08.10.2021

Keine schöne Bescherung

Pressemitteilung | Studie

Das LBBW Research warnt angesichts der angespannten Lieferketten und des signifikanten Chipmangels vor langen Gesichtern bei der Weihnachtsbescherung. „Unter manchem Baum könnte der Platz in diesem Jahr leer bleiben, falls jemand erst am letzten Adventssamstag nach begehrten Geschenken sucht“, erklärt Gerhard Wolf, leitender Analyst des LBBW Corporate Research. „Insbesondere im Bereich der Unterhaltungs-Elektronik besteht aufgrund des Chipmangels eine erhebliche Knappheit.“

Unsicher bleibt auch, wie schnell andere Anbieter, z.B. im Textilbereich, angesichts der steigenden Nachfrage hinterherkommen. Der Einzelhandel versuche zwar, mit verstärkten Vorbestellungen Lieferengpässe an Weihnachten zu vermeiden. Die Konsumenten brauchen aber Geduld und Flexibilität und sollten vorausschauend einkaufen, raten die Analysten der Bank in ihrer Studie „Wenn‘s mal wieder länger dauert…! Liefer-Engpässe, die Gründe und ihre Auswirkungen auf Branchen“.

Noch halten sich die Auswirkungen für die Gesamtkonjunktur in Grenzen, aber das LBBW Research hat bereits seine Prognose für das Bruttoinlandsprodukt 2021 von zuletzt 3,2 auf 2,8 Prozent angepasst. Denn auch in den Unternehmen mehren sich die langen Gesichter. Bereits seit mehreren Monaten sinkt in allen Branchen die Produktion trotz voller Auftragsbücher stetig, weil wichtige Rohstoffe oder Bauteile zu spät kommen oder nicht erhältlich sind. „Unter den wichtigsten Industrieländern hält Deutschland aktuell den unerfreulichen Rekord der längsten Lieferzeiten von Importen“, erklärt Wolf.

Materialkosten steigen in 12 Monaten um 150 Prozent

Gelingt es einem Unternehmen, Lieferschwierigkeiten zu entgehen, muss es oftmals höhere Anschaffungspreise akzeptieren. So stiegen die durchschnittlichen Materialkosten der deutschen PKW-Hersteller in den vergangenen zwölf Monaten um fast 1.500 Euro je Fahrzeug oder rund 150 Prozent, stellen die Analysten in ihrer branchenübergreifenden Studie fest. Dies belaste kräftig die Gewinnspanne, da sich die starke Teuerung nur unvollständig an die Kunden weitergeben lasse.

Dramatischer wird es allerdings, wenn (Vor-)Produkte gar nicht verfügbar sind und Verkauf oder Produktion zum Stillstand kommen. „Manchmal fehlen inzwischen ganz triviale Kleinigkeiten wie die Plastikeimer für einen Farbenhersteller oder das Holz für die Transportpaletten“, stellten die Analysten des LBBW Research bei ihren Gesprächen fest. Ein Großunternehmen mit seiner breiten Produktpalette könne Lieferengpässe im Notfall substituieren: „Die Autohersteller verbauen die rar gewordenen Chips bevorzugt in ihre gehobenen Modelle, um mit dem höheren Verkaufspreis den Schaden kleinzuhalten. Kleinere Modelle stehen dafür halbfertig auf Großparkplätzen“, erzählt Wolf.

Mittelständler geraten hingegen leicht in einen Teufelskreis, sollten Anbieter sie wegen ihrer vergleichsweise kleinen Bestellmengen gegenüber Großunternehmen benachteiligen. Ohne Material können sie keine Aufträge ausführen, mit deren Bezahlung sie Löhne und Abgaben begleichen. „Ihnen droht schlimmstenfalls trotz voller Bücher die Insolvenz“, befürchtet der Analyst.

Lieferengpässe als größtes Wachstums- und Ertragsrisiko

Auch weniger hochtechnisierte Produkte sind nur eingeschränkt erhältlich. „Besonders bei Rohstoffen steht der schnellen Erholung der Nachfrage eine träge, nur langsam wieder hochfahrende Förderung entgegen“, beobachtet das LBBW Research: „Zulieferengpässe sind mittlerweile das größte Wachstums- und damit Ertragsrisiko für die Industrie.“ Dabei bereitet bei Autozubehör oder Kinderspielzeug nicht nur die Produktion Sorgen. Genauso belasten Transportschwierigkeiten durch gesperrte Häfen oder Kanäle.

Auch zu Ostern dürften die Probleme noch anhalten. „Die Lieferketten werden sich so schnell nicht wieder erholen. Zuerst einmal müssen die Herausforderungen der Corona-Krise gelöst werden“, sagt Wolf. Allein der Chipmangel in der Automobilindustrie werde sich noch mindestens bis Ende 2022 bemerkbar machen. Bereits absehbar sei aber, dass die Unternehmen langfristig eine Regionalisierung ihrer Lieferbeziehungen nicht mehr vermeiden könnten.

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