Go West!?

Deutlich günstigere Energiekosten und Steuererleichterungen – die USA sind als Investitionsstandort für deutsche Unternehmen wieder attraktiv.

Die Freiheitsstatue und Skyline von New York City

Viele Gouverneure der 50 US-Bundesstaaten sind seit Monaten aktiv, um deutsche Unternehmen in die USA zu locken. Günstige Preise für Energie, Steuerbegünstigungen für die Wertschöpfung in den USA im Rahmen des Inflation Reduction Acts und milliardenschwere Infrastrukturprogramme der Regierung Biden sind die Gründe, die Unternehmen aus „good old Germany“ anziehen.

Diverse Firmen planen bereits den Aufbau neuer Produktionsstätten oder deren Ausbau. Dazu gehören vor allem Betriebe, die viel Energie verbrauchen, allen voran Hersteller von Aluminium, Zement oder Stahl. DAX-Konzerne wie Bayer und BASF eröffnen in diesen Wochen neue Zentren. Auch Aldi und Lufthansa bauen aus.

Maschinen- und Anlagenbauer wollen kräftig investieren.

Unter dem Eindruck des Ukraine-Kriegs und der Unsicherheiten bezüglich China gilt in vielen Unternehmen wieder die alte Regel: Go West! Eine aktuelle Umfrage des Maschinen- und Anlagenbau-Verbandes VDMA zeigt, dass bereits heute rund ein Drittel der befragten Unternehmen in den USA fertigt. Drei Viertel von ihnen wollen die Geschäftsaktivitäten in diesem und im kommenden Jahr ausbauen. 37 Prozent planen eine Erweiterung ihrer Produktion und 18 Prozent wollen auch Konstruktion und Entwicklung in den USA ausbauen.

37 %

der deutschen Maschinen- und Anlagenbauer wollen ihre Produktion in den USA ausbauen.

Laut der VDMA-Umfrage planen zwei Drittel der Unternehmen, hierzu ihre Belegschaften vor Ort zu vergrößern. Aktuell beschäftigen deutsche Maschinenbaufirmen geschätzt mehr als 100.000 Menschen in den Vereinigten Staaten. Bestätigt wird der Trend von einer aktuellen Studie des Wirtschaftsverbands DIHK. Demnach wollen 39 Prozent der Mitgliedsunternehmen verstärkt in den USA investieren, lediglich 17 Prozent wollen ihre Investitionen verringern.

Deutsche Unternehmen sind Top-Investoren in den USA.

Deutsche Unternehmen sind schon immer ein beliebter Gast in den USA. Deutschland ist der drittgrößte ausländische Investor und Arbeitgeber. Von den insgesamt knapp acht Millionen Arbeitsplätzen, die ausländische Unternehmen in den USA geschaffen haben, zählt mehr als jeder zehnte (865.000) zu einem deutschen Tochterunternehmen. Beeindruckend auch die Wertschöpfung, die deutsche Unternehmen in den USA leisten. Im verarbeitenden Gewerbe leisten die deutschen Tochterunternehmen den zweitgrößten Beitrag aller ausländischen Unternehmen in den USA – mit 13 Prozent hinter Großbritannien.

Laechelnder Geschaeftsmann mit Tablet am Fenster

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Tobias Nafe

Wir erleben aktuell eine deutlich gestiegene Nachfrage aus Deutschland.

Tobias Nafe, Leiter des Corporate Desks USA der LBBW

LBBW Corporate Desk unterstützt bei der lokalen Finanzierung.

„Eine Menge Transaktionen und Aktivitäten“ beobachtet auch Tobias Nafe, Chef des Corporate Desks der LBBW in New York. „Wir erleben eine aktuell deutlich gestiegene Nachfrage aus Deutschland.“ Die Bandbreite sei groß. Von Small und Mid Caps bis hin zu Multinationals klopfen Unternehmen an die Tür der Niederlassung in Manhattan. Die LBBW ist in New York mit ihrem Americas Region Hub mit einem rund 80-köpfigen Team vertreten. Der Fokus liegt auf Real Estate Finance, Project Finance, Capital Markets Business und dem klassischen Corporate-Finance-Geschäft. Unternehmenskunden werden insbesondere bei der lokalen Finanzierung unterstützt. Die Bandbreite reicht von der Finanzierung des Working-Capital-Bedarfs bis hin zu Greenfield-Investments, z. B. für eine lokale Produktion. Auch Akquisitionen großer globaler Unternehmen aus Deutschland in den USA kann das Team stemmen. „Wir sind seit Ende der 80er-Jahre in den USA vertreten“, sagt Nafe, „und haben natürlich über die vielen Jahre hinweg ein veritables Netzwerk aufgebaut.“

Und Erfahrung. „Ohne eine US-Bank geht es nicht“, sagt Nafe. Wenn deutsche Unternehmen in den USA Tochterunternehmen gründen würden, muss eine US-Bank an der Seite stehen, wenn es um ganz einfache Services wie zum Beispiel die Gehaltszettel gehe. Nafe konstatiert eine neue Balance der Auslandsinvestitionen. Galt das vergangene Jahrzehnt vor allem dem Gigamarkt China, würden CEOs und CFOs jetzt die neue geopolitische Lage, aber auch die Energiepreise und die Lieferkettenproblematik ins Kalkül ihrer Investitionsentscheidungen ziehen. Und manchmal helfe einfach der banale Grund, „dass wir hier fließend Deutsch und Englisch sprechen“.

Wir sind als LBBW seit Ende der 80er-Jahre in den USA vertreten und haben über die vielen Jahre ein veritables Netzwerk aufgebaut.

Tobias Nafe, Leiter des Corporate Desks USA der LBBW

Dass der US-amerikanische Markt für deutsche Unternehmen attraktiver werde, berichten auch die deutsch-amerikanischen Handelskammern. Dort mehren sich die Ankündigungen für Investitionen, insbesondere dort, wo Clusterstrukturen der Automobilindustrie vorhanden sind. Jedes fünfte Unternehmen der deutschen Kfz-Zulieferindustrie plant wegen der in Deutschland besonders gestiegenen Energiepreise, die Produktion im Ausland aufzubauen. Vor allem in den USA. Laut dem aktuellen Outlook der Außenhandelskammern sehen 57 Prozent der Unternehmen in der Eurozone in den hohen Energiepreisen ein Geschäftsrisiko. In den USA kommt nur jedes fünfte Unternehmen zu diesem Schluss.

57 %

der Unternehmen in der Euro-Zone sehen in den hohen Energiepreisen ein Geschäftsrisiko.

Tobias Nafe

Tobias Nafe

Leiter Corporate and Institutional Banking New York