschnitzeln, der verstärkte Einsatz von Biogas und der Aufbau eines inseleigenen Nahwärmenetzes. Heute wird die Hälfte der benötigten Energie aus erneuerbaren Quellen gewonnen. Das Ziel: 100 Prozent – bei mehr Energieeffizienz. Deshalb wird derzeit das bald 300 Jahre alte Barockschloss besser gedämmt.
So wird der Konsortialkredit nachhaltig
Dafür ist ein Teil des zweistelligen Millionenbetrags vorgesehen, den die Mainau GmbH jetzt gemeinsam mit ihren Banken und Finanzinstituten refinanziert. Federführend bei diesem Konsortialkredit, der schon länger läuft und gerade verlängert wird, ist die LBBW. Den Anstoß, den Kredit an nachhaltiges Wirtschaften zu koppeln, gab Elfi Zena, langjähriger Unternehmenskundenberater der Mainau GmbH. Gemeinsam mit seiner Kollegin Sophia Schelling hat er die Idee des „grünen“ Konsortialkredits entwickelt und diesen Vorschlag anschließend mit Joachim Müller vom Bereich Sustainability Advisory Team der LBBW passgenau auf die Insel Mainau zugeschnitten. Viel Überzeugungsarbeit war danach nicht mehr zu leisten: „Die LBBW hat keinen Vorschlag nach Schema F aus der Schublade gezogen, sondern ist genau auf unsere Situation und unsere Bedürfnisse eingegangen“, freut sich Daniel Klein, kaufmännischer Leiter der Mainau GmbH.
Es ist unser aller Aufgabe, den Klimawandel aufzuhalten.
Das Besondere an diesem „grünen“ Konsortialkredit: Wirtschaftet die Mainau GmbH wirklich nachhaltiger, wird der Kredit billiger. Kommt sie mit den Bestrebungen langsamer voran als gedacht, steigen die Zinsen. Für diesen Bereich von Green Finance gibt es mittlerweile einen Oberbegriff: ESG-linked Finance. Gemeint ist damit, dass etwa die Zinsen für Kredite, Schuldscheine, ABCPs oder Bonds ebenso wie die Raten für Leasing oder Factoring daran gekoppelt sind, dass die Unternehmen nachprüfbare Fortschritte in den Bereichen E wie Environment, also Umwelt, S wie Social und G wie Governance (gute Unternehmensführung) machen. Diese Fortschritte können auf unterschiedliche Weise gemessen werden. Dafür erstellen ESG-Agenturen ausgefeilte ESG-Ratings. Solche Ratings entfallen bei der Insel Mainau.
Weniger CO₂-Emissionen, mehr Bioprodukte
Der Grund: Die Mainau GmbH wird seit 1998 nach EMAS-Richtlinien zertifiziert. „Die EMAS-Regeln sind ebenso hart wie die ESG-Vorgaben und werden ebenso wie ESG-Ratings jedes Jahr überprüft“, erklärt Nachhaltigkeitsmanager Daniel Ette. Warum also alles doppelt machen? Diese Logik hat die Konsortialbanken überzeugt. In Absprache mit der Mainau GmbH werden bis zum Jahr 2030 zwei Faktoren untersucht: Die CO₂-Emissionen sollen sinken, der Bioanteil des Gastronomieangebots soll steigen. „Diese beiden wichtigen Aufgaben verbinden wir mit einer Vision: Net Zero Emission bis 2030“, sagt Joachim Müller vom Sustainability Advisory Team der LBBW. Das Ziel wird in drei Schritten avisiert: Emissionen vermeiden, dann Emissionen reduzieren und im letzten Schritt werden unvermeidbare Emissionen kompensiert.
Beim Abschied von den fossilen Energien orientiert sich die Mainau GmbH an den Scopes 1 und 2 nach Greenhouse Gas Protocol. Das bedeutet, dass sowohl alle direkten Emissionen (Scope 1) als auch die Emissionen aus bezogener Energie (Scope 2) gleich null sein werden. Dabei ist die Insel Mainau auf einem guten Wege. Bereits seit mehr als 20 Jahren betreibt die Mainau GmbH eine Holzhackschnitzelheizung, die 2020 erneuert und dabei erweitert wurde. Schon seit 2011 betreiben die Stadtwerke Konstanz eine sogenannte Holzvergaseranlage auf der Mainau, deren Wärme ebenfalls in das inseleigene Nahwärmenetz eingespeist wird. Weitere benötigte Wärmeenergie kommt aus einem Blockheizkraftwerk und aus Gaskesseln, die mit Erdgas gespeist werden. Dieses wird mit einem steigenden Biogasanteil gefüttert, derzeit beträgt er 40 Prozent.
Am nachhaltigsten ist es, das Verhalten zu ändern
Wesentlich komplexer ist die Aufgabe, den Anteil von Bioprodukten in der Gastronomie zu stärken. Schon jetzt wird darauf geachtet, dass die Produkte möglichst aus der Region kommen und Saisonales auf der Karte ganz vorn steht. „Wir achten schon auf vieles“, sagt Bettina Gräfin Bernadotte: „Keine langen Transportwege, keine lange Lagerung. Und das müssen wir uns für jede Warengruppe anschauen und durchdenken.“ Und plötzlich neu durchdenken, wenn sich die Wünsche der jährlich 1,2 Millionen Besucher auf der Blumeninsel ändern und plötzlich beispielsweise Hafer- statt Kuhmilch gefragt ist. Im Moment wird intern intensiv diskutiert, wie der Fleischanteil auf der Speisekarte reduziert werden könnte. „Das Verhalten von Menschen zu ändern, ist schwierig“, hat Gräfin Bernadotte erkannt. „Doch wir sehen unsere Aufgabe auch darin, unsere Besucher zu inspirieren.“
Wenn auch Unternehmen inspiriert werden: umso besser. Deshalb freut sich Gräfin Bernadotte, dass sich derzeit Firmen von nah und fern anmelden, um sich Impulse von der Insel Mainau zu holen. „Ich freue mich, wenn wir gefragt werden, wie nachhaltig wir arbeiten“, sagt die Geschäftsführerin der Mainau GmbH. „Doch fast noch mehr freue ich mich, dass jetzt auch die anderen Unternehmen gefragt werden. Denn das zeigt, wie wichtig Nachhaltigkeit jetzt wird – für alle.“
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Joachim Müller
Joachim Müller ist langjähriger Mitarbeiter im Corporate-Finance-Bereich der LBBW, aktuell im Sustainability Advisory. Er berät die Unternehmenskunden der LBBW bei der Verknüpfung von Nachhaltigkeit mit Unternehmensfinanzierungen. Davor war er mehrere Jahre in seiner Tätigkeit als Fachberater für Konsortialfinanzierungen für Nachhaltigkeitselemente verantwortlich.
Elfi Zena
Sophia Schelling
Zuletzt aktualisiert am 07.09.2022