Das Gas reicht: So kommt Deutschland durch den Winter

Die Speicher sind voll: Deutschland dürfte seinen Erdgasbedarf im Winter decken können, zeigt eine Analyse der LBBW – auch ohne Importe aus Russland.

Gasometer
Gasometer

Der Winter naht, die Temperaturen sinken – und der Gasverbrauch steigt. Wird Deutschland auch ohne Importe aus Russland genug Erdgas zur Verfügung haben, um durch die kalten Monate zu kommen? Eine Berechnung der LBBW zeigt: Dank gefüllter Speicher, den Erdgaslieferungen aus Norwegen, den Niederlanden und aus Belgien sowie Einsparungen beim Verbrauch sollte die Versorgung gesichert sein. „Das gilt jedoch nur unter der Bedingung, dass uns kein arktischer Winter erwartet und der russische Präsident Putin nicht die norwegische Europipe-Pipeline sabotiert“, sagt LBBW-Chefvolkswirt Moritz Kraemer. „Dann wird es richtig bitter.“

Speicher sind nahezu vollständig gefüllt

Die Analysten der LBBW haben in ihrer Simulation drei Annahmen zugrunde gelegt:

  • Durch die Pipeline Nordstream 1 wird in diesem Winter kein Erdgas mehr aus Russland fließen.
  • Der Gasverbrauch sinkt in den Monaten zwischen September 2022 und April 2023 gegenüber den Vorjahresmonaten um 10 Prozent.
  • Die Erdgaslieferungen aus Norwegen, den Niederlanden und aus Belgien bleiben mit 70 Terawattstunden pro Monat unverändert.

Angesichts der nahezu vollständig gefüllten Gasspeicher (Anfang November: gut 99 Prozent) kommt Deutschland unter diesen Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit gut durch den Winter. Den Berechnungen zufolge wird die Füllung der Kavernen ab März für gut zwei Wochen reichen – vorausgesetzt, die Temperaturen bewegen sich in diesem Winter im Rahmen der Vorjahre. Da der Gasbedarf im Sommerhalbjahr massiv sinkt, werden die Speicherstände ab dem Frühjahr wieder steigen.

Wie lange reichen die deutschen Gasvorräte (in Monaten)?

Quelle: LBBW Research

Zusätzliche Importe über LNG-Terminals

Für zusätzliche Sicherheit sorgen die geplanten schwimmenden LNG-Terminals, die derzeit an mehreren Standorten an den deutschen Küsten errichtet werden. In Wilhelmshaven und in Brunsbüttel sollen zum Jahreswechsel erste Anlagen in Betrieb gehen; weitere, an der Ostseeküste, folgen im Laufe des nächsten Jahres. Über die Terminals können pro Jahr bis zu 20 Milliarden Kubikmeter Erdgas importiert werden. Das entspricht drei Monatslieferungen aus Norwegen, Belgien und den Niederlanden. Die Simulation der LBBW berücksichtigt LNG-Importe über heimische Terminals nicht.

Erkan Aycicek, Energie-Analyst der LBBW

LNG-Infrastrukturen werden einen wichtigen Beitrag dafür leisten, besser ohne russisches Gas auszukommen.

Erkan Ayçiçek, Energie-Analyst der LBBW

Gaspreise bleiben hoch

Die Betreiber der Gasspeicher haben in den vergangenen Monaten mit hohem Druck Gas eingekauft, um ihre Speicher zu füllen. Damit haben sie die Versorgungssicherheit signifikant verbessert – allerdings nach Einschätzung der LBBW zugleich auch den Gaspreisen weiter Auftrieb gegeben. Zwar hat sich die Situation im Großhandel zuletzt deutlich entspannt, mit einer Rückkehr zu den Niveaus von 2019 und 2020 rechnet die LBBW jedoch nicht. „Das hat auch Folgen für die Energiewende“, sagt Energie-Analyst Erkan Ayçiçek: „Mit Erdgas betriebene Kraftwerke sind unter den derzeitigen Bedingungen als Brückentechnologie auf dem Weg in die Klimaneutralität zu teuer.“

Die hohen Erdgaspreise haben, in Verbund mit der Furcht vor Gasknappheit, noch in anderer Hinsicht Folgen für Energiewende und Klimaschutz in Deutschland: Die Versorger setzen derzeit verstärkt Kohlekraftwerke ein. So haben etwa RWE und LEAG zuletzt mehrere Kraftwerksblöcke reaktiviert, die zuvor in der Sicherheitsbereitschaft waren. Damit steigt das Risiko, dass die Bundesrepublik ihre Ziele zur Minderung der CO₂-Emissionen verfehlen wird.