Aus No-go-Firmen können grüne Assets werden

Karen Armenakyan verantwortet Vermögensverwaltung und Wertpapiergeschäft bei der BW-Bank. Er erklärt, worauf Anleger beim „grünen Investieren“ achten sollten.

Karen Armenakyan

LBBW Standpunkt: Herr Armenakyan, die LBBW ist stark aufgestellt im Marktsegment „grünes Investieren“. Was macht ihren Erfolg aus?

Karen Armenakyan: Wir haben in der BW-Bank, als Teil der LBBW-Gruppe, derzeit ein Anlagevolumen von rund 40 Milliarden Euro in unserem Bestand. Davon sind etwa 10 Milliarden Euro Assets under Management, die wir im Interesse unserer Kunden verwalten. Unsere Kunden informieren sich immer öfter bei uns über nachhaltige Geldanlagen. Da haben wir uns in den vergangenen Jahren viel Know-how aufgebaut und Erfahrungen gesammelt. Ganz aktuell wurden wir in einer Untersuchung des Magazins „Capital“ mit der Bestnote „5 Sterne“ ausgezeichnet.

LBBW Standpunkt: Investieren in grüne Assets liegt voll im Trend. Aber was macht eine nachhaltige Geldanlage aus?

Armenakyan: Leider gibt es keine verbindlichen Standards, die für alle Banken und Vermögensverwalter gelten. Anleger sollten deshalb sehr genau hinsehen, in welche Fonds oder Einzelwerte investiert wird.

LBBW Standpunkt: Aber nach irgendeinem Regelwerk muss man sich doch als Anleger richten können?

Armenakyan: Für den Anleihemarkt gibt es international anerkannte Bewertungshäuser, die nach sehr transparenten Regeln den Markt analysieren. Das sind bekannte Ratingagenturen wie Standard & Poors, Moody’s oder auch Fitch. Da alle diese Agenturen nach sehr ähnlichen Regularien bewerten, kommen natürlich alle Testate auch zu sehr ähnlichen oder zumindest vergleichbaren Ergebnissen. Für das Marktsegment „Nachhaltige Geldanlage“ sind wir davon noch ein Stück weit entfernt. Zwar haben sich auch in diesem Bereich inzwischen einige Agenturen etabliert, aber die Kriterien für die Bewertung sind immer noch sehr unterschiedlich. So kann es kommen, dass ein Unternehmen bei Ratingagentur A ein grünes Label bekommt und bei Ratingagentur B durch das Raster Nachhaltigkeit fällt.

LBBW Standpunkt: Woran liegt das?

Armenakyan: Da gibt es ein ganzes Bündel von Gründen. Zu nennen sind hier die sehr heterogenen Maßstäbe, die für verschiedene Regionen der Welt gelten. Nehmen wir die ESG-Kriterien – also E für Environment (Umwelt), S für Soziales und G für gutes Unternehmertum. Wir in Europa legen derzeit am meisten Wert auf das E. In den USA spielt die Umweltperformance dagegen nur eine kleinere Rolle. Dort wird sehr genau auf das G geachtet. Also saubere Bilanzen, transparente Zahlen und so weiter. Im asiatischen Markt – vor allem in China und Indien – ist der Fokus klar auf dem S wie Soziales.

Wir als Bank haben uns bereits vor Jahren auf einen eigenen Kriterienkatalog für unsere Kunden festgelegt.

Karen Armenakyan, Leiter Vermögensverwaltung und Wertpapiergeschäft bei der BW-Bank

LBBW Standpunkt: Wie geht man mit diesen sehr unterschiedlichen Bewertungsmaßstäben in der Kundenberatung um?

Armenakyan: Sie benötigen eine eigene Policy. Wir haben uns bereits vor vielen Jahren auf einen eigenen Kriterienkatalog für unsere Kunden festgelegt. Wir investieren beispielsweise nicht in Unternehmen mit signifikantem Anteil an Kinderarbeit, die Tabakindustrie oder in Finanzinstrumente mit direktem Bezug zu Agrarrohstoffen. Zudem monitoren wir den Markt und die Unternehmen sehr genau. Wir nehmen dafür auch die Daten des weltweit wohl führenden Anbieters MCSI ESG Research. Im Wochenrhythmus erhalten wir Daten und gleichen diese mit unseren Screening-Ergebnissen ab.

