Von Scope 1 bis Scope 3: So ermitteln Unternehmen ihre CO₂-Emissionen

Mit der Scope-Systematik können Unternehmen ihre CO₂-Emissionen über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg bilanzieren – und so klimaneutral wirtschaften.

Geschäftsmann steht vor bepflanzter Wand

Bosch, BayWa und Bertelsmann sind nur drei von vielen Unternehmen, die sich verpflichtet haben, weit vor dem Jahr 2050 klimaneutral zu werden. Doch was bedeutet das genau? Klimaneutralität lässt sich auf verschiedene Weise definieren. Das heute allgemein akzeptierte Greenhouse Gas Protocol (GHG) liefert eine Systematik, die hier Eindeutigkeit schaffen soll. Das GHG gibt Unternehmen einen Standard an die Hand, mit dem sie ihre CO₂-Emissionen umfassend und plausibel bilanzieren können. Das ist Voraussetzung, um klimaneutral zu wirtschaften: Nur wer weiß, was wo emittiert wird, kann die nötigen Maßnahmen einleiten.

Ende 2022 hat die GHG-Systematik auch Eingang in die Gesetzgebung der Europäischen Union (EU) gefunden. EU-Kommission und -Parlament sowie der Europäische Rat haben sich im Trilog-Verfahren darauf verständigt, die Standards in die verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, kurz CSRD) von Unternehmen aufzunehmen. Die neuen Vorgaben werden schrittweise ab 2025 eingeführt. Sie gelten unter anderem für Konzerne, für börsennotierte mittelständische Unternehmen sowie für Finanzinstitute.

2025

wird das Jahr, in dem für viele Unternehmen die Nachhaltigkeitsberichterstattung schrittweise verpflichtend wird.

Von Scope 1 bis Scope 3: überall Emissionen

Die GHG-Systematik fasst die Emissionen eines Unternehmens in drei Kategorien, hier Scopes genannt:

  • Scope 1: In den ersten Bereich fallen alle Emissionen, für die ein Betrieb direkt und unmittelbar verantwortlich ist. Dazu zählen etwa die Emissionen aus seinen Anlagen und Maschinen. Auch eigene Kraftwerke und Heizkessel gehören in diese Kategorie, ebenso der Fuhrpark des Unternehmens.
  • Scope 2: Der zweite Bereich umfasst die Emissionen, die bei der Produktion von eingekaufter Energie entstehen. Bezieht ein Unternehmen also etwa Strom oder Fernwärme von einem Versorger, der fossile Kraftwerke betreibt, so fließt deren CO₂-Ausstoß anteilig in seine Emissionsrechnung ein.
  • Scope 3: Im dritten Bereich werden sämtliche indirekte Emissionen der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette bilanziert. Dazu zählt zum Beispiel der CO₂-Ausstoß, der beim Abbau eingekaufter Rohstoffe entsteht. Oder anteilig die Emissionen der Airlines, die für Dienstreisen genutzt werden. Genauso fallen Emissionen in diese Kategorie, die beim Einsatz der produzierten Güter entstehen – etwa bei einem Autohersteller der CO₂-Ausstoß sämtlicher Fahrzeuge, die er fertigt.

Während sich die Scope-1- und -2-Emissionen relativ einfach berechnen lassen, ist dies bei Scope 3 weitaus schwieriger. Dafür benötigen die Unternehmen Daten, die ihnen längst nicht immer oder nur näherungsweise vorliegen. Deshalb will die EU den Unternehmen bei der Scope-3-Bilanzierung in der geplanten Nachhaltigkeitsberichterstattung einigen Spielraum lassen. Wie die Regeln hier im Detail aussehen sollen, wird derzeit erarbeitet. Die EU-Kommission will sie im Laufe dieses Jahres als delegierte Rechtsakte veröffentlichen.

Ansatzpunkte, um CO₂-Emissionen zu drosseln

Unternehmen haben viele Möglichkeiten, ihre Emissionen aus Scope 1 zu verringern oder gar auf null zu bringen: Investitionen in energiesparende Anlagen und Maschinen, der Umstieg von Erd- auf Biogas im eigenen Blockheizkraftwerk oder Dienstreisen per Zug statt mit dem Auto.

Auch bei den Scope-2-Emissionen ist ihr Handlungsspielraum relativ groß. So können sie ihre Klimabilanz zum Beispiel verbessern, indem sie gezielt Ökostrom beschaffen. Ein attraktives, mehr und mehr genutztes Instrument ist hier das Modell der Direktlieferverträge (Power Purchase Agreement, kurz PPA), mit denen Unternehmen Strom bei Betreibern von Wind- oder Solarparks einkaufen.

Auf die Scope-3-Emissionen haben die Unternehmen dagegen nur indirekt Einfluss. Sie können allenfalls Emissionsminderungen anstoßen, etwa über Vorgaben für ihre Zulieferer oder durch die Fertigung energieeffizienterer Produkte. In welchem Maße der CO₂-Ausstoß damit tatsächlich sinkt, liegt letztlich nur begrenzt in ihrer Hand.

Deshalb setzen viele Unternehmen heute auch auf freiwillige CO₂-Zertifikate: Mit deren Kauf können sie Scope-3-Emissionen kompensieren, über die sie keine direkte Kontrolle haben. Oft werden diese Zertifikate auch verwendet, um eigene Emissionen auszugleichen, die aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht zu vermeiden sind – etwa in der Zementindustrie, wo beim Brennen von Kalkstein zwangsläufig CO₂ freigesetzt wird.