Hat Deutschland ein Wasserproblem?

Warum wir zu leichtfertig mit Wasser umgehen und wie heiße Sommer zu bewältigen sind: Interview mit dem Leiter des Helmholtz-Dürremonitors, Dr. Andreas Marx.

Trockene Erde mit Kölner Dom im Hintergrund

Wie kann Deutschland seine Wasser-, Land- und Forstwirtschaft besser auf Dürrezeiten vorbereiten? Diese Frage kann kaum jemand besser beantworten als Dr. Andreas Marx, Gründer und Leiter des Deutschen Dürremonitors des Helmholtz Zentrums für Umweltforschung (UFZ). Also haben wir ihn gefragt.

LBBW: Früher hat bei „Dürre“ niemand an Deutschland gedacht. Doch heiße Sommer führen uns vor Augen, dass auch in Deutschland die Erde austrocknen kann. Hat sich die Lage nach diesem regenreichen Sommer entspannt, Herr Dr. Marx?

Dr. Andreas Marx: Die Situation hat sich über den Sommer tatsächlich entspannt, was ungewöhnlich ist. Normalerweise passiert das im Winter, weil da die Vegetation nur wenig Wasser aus dem Boden zieht und durch die niedrigen Temperaturen viel weniger Wasser im Boden verdunstet. Wir haben jetzt seit dem vergangenen Dezember ziemlich viele Niederschläge gemessen, die Grundwasserstände sind bis Ende April gut angestiegen. Das sah alles gut aus und dann kam die Blitz-Dürre im Mai. Blitz-Dürre ist ein neuer Begriff – sehr wenig Niederschlag und gleichzeitig kommt die Hitze dazu. Im Mai und Juni waren die Böden im oberen Bereich (0,5 Meter) sehr stark ausgetrocknet. Zum Glück war darunter sehr viel Wasser, sodass die Landwirte nicht so viele Probleme hatten.

LBBW: Haben wir in Deutschland demnächst ein Wasserproblem?

Dr. Marx: Nein, haben wir nicht. Die Menschen haben immer nur die letzten schlimmen Bilder vor Augen und erinnern sich daran. Wir werden in Deutschland in den nächsten 100 Jahren kein Wasserproblem bekommen. Was sich allerdings verändern wird, ist, dass Trockenperioden über mehrere Jahre auftreten können. Und darauf müssen wir uns vorbereiten. Auf die Dürre in den Jahren 2018, 2019 und 2022 waren wir nicht vorbereitet. Wir haben in Deutschland ein Netz von Fernwasserleitungen über Hunderte von Kilometern, wir haben die regionalen Wasserleitungen in den Ballungsräumen als Ringe um die Städte herum und viele Querverbindungen in Gemeinden. Deswegen haben es viele nicht mitbekommen, dass etliche Brunnen versiegt und kleine Bäche ausgetrocknet waren. Temporäre Wasserentnahmeverbote im Sommer sind nichts Ungewöhnliches. Und seinen Rasen sollte man bei 30 Grad im Schatten auch nicht wässern, das Wasser verdunstet viel zu schnell und gelangt gar nicht an die Wurzeln.

Wir werden in Deutschland in den nächsten 100 Jahren kein Wasserproblem bekommen. Was sich allerdings verändern wird, ist, dass Trockenperioden über mehrere Jahre auftreten können.

Dr. Andreas Marx, Leiter des Deutschen Dürremonitors des Helmholtz Zentrums für Umweltforschung (UFZ)

LBBW: Noch ist Wasser in Deutschland ein günstiges Gut, zum Beispiel für die Industrie. Sollte die Wasserentnahme in der Zukunft kostenpflichtig werden?

Dr. Marx: Noch ist das in jedem Bundesland unterschiedlich geregelt. Es ist ein Bestreben der nationalen Wasserstrategie der Bundesregierung, das zu vereinheitlichen. Hier wird ein fairer und einheitlicher Wasserpreis angestrebt. Das hört sich einfacher an, als es ist. Da werden uns in den nächsten Jahren harte Diskussionen ins Haus stehen. Die nationale Wasserstrategie hat viele gute Vorschläge gemacht. Man weiß, was man tun muss, aber noch nicht genau, wie. Diese Umsetzungen werden mit Einschränkungen für unterschiedliche Zielgruppen verbunden sein. Über den Erfolg entscheidet eine konsequente Umsetzung dieser Maßnahmen.

LBBW: Muss es nicht auch eine europäische Wasserstrategie geben?

