16.01.2019

Mittelständler steuern zukunftsorientiert, DAX-Unternehmen gewinnorientiert

Pressemitteilung

Großunternehmen und Mittelstand unterscheiden sich nicht nur in Betriebsgröße, Rechtsform oder Eigentümerstruktur. Wie eine Studie des LBBW Research zeigt, setzen die Führungskräfte der kapitalmarktnahen Unternehmen teilweise auf andere Kenngrößen zur Steuerung (engl.: Key Performance Indicators, KPI) als eigentümergeführte klein- und mittelgroße Betriebe. „Mittelständler steuern zukunftsorientiert, bei DAX-Unternehmen steht die Rentabilität im Vordergrund“, urteilt Analyst Martin Dresp nach einer Analyse von rund 300 kapitalmarktnahen und mittelständischen Unternehmen.

Digitalisierung erleichtert Steuerung nach Kenngrößen

Die Digitalisierung hat in den vergangenen Jahren den Zugang zu größeren Datenmengen erleichtert und sorgt so für eine Vielzahl neuer Steuerungssysteme. Die zentrale Herausforderung ist nun, die relevanten Steuerungsgrößen aus den zahlreichen nutzbaren Leistungsindikatoren herauszufiltern. Denn sachgemäß definiert, eingeführt und in der Steuerung berücksichtigt, ermöglichen KPI eine nachhaltige Wertsteigerung und schaffen die Voraussetzungen, Herausforderungen frühzeitig zu erkennen, meint Dresp. Welche Leistungsfaktoren haben einen maßgeblichen Einfluss auf die Strategie, den wirtschaftlichen Erfolg und damit auf die zukünftige Entwicklung des Unternehmens? Dem Analysten zufolge verfolgen Großkonzerne und Mittelständler hier in Teilen unterschiedliche Ansätze.

Der Mittelstand achtet auf das Unternehmenswachstum

Basis der Studie sind die Geschäftsberichte von gut zwei Dutzend DAX-Unternehmen eine gemeinsame Umfrage des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) und der LBBW namens Mittelstandsradar. Im Rahmen dieser Befragung äußerten sich mehr als 270 Führungskräfte zu den für sie relevanten Kenngrößen der Unternehmenssteuerung. Demnach halten mehr als 85 Prozent der befragten Mittelständler Steuerungskennzahlen zum Auftragseingang und Umsatz für wichtig, beobachten also das Unternehmenswachstum. Eingegangene Aufträge sind dabei ein Frühindikator und lassen Rückschläge auf zukünftige Erträge und Auslastung zu. Der hohe Stellenwert dieser Kennzahl zeigt, dass der Mittelstand besonderen Wert auf eine zukunftsorientierte Steuerung legt. Der Umsatz erfasst ebenfalls das Unternehmenswachstum, ist aber ein Blick in die Vergangenheit. Um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, achten mittelständische Unternehmen aus dem produzierendenden Gewerbe zudem auf den erwirtschafteten Cashflow, Investitionen und Forschungs- und Entwicklungsausgaben bei der Steuerung. Auch der operative Gewinn oder die Gewinnspanne im operativen Geschäft werden von mehr als 80 Prozent der Befragten als wichtige Kennzahlen bewertet.

Eine Überraschung beim Mittelstandsradar lieferten die Freitextfelder, in denen die Befragten unabhängig weitere für sie wichtige Kenngrößen nennen konnten. Hier setzte sich das vermeintlich einheitliche Bild nicht fort. Mehr als 20 unterschiedliche Kenngrößen wurden genannt. Je nach Branche spielten hier Liefertermintreue, Kapitalrendite, Tonnage oder Reklamationsquote eine wichtige Rolle.

Unterschiedliche Bedeutung von Auftragseingang, ROCE und Added Value

Die Analyse der 25 im DAX gelisteten Nichtfinanzunternehmen lieferte im ersten Moment ein ähnliches Ergebnis wie die Führungskräfteumfrage im Rahmen des Mittelstandsradars. Die häufigsten verwendeten KPI der DAX-Unternehmen sind beinahe identisch: Umsatz(-wachstum), EBIT(-Marge) und der Free Cashflow finden sich erneut auf den oberen Rängen der Beliebtheitsskala. Bei den zehn meistgenutzten KPI handelt es sich im Grunde um klassische finanzielle Kennzahlen. Erst an 13. Stelle sind nichtfinanzielle Umwelt-KPI anzutreffen wie der CO2-Ausstoß, Wasser- oder Energieverbrauch.

Ein genauerer Blick zeigt aber deutliche Unterschiede im Vergleich zum Mittelstand, die an drei Kennzahlen festzumachen sind. Während DAX-Unternehmen den Auftragseingang kaum als Steuerungskennzahl nennen, werden Return on Capital Employed (ROCE = operatives Ergebnis im Verhältnis zum eingesetzten Kapital) und Value Added (Wertbeitrag) sehr häufig genutzt. Der ROCE misst, wie effizient und „rentabel“ das vorhandene langfristige Kapital eingesetzt wird. Mit ihm lässt sich der operative Erfolg im Verhältnis zum eingesetzten Kapital überwachen. Der Value Added ist eine klassische Kapitalmarktkennzahl. Er ist im Mittelstand der unwichtigste KPI, DAX-Unternehmen führen ihn genauso häufig an wie die EBIT-Marge.

Die Vorliebe der Unternehmen für einzelne Kennziffern unterliegt dabei einem Wandel. So stieg Dresp zufolge die Zahl der verwendeten Steuerungsgrößen gegenüber den Vergleichsjahren 2010 und 2017 spürbar an. Erst seit wenigen Jahren gibt es für Unternehmen, die einen Konzernlagebericht erstellen, die Pflicht, über ihre genutzten Steuerungssysteme zu berichten. Veränderungen gab es auch bei einzelnen Kennzahlen: Während der Gewinn aus dem eingesetzten Kapital 2015 nur in fünf Steuerungssystemen genutzt wurde, erwähnten ihn 2017 bereits elf Unternehmen; er war inzwischen zur drittbeliebtesten Kennzahl mutiert. Ein möglicher Grund: Neben dem Umsatzzuwachs wird diese Gewinnkennzahl gern bei der erfolgsabhängigen Vergütung des Managements eingesetzt, also bei einer Gratifikation, die im eigentümergeführten Mittelstand eher selten ist.

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