Nächster Stopp: das Metaversum

Im Metaversum sollen reale und virtuelle Welten verschmelzen. Doch wie bezahlen wir dort? Und womit? Und woher haben wir das Geld?

Zwei junge Männer, von denen einer eine Virtual-Reality-Brille trägt

Das Internet war erst der Anfang. Die nächste Stufe ist das Metaversum: virtuelle Welten, in denen sich reale Menschen begegnen. „Man kann sich mit Gesten bewegen“, prophezeit Amy Webb, CEO des Future Today Institute, „statt Tastaturen werden wir unsere Körper nutzen.“ Das klingt ausgesprochen futuristisch. Tatsächlich wird es noch Jahre dauern, bis die technologischen Voraussetzungen für das Metaversum geschaffen sein werden. In dieser Zeit wird ausführlich darüber philosophiert werden, wie sinnvoll oder erstrebenswert solche parallelen Realitäten sind. „Aber kommen wird das Metaversum, deshalb sollten wir uns darauf einstellen“, sagt Dr. Guido Zimmermann, Senior Economist der LBBW.

Eigentlich ist es sogar schon da, das Metaversum. Beim Gaming sowieso, wenn wir in virtuelle Welten eintauchen. Auch beim hybriden Arbeiten verschmilzt – etwa bei Video-Meetings – bereits heute das reale mit dem virtuellen Leben. Was allerdings noch aussteht, ist der Sprung in die dritte Dimension: aus 2D wird 3D.

Kontrolle über die eigenen Daten: vom Web2 zum Web3

Vorangetrieben wird das Metaversum derzeit vor allem von IT-Konzernen. Bewusst hat Facebook-CEO Mark Zuckerberg sein Unternehmen in „Meta“ umbenannt. Das Interesse der Techkonzerne ist verständlich: Sie wollen Einfluss nehmen, denn das Metaversum bedroht ihr Geschäftsmodell. Heute – im Web2 – geben Konzerne die Plattformen vor, auf denen User sich bewegen. Kontrolle über ihre Daten haben diese User nicht. Das soll sich ändern, wenn mit dem Web3 die Zukunft des Internets anbricht.

Im Web3 wird das Internet dezentral. Diese Dezentralität wird über die Blockchain-Technologie erreicht. So entsteht kein alles umspannendes Metaversum, sondern es bilden sich viele unterschiedliche Metaversen als soziale Netzwerke. In diesem Web3 haben die User die Kontrolle über ihre Daten und digitalen Güter, weil ihre Daten auf einer Blockchain sicher gespeichert werden.

Wie funktioniert die Blockchain?

Bei der Blockchain werden Datenblöcke („blocks“) hintereinander abgespeichert und verkettet („chain“). Diese Daten liegen nicht zentral auf einem Server, sondern als identische Kopien auf den vernetzten Rechnern aller Beteiligten („distributed ledger“). Jeder neue Datenblock wird mit dem vorherigen verbunden und kann nicht mehr geändert werden. Zugleich ermöglicht sie das Teilen von Daten, wobei der Eigentümer der Daten in der Blockchain für alle ersichtlich klar zertifiziert ist.

Krypto-Token in der Blockchain

Den Zugang zu den dezentralen Metaversen erlauben Krypto-Tokens, mit deren Hilfe die User sichere digitale Identitäten und Web3-Profile erstellen. „Krypto-Tokens bilden das Rückgrat des Metaversums“, sagt LBBW-Experte Zimmermann. Jedes digitale Gut – ob Geld, Bilder oder auch Identitäten – kann durch einen derartigen Token repräsentiert werden. Als digitales Eigentumszertifikat spezifiziert ein Token, wem das digitale Gut gehört und unter welchen Umständen es an andere transferiert werden darf. Diese Tokens können weder manipuliert noch gelöscht werden, weil sie absolut fälschungssicher auf einer Blockchain abgelegt werden. Jeder User dürfte in Zukunft eine digitale Brieftasche (Wallet) haben, in der er seine digitalen Güter bzw. Tokens verwaltet.

Virtuelle Geschäfte im Metaversum dürften E-Commerce und Social Media revolutionieren.

Dr. Guido Zimmermann, Senior Economist der LBBW

Weil auch Geld und Aktien künftig Tokens sein werden, macht sich die LBBW bereits heute Gedanken über die Geldkreisläufe im Metaversum. Wie wird dort bezahlt? Und womit? Brauche ich ein virtuelles Konto mit virtuellem Geld? Welchen Wert hat dieses Geld in der realen Welt? Wie wechselt Geld im Metaversum den Besitzer, gibt es Währungsrisiken, braucht es Banken?