Dr. Marx: Es ist definitiv ein europäisches Problem. Wir haben Gegenden am Mittelmeer, wo es ein Jahr lang nicht geregnet hat. Wir hatten 2018 Waldbrände in Schweden, was völlig außergewöhnlich war. Sogar Großbritannien kämpfte mit einer Dürre und der Hitze. Allerdings ist das Wassermanagement auf der lokalen Ebene angesiedelt. Es gibt seit vielen Jahren eine europäische Wasser-Rahmenrichtlinie. Flussgebiete werden schon heute grenzübergreifend gemanagt. Hätten wir das in den vergangenen Jahren nicht gemacht, wäre die Elbe 2019 trocken gewesen. Die Tschechen haben mit Ihren Talsperren an der Moldau dafür gesorgt, dass die Elbe den ökologischen Mindestabfluss hatte und nicht komplett trockengefallen ist.

LBBW: Wo stehen wir in 20 Jahren, wenn wir weiter so wenig machen, um die Klimaziele zu erreichen?

Dr. Marx: Je weiter die globale Erwärmung fortschreitet, desto größer werden die Folgen. Für den Wasserhaushalt bedeutet das: Südeuropa wird immer trockener und Mitteleuropa immer feuchter. Es wird vermutlich in Deutschland mehr Niederschläge geben. Und wir müssen zusehen, dass wir das Wasser, das im Winter zu viel ist, in den Sommer transportieren können. Das geht über die Talsperren und ein gutes Grundwassermanagement.

Es wird vermutlich in Deutschland mehr Niederschläge geben. Und wir müssen zusehen, dass wir das Wasser, das im Winter zu viel ist, in den Sommer transportieren können.

Dr. Andreas Marx, Leiter des Deutschen Dürremonitors des Helmholtz Zentrums für Umweltforschung (UFZ)

LBBW: Die Versiegelung der Böden ist in den Städten ein Problem: Wasser kann schlecht abfließen. Kopenhagen hat sich schon zu einer sogenannten Schwamm-Stadt gewandelt. Gibt es auch deutsche Städte, die ihre Bodenversiegelung aufbrechen?

Dr. Marx: Die Kommunen sind leider wenig konsequent. Die Versieglung der Städte in flachen Bereichen wie Berlin, Leipzig, Hamburg oder Hannover ist im doppelten Sinn schlecht. Bei einem Starkregen haben Sie viele Straßenzüge unter Wasser. Dazu kommen Unterführungen und U-Bahnschächte, die voll mit Wasser laufen. Die Kanalisation kann das nicht schaffen, die Folge sind Schäden an Gebäuden und Keller unter Wasser. Das zweite Problem der Versieglung ist, wenn es im Sommer bei starker Hitze regnet. Dann wird das Wasser durch die Abflüsse aus der Stadt transportiert und erreicht nicht die Böden und Pflanzen in der Stadt. Und gerade die benötigen wir, um in den Hitzeperioden für einen Ausgleich zur Hitze zu sorgen. Neuversiegelung ist in Städten nicht immer notwendig. Und dann muss man sich solche Fragen stellen: Wenn ein Supermarkt gebaut wird, ist es dann notwendig, Tausende Quadratmeter für die Parkflächen zu versiegeln oder findet man Wege, nur Teile zu versiegeln, das Wasser zu sammeln und auch auf anderen Flächen versickern zu lassen? Die Rigolen-Technik im großen Stil könnte da helfen. Doch oft wird das nicht gemacht, weil keiner die Investoren verschrecken will. Denn so eine Bauweise kostet natürlich mehr Geld.

LBBW: Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, welche wären das für Ihr Fachgebiet?

Dr. Marx: Wir müssen genau wissen, wie viel Wasser wir verbrauchen. Wenn wir in Zukunft Dürren besser managen wollen, müssen wir zwingend einen Überblick über die Verbräuche haben. Der zweite Wunsch: sich in Knappheitssituationen nicht nur auf den privaten Bereich zu beschränken. Wenn die Gemeinden die Entnahme beschränken, gilt das oft nur für die privaten Haushalte. Der dritte Punkt betrifft die Wasserrechte, die früher oft unbefristet vergeben wurden. Das darf nicht mehr passieren. Auch die Praxis, dass auf der regionalen Ebene über die Wasserrechte entschieden wird, muss dringend überdacht werden. Wenn ein großer Betrieb sich ansiedeln will und Wasserrechte benötigt, wird sich kaum eine Gemeinde dagegenstellen und sagen: „Das finden wir aber nicht gut.“ Hier ist dem Missbrauch mit den Wasserrechten Tür und Tor geöffnet.