Europäische und speziell deutsche Unternehmen würden nach Ansicht des LBBW Research zu den Leittragenden einer Wiederwahl Donald Trumps zum US-Präsidenten gehören. Das gelte selbst für den Fall, dass sich der Republikaner nach Übernahme der Amtsgeschäfte moderat verhielte. Äußerst folgenschwer wäre ein „entfesseltes“ Verhalten Trumps, beispielsweise nach einem Erdrutschsieg der Republikanischen Partei.
Knapp ein halbes Jahr vor der US-Präsidentenwahl am 5. November sehen die Analysten des LBBW Research Herausforderer Donald Trump um die sprichwörtliche Nasenlänge vorn. Die Analysten entwerfen in einer aktuellen Studie ein Spektrum möglicher Szenarien. „Deutsche Unternehmen müssen sich frühzeitig auf einen Wahlsieg Trumps einstellen“, urteilt Rolf Schäffer, Leiter der Marktstrategie der LBBW. „Die Bundesregierung kann Abhilfe leisten, indem sie die Rahmenbedingungen für die einheimische Wirtschaft verbessert und die Unternehmen widerstandsfähiger macht.“
Für die wahrscheinlichste Variante im gegebenen Zusammenhang halten die Analysten eine relativ moderate Regierung Trumps, die zwar für Europa zweifelsohne herausfordernder wäre, aber eine gewisse Ähnlichkeit mit einer zweiten Präsidentschaft Joe Bidens aufweisen würde. In diesem Hauptszenario betreibt die US-Regierung eine protektionistische Handelspolitik, mit einer mäßigen Erhöhung der Importzölle. Die Staatsverschuldung steigt weiter moderat an. Die Weltwirtschaft entwickelt sich gedämpft. Gestützt durch einzelne stimulierende Maßnahmen verläuft die Entwicklung in den Vereinigten Staaten überdurchschnittlich. Demgegenüber tut sich die deutsche Wirtschaft weiter schwer. Die führenden Notenbanken senken ihre Leitzinsen; in den Vereinigten Staaten zögerlicher als in Europa. Angesichts einer wachsenden Zinsdifferenz über den Atlantik hinweg rechnen die Analysten mit einem aufwertenden US-Dollar. Insgesamt bietet sich an den Finanzmärkten ein eher günstiges Umfeld für Investitionen in Aktien und Anleihen. Die Wohnimmobilienpreise bilden im laufenden Jahr einen Boden aus.
Bedrohliche Formen könnte die Entwicklung annehmen, wenn Trump einen radikalen Kurs einschlägt. Dabei mag er Ideen des „Project 2025“-Plans übernehmen, den die konservative Denkfabrik „Heritage Foundation“ entwickelt hat. In diesem Fall dürfte der neue US-Präsident speziell in seiner Außenpolitik zündeln, befürchten die Experten. Trump würde wohl offen Zoll- und Handelskriege anzetteln und speziell den Konflikt mit China verschärfen. Russland ließe er im Ukrainekrieg wohl freie Hand. Auch wenn Trump dies zuletzt dementiert hat: Unter den Europäern könnte er neuerlich für Unsicherheit sorgen, wenn er die Bündnistreue zur Nato infrage stellt. Während sich Europa in diesem Fall um seine Ostgrenze Sorgen machen müsste, dürften die Spannungen im China-Taiwan-Konflikt zunehmen. Auch erscheint eine direkte Konfrontation mit dem Iran möglich.
Angesichts einer in diesem Fall zu erwartenden Rezession dürfte die EZB ihre Leitzinsen zügig senken. Eine grassierende Konjunkturangst dürfte namentlich bei den Staatsanleihen zu einer Hausse führen. Den Analysten zufolge wären dann deutliche Verluste bei den europäischen Aktien unvermeidlich, während sich deren US-Pendants halbwegs halten sollten.
Wenig überraschend würde von einer erneuten Wahl Trumps die Rüstungs-industrie profitieren. Für die exportabhängigen deutschen Autobauer würde sich das Umfeld verschlechtern. Sie haben zwar zuletzt ihre US-Produktionskapa-zitäten ausgebaut, was für erwartbar stabile Umsätze in Nordamerika sorgt. Aber ein Handelskrieg mit China würde die Chancen auf Exporte dorthin schmälern.
Auch die europäische Chemieindustrie muss sich wohl selbst bei einem moderat vorgehenden US-Präsidenten Trump auf schlechtere Bedingungen einstellen. Als Vorlieferant für nahezu alle Wirtschaftssektoren weltweit dürften zusätzliche Zölle und Einschränkungen im Freihandel die Wirtschaftsentwicklung schwächen. Eine erneute Abkehr der USA vom Klimaschutz würde zudem bei vielen Produkten für die nachhaltige Wirtschaftswende die Nachfrage stark schwächen. Im Rahmen eines Handelskriegs könnte Trump schließlich die Unternehmen zwingen, sich zwischen dem US-amerikanischen und dem chinesischen Markt zu entscheiden.
Nicht nur die Industriegüterhersteller werden sorgfältig beobachten, wie Trump mit dem Inflation Reduction Act (IRA) seines Amtsvorgängers umgeht. Schränkt er das kritisierte Gesetz zum nachhaltigen Umbau der Wirtschaft nur ein oder stoppt er es gar?Die protektionistischen Züge des Gesetzes könnte ein entfesselt vorgehender Trump durch eine umfassende „Buy American“-Politik ersetzen, die alle europäische Industriegüterhersteller empfindlich träfe.
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