Eines der eindrücklichsten Beispiele für die anhaltende Ungleichbehandlung der Geschlechter sind die Lohn- und Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen, die sogenannte Gender-Pay-Gap. Nach Einschätzung des LBBW Research wird die Lücke zwar stetig kleiner, aufgrund struktureller Verzerrungen zugleich aber größer als gerechtfertigt wahrgenommen. Ein weiterer Nebeneffekt der rechnerischen Unschärfe: Baden-Württemberg ist im Bundesvergleich scheinbar überdurchschnittlich rückständig beim „gleicher-Lohn-für-gleiche-Arbeit“-Prinzip. Gleich ein Viertel weniger scheinen Frauen hier zu verdienen.
Die gute Nachricht vorweg: Die Bezahlung von Frauen, die sich seit Jahrzehnten der der Männer angleicht, wird sich auch in Zukunft weiter annähern. Dafür sorgen beinahe automatisch die demographische Entwicklung und das langsame Verschwinden rückständiger Geschlechterrollen-Bilder. „Es wird beim derzeitigen Tempo allerdings noch mehrere Jahrzehnte dauern, bis sich die Gender-Pay-Gap endgültig geschlossen hat“, sagt Chefvolkswirt Moritz Kraemer voraus.
Das Prinzip, wonach gleiche Arbeit mit gleichem Lohn zu vergelten sei, könnte hingegen bereits deutlich früher verwirklicht werden, glaubt Kraemer. Anders als häufig angenommen, basiere die Gender-Pay-Gap vor allem auf strukturellen Unterschieden wie beispielsweise einer unterschiedlichen Erwerbsbiographie.
Dazu zählen die Volkswirte die Tatsache, dass viele Frauen nur Teilzeit arbeiten, während Männer überwiegend Vollzeit tätig sind und entsprechend in absoluten Zahlen mehr verdienen. Auch unterbrechen viele jüngere Frauen ihre Berufstätigkeit nach der Geburt von Kindern genau in dem Alter, in dem häufig wichtige Karriereschritte vollzogen werden. Männer haben hingegen eher eine kontinuierlich aufbauende Berufsbiographie.
Wie die Analysten feststellten, ist der Lohn- und Gehalts-Unterschied in jungen Jahren noch sehr gering. Mit zunehmendem Alter steigt die Lohnungleichheit aber an. Vor allem nach der Gründung einer Familie ist eine geschlechter¬spezifische Gehaltsspreizung unübersehbar. Mit dem Renteneintrittsalter reduziert sich der Unterschied bei fortgeführter Tätigkeit wieder deutlich.
Auffällig ist auch, dass bei geringfügig Beschäftigten der Unterschied generell sehr niedrig ausfällt, urteilt Kraemer. „Hier mag der gesetzliche Mindestlohn als ein geschlechterunabhängiger ‚Boden‘ für größere Gleichheit sorgen.“
Besonders deutlich wirkt die Lohn- und Gehaltsungleichheit im Ländle. „In Baden-Württemberg sind wir weiterhin noch weit vom Ziel der Lohngleichheit entfernt. Allerdings ist die Situation nicht ganz so schwerwiegend, wie der erste Blick vermuten lässt“, schlussfolgert der Chefvolkswirt. 2022 verdienten Frauen 23 Prozent (oder 6 Euro pro Stunde) weniger als Männer. Diese prozentuale Gehaltslücke hatte die Bundesrepublik zuletzt 2006. Inzwischen beträgt die Differenz im Bundesdurchschnitt 18 Prozent.
Bereinigt man die Daten aber um strukturelle Einflussfaktoren der Erwerbsbiografie wie Berufserfahrung und Personalverantwortung, so liegt der Lohnunterschied in Baden-Württemberg bei nur noch 7 Prozent und damit gleichauf mit dem Bundesdurchschnitt. „Im Ergebnis heißt das aber trotzdem, dass wir in Baden-Württemberg weiterhin noch weit vom Ziel der Lohngleichheit entfernt sind“, sagt Moritz Kraemer.
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Tobias Schwerdtfeger