So gelingt es uns, Krisen etwas Positives abzuringen.

Ist die Welt wirklich im Krisenmodus? Wer um sich herum nur Gefahren sieht, verliert den Blick für die Chancen.

Junger Mann legt am Arbeitsplatz die Beine hoch und schaut gelassen aus dem Fenster

Der chinesische Begriff für Krise setzt sich zusammen aus zwei Schriftzeichen, die „Gefahr“ und „Chance“ koppeln. Das mit der Chance blenden viele Menschen allerdings zurzeit aus und sehen, umzingelt von Krisen, nur die Gefahr. Kein Wunder, denn in den abendlichen Fernsehnachrichten ist von kaum etwas anderem die Rede als den Krisenherden in Deutschland und der Welt. Der russische Überfall auf die Ukraine, die Coronakrise, die Inflationskrise, die Baukrise und die bevorstehende Rezession in Deutschland. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warnte jüngst vor „Gegenwind für die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft in den kommenden Jahren“, und Wirtschaftsminister Robert Habeck kündigt „einen rumpeligen Winter“ an, „der uns an unsere Belastungsgrenze führt“. So berechtigt die Warnungen auch sind – die mediale Dauerberichterstattung, das ist in der Psychologie längst geklärt, verstärkt auch das Krisengefühl in den Köpfen der Menschen.

In der Terminologie der Psychologen wird „die Krise als Verlust des seelischen Gleichgewichts“ definiert. Diesen Verlust spürt ein Mensch, wenn er mit Ereignissen und Lebensumständen konfrontiert wird, die er im Augenblick nicht bewältigen kann. Der Grund: Er fühlt sich überfordert. Krisenpsychologen plädieren deshalb dafür, nicht leichtfertig von „Krisen“ zu reden. Das heißt keineswegs, unentwegt optimistisch auf die Welt und ihr Geschehen zu schauen. „Wer in seiner optimistischen Grundhaltung gefangen ist, stellt sich selbst ein kognitives Bein und scheitert an seinen Illusionen“, sagt die Psychologin Gabriele Oettingen. Das Gleiche gilt umgekehrt natürlich auch für notorische Pessimisten.

Was die Zukunft bringt, bleibt offen.

Es gilt also, eine Balance zu finden. Und den Willen zu entwickeln, auch die Chancen einer Krise zu sehen. Was dabei hilft: die realistische Aussicht auf bessere Tage. „Klare wirtschafts- oder finanzpolitische Zukunftsentwürfe beeinflussen ganz wesentlich die Wahrnehmung, Verschärfung und Überwindung von Krisen“, hat Lisa Suckert vom Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung festgestellt. Das habe sich in der Coronapandemie genauso gezeigt wie bei den Verwerfungen nach dem Brexit-Entscheid. Keine Zeiten für düstere Aussichten: Je glaubhaft heller die Zukunft gezeichnet werden könne, umso besser. Es müsse gelingen, sagen die Max-Planck-Forscher, die Unbestimmtheit der Zukunft als Offenheit zu begreifen. Dann könne ein Klima des Aufschwungs entstehen – und Krisen gehen über in eine Phase der Zuversicht.

Laechelnder Geschaeftsmann mit Tablet am Fenster

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Klare Zukunftsentwürfe beeinflussen ganz wesentlich die Wahrnehmung, Verschärfung und Überwindung von Krisen.

Lisa Suckert, Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung

Es übernimmt die „Generation Reset“.

Den jungen Frauen und Männern in Deutschland gelingt das übrigens hervorragend, sagt Klaus Hurrelmann. Der Professor of Public Health and Education an der Hertie School of Governance in Berlin hat zusammen mit dem Trend- und Jugendforscher Simon Schnetzer jüngst die Studie „Junge Deutsche“ verfasst. Sie finden wenig von der Hoffnungslosigkeit, die der Jugend in Deutschland gern attestiert wird. Stattdessen nahmen die jungen Frauen und Männer gerade aus der Coronakrise viele positive Impulse mit. „Die gut gebildeten und digital affinen jungen Leute werden in Zukunft noch stärker von Firmen umworben werden, als es vor der Pandemie der Fall war“, heißt es in der Studie. Die junge Generation sei 1000-mal besser vorbereitet auf diesen Modus von Produktivität – sprich: Remote Work – als die älteren Kolleginnen und Kollegen.

Hurrelmann und Schnetzer prägen in ihrer Studie daher einen neuen Begriff für die heutige Jugend. Anstatt „Generation Corona“ heißen die jungen Leute bei den beiden Forschern: „Generation Reset“. Zurück auf Anfang. Dann einfach noch mal loslegen. Und es beim nächsten Mal besser machen.