LBBW Standpunkt: Klingt wahnsinnig aufwändig

Armenakyan: Ist es auch. Aber anders bekommen Sie die Dynamik nicht in den Griff. Viele Unternehmen stellen derzeit ihre Geschäftsmodelle um oder überprüfen ihre Lieferketten. So kann aus dem No-go-Unternehmen in einigen Monaten ein grünes Asset werden, in das wir auch investieren. Und das ist ja auch mit eines der grundsätzlichen Ziele, die erreicht werden sollen: Nachhaltiges Wirtschaften soll in den Unternehmen stärker an Bedeutung gewinnen.

LBBW Standpunkt: Sie sprechen von der Dynamik des Unternehmertums. Der Tabakgigant Philipp Morris will in den kommenden Jahren ein Gesundheitsunternehmen werden. Aber es gibt ja auch die politische Dynamik: Während die Atomindustrie in Frankreich gut und grün ist, gilt das für Deutschland nicht. Wenn bis zum Einmarsch der Russen in die Ukraine die Rüstungsindustrie zumindest in Deutschland nicht gerade en vogue war, gilt sie jetzt als Friedensindustrie …

Armenakyan: Völlig richtig. Die Kriterien sind nicht in Stein gemeißelt und werden fortlaufend weiterentwickelt und überprüft. Auch unsere ESG-Policy werden wir von Zeit zu Zeit anpassen und ergänzen. Und dann haben Sie immer noch nicht die Kundenseite betrachtet. So gibt es Anleger, die per se nicht in Pharma investieren wollen. Oder Anleger, die sehr genau auf die Lieferkette schauen und dann zu dem Schluss kommen, dass ein Unternehmen X oder Y nicht ins Portfolio soll, weil die auch Schrauben für die Atomkraftwerke liefern.

Die Kriterien für nachhaltiges Investieren sind nicht in Stein gemeißelt und werden fortlaufend weiterentwickelt.

Karen Armenakyan, Leiter Vermögensverwaltung und Wertpapiergeschäft bei der BW-Bank

LBBW Standpunkt: Jetzt zwingt die Politik die Banken ebenfalls zu noch mehr Transparenz?

Armenakyan: Richtig. Beginnend mit dem August dieses Jahres gelten die PAI – „Principles Adverse Risk“-Kriterien. Etwas frei übersetzt bedeutet das, dass die Banken ihre Risiken aus ihrem Anlageportfolio transparent machen müssen und aufzeigen sollen, wie sie das Risikoprofil künftig reduzieren wollen.

LBBW Standpunkt: Ist das als erster Schritt zu einer Vereinheitlichung der Kriterien und damit der Risiken zu interpretieren?

Armenakyan: Ein Schritt in die Richtung sicherlich. Aber eine komplette Vereinheitlichung kann ich mir nicht vorstellen. Das gibt es ja nicht einmal für die Bilanzierungsregeln. Wir kennen seit Jahrzehnten HGB-Standards, US-Gaap, IFRS. Und beim Thema Nachhaltigkeit gibt es weltweit dann doch zu unterschiedliche Schwerpunkte, wie wir auf das Thema sehen und was für die verschiedenen Regionen auf der Welt wichtig ist. Und, Sie haben ja die Beispiele Atomenergie und Rüstungsindustrie erwähnt, die gesellschaftlichen Werte und Rahmenbedingungen unterliegen einem permanenten Wandel.

LBBW Standpunkt: Grüne Investments bleiben also vor allem eine Frage des Vertrauens?

Armenakyan: Es geht nicht nur um Vertrauen. Sie müssen sich als Anleger die Filter, die ihr Vermögensberater anlegen kann und will, genau ansehen und für sich als passend einschätzen. In unserem Reporting zeigen wir unseren Kunden dann auf, wie das Portfolio die entsprechenden Kriterien erfüllt. Dabei gilt generell: Je laxer die Filter, desto mehr Anlagemöglichkeiten gibt es. Je präziser die Filter sind, desto mehr Unternehmen fallen durch das Raster.

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Karen Armenakyan

Karen Armenakyan

Bereich Vermögensverwaltung und Wertpapiere