Wie bezahle ich im Metaversum?

Die gute Nachricht: Selbst Mikrozahlungen von weniger als einem Cent können im Metaversum in einem dezentralisierten Finanzsystem (DeFi) auf Blockchain-Basis über Kryptowährungen problemlos verrechnet werden. Beispielsweise können User für „Likes“ mit einer Mikrozahlung ent- und belohnt werden. „Virtuelle Geschäfte im Metaversum dürften E-Commerce und Social Media revolutionieren“, sagt LBBW-Experte Zimmermann. Kryptowährungen ermöglichen eine direkte und sichere Abrechnung für Dienstleistungen in sozialen Netzwerken. „Krypto ermöglicht es, die Ursünde des Internets zu beseitigen, sagt Zimmermann, „nämlich über keine sichere Möglichkeit des Wertetransfers und Bezahlfunktion von Handlungen im Internet zu verfügen.“

Das klingt verführerisch – für die User, weniger für die IT-Konzerne. Der Charme von dezentralen Web3-Lösungen liegt auch darin, dass jeder User seine Tokens als Abbilder seiner digitalen Aktiva beliebig zwischen den Metaversen transferieren kann. Zimmermann: „Genau das wollen die Web2-Anbieter mit Sicherheit nicht.“

Was braucht das Metaversum?

  • Hardware für User: Virtual-Reality-Brillen, haptische digitale Handschuhe, Mobiltelefone; für Unternehmen: industrielle Kameras, Scanning-Sensoren und Instrumente zur Nachverfolgung von Datenströmen
  • Netzwerke: Dienste, die Nutzern eine hohe Bandbreite, dezentralen Datenaustausch und Echtzeitverbindungen bereitstellen
  • Rechenkraft: Dienste, die rechenaufwändige KI-Dienste, Datensynchronisation, Übersetzungen und die Erfassung von Bewegung ermöglichen
  • Virtuelle Plattformen: Dienste, die dreidimensionale digitale Welten schaffen und in denen Unternehmen digitale Ökosysteme und (Content-)Dienste kreieren
  • Offene Standards stellen die Interoperabilität zwischen virtuellen Ökosystemen und angebotenen Diensten sicher.
  • Zahlungsverkehrsdienste sind notwendig, um die Ökonomien in diesen virtuellen Welten zu betreiben. Digitale Währungen auf Basis der Blockchain-Technologie werden entsprechende Zahlungsmedien.

Wann geht es los mit dem Metaversum?

Treiber des Metaversums sind vor allem Spiele-Entwickler. „Gaming wird den Weg in das nächste Internet bereiten“, sagt LBBW-Experte Dr. Guido Zimmermann. Nach Ansicht chinesischer Research-Häuser werden noch in diesem Jahrzehnt eine Reihe von Virtual-Reality-Plattformen und -Spielen in sozialen Medien eingeführt werden. Das ist der lang erwartete Sprung in die dritte Dimension.

Aber das macht aus dem Web2 noch kein komplettes Web3. „Web2.5“ nennt Zimmermann die Zwischenform, die gerade entsteht und bei den dreidimensionalen Elementen und Angebote das bekannte Web2 ergänzen. Auch die Kryptowährungen, die entscheidend sind für das Web3, existieren ja schon heute. Was allerdings noch fehlt – und wohl noch lange fehlen wird –, ist die Infrastruktur für ein komplett dreidimensionales und dabei dezentrales Web3.

Während die Infrastruktur aufgebaut wird, geht es schrittweise voran. Wohl um 2030 wird die zweite Stufe gezündet, wenn Bildungsangebote, Meetings und Arbeit zunehmend in der virtuellen Welt stattfinden. Das Wirtschaftssystem des Metaversums wird in dieser Phase etabliert.

In der dritten Stufe werden die zuvor getrennten virtuellen Plattformen standardisiert und so zu einem umfassenderen System von Metaversen verbunden. Ob es tatsächlich so kommen wird? LBBW-Experte Zimmermann warnt: „Dies alles unter der Voraussetzung, dass die aus dem Web2 bekannte Monopolisierung nicht eine Vernetzung der verschiedenen Systeme verhindert.“