20.06.2025
Kernenergie: die untote Stromquelle
Die Reaktivierung der Atomkraft wäre teuer und wenig hilfreich.


Anfang 2024 habe ich an dieser Stelle darüber geschrieben, dass der im Schatten der Reaktorkatastrophe von Fukushima (2011) beschlossene Atomausstieg in Deutschland wahrscheinlich ein Fehler war. Dass aber die von Atomnostalgie genährte Rückkehr zur Kernkraft ein noch weitaus größerer Fehler wäre.
Die neue Bundesregierung hat sich, entgegen der Beteuerungen im Wahlkampf der CDU, vor allem aber der CSU, folgerichtig von der nuklearen Renaissance verabschiedet. Während die Regierung sich der Macht des Faktischen gebeugt hat, wünscht sich eine Mehrheit der Deutschen ( 55 % ) wieder eine Rückkehr der Kernenergie. Für diese Mitbürgerinnen und Mitbürger hat sich das LBBW Research des Themas noch einmal in einer ausführlichen Blickpunkt-Studie angenommen. Dort erklären wir, weshalb die Kernenergie in Deutschland keine Zukunft mehr hat. Dieser Klartext nun greift einige der Erkenntnisse auf.
Kein deutscher Sonderweg
Zunächst gilt es, einem Mythos die Zähne zu ziehen: Atomkraftbefürworter behaupten gerne, Deutschland gehe einen Sonder(irr)weg, und der Rest der Welt setze verstärkt auf Kernenergie für eine emissionsfreie Stromerzeugung. Die Abbildung zeigt, dass das nicht zutrifft. Weltweit ist Atomkraft auf dem Rückzug, und erneuerbare Quellen sind auf dem Vormarsch.
Weltweite Stromerzeugung nach Quelle
Anteil in %, 2000-2024
⬤ {series.name}: {point.y}
Atomkraft nicht geeignet als Backstop für Wind und Sonne
Aber was tun bei den sogenannten Dunkelflauten, wenn weder die Sonne scheint, noch ein Lüftchen weht? Kann dann die Kernenergie nicht die naturgemäß schwankende Stromproduktion der Erneuerbaren ergänzen? Nein, kann sie nicht sinnvoll. Nicht genug damit, dass die verbleibende Kapazität der stillgelegten deutschen Kernkraftwerke bei Weitem nicht ausreicht, um die im Zweifel fehlende Leistung zu überbrücken. AKW sind auch nicht flexibel genug. Denn wenn die Produktion erneuerbaren Stroms abfällt, muss die Ersatzversorgung schnell einspringen können. Aber Kernkraftwerke kann man nicht einfach ein- und ausknipsen. Ein Hochfahren kann mehrere Tage benötigen. Um die Produktionslücken zu schließen, bedarf es statt Kernkraft mehr Speicherkapazitäten und wasserstofffähiger Gaskraftwerke. Letztere erlauben nämlich einen schnellen Kaltstart.
€€€ – wer soll das bezahlen?
Atomstrom ist nicht nur nicht geeignet, die Schwankungen der Erneuerbaren auszugleichen, er ist auch viel zu teuer. Da Vertreter der Wirtschaft schon heute mahnend auf die hierzulande hohen Stromkosten hinweisen, würde Atomstrom die Energiekosten perspektivisch noch erhöhen. Außer eben man ist bereit, die Nuklearindustrie mit Steuermilliarden zu subventionieren, wie das beim verstaatlichten französischen Kernenergiemonopolisten EDF der Fall ist. Der Rechnungshof in Paris fordert den Stopp neuer Atomprojekte. Grund: Kosten und Bauzeit laufen völlig aus dem Ruder. Wie übrigens auch auf der anderen Seite des Ärmelkanals beim britischen Reaktor Hinkley Point C. Dass die früheren Betreiber der deutschen Kernkraftwerke der Idee einer Reaktivierung allesamt eine Absage erteilt haben, zeigt, dass diese Technologie nicht wirtschaftlich betrieben werden kann. Umso weniger, als integrale Bestandteile in den Meilern, wie Turbinen und Kühlsysteme schon abgebaut wurden.
Und, ach ja, da ist ja auch noch der radioaktive Müll, den keiner haben will. Sonderbarerweise noch nicht einmal der Atomstromfan Markus Söder. Aber der ist ja schon einen Schritt weiter und träumt von der Kernfusion, obwohl Wissenschaftler deren kommerzielle Nutzung noch in weiter Ferne sehen.

Kernenergie hat in Deutschland keine Zukunft mehr.
Download Klartext
-
293.6 KB | 20.06.2025
Diese Publikation richtet sich ausschließlich an Empfänger in der EU, Schweiz und in Liechtenstein. Diese Publikation wird von der LBBW nicht an Personen in den USA vertrieben und die LBBW beab- sichtigt nicht, Personen in den USA anzusprechen. Aufsichtsbehörden der LBBW: Europäische Zentralbank (EZB), Sonnemannstraße 22, 60314 Frankfurt am Main und Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Graurheindorfer Str. 108, 53117 Bonn / Marie-Curie-Str. 24-28, 60439 Frankfurt. Diese Publikation beruht auf von uns nicht überprüfbaren, allgemein zugänglichen Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit und Vollständigkeit wir jedoch keine Gewähr übernehmen kön- nen. Sie gibt unsere unverbindliche Auffassung über den Markt und die Produkte zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses wieder, ungeachtet etwaiger Eigenbestände in diesen Produkten. Diese Publika- tion ersetzt nicht die persönliche Beratung. Sie dient nur Informationszwecken und gilt nicht als Angebot oder Aufforderung zum Kauf oder Verkauf. Für weitere zeitnähere Informationen über konkrete Anlage- möglichkeiten und zum Zwecke einer individuellen Anlageberatung wenden Sie sich bitte an Ihren An- lageberater. Wir behalten uns vor, unsere hier geäußerte Meinung jederzeit und ohne Vorankündigung zu ändern. Wir behalten uns des Weiteren vor, ohne weitere Vorankündigung Aktualisierungen die- ser Information nicht vorzunehmen oder völlig einzustellen. Die in dieser Ausarbeitung abgebildeten oder beschriebenen früheren Wertentwicklungen, Simulatio- nen oder Prognosen stellen keinen verlässlichen Indikator für die künftige Wertentwicklung dar. Die Entgegennahme von Research Dienstleistungen durch ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen kann aufsichtsrechtlich als Zuwendung qualifiziert werden. In diesen Fällen geht die LBBW davon aus, dass die Zuwendung dazu bestimmt ist, die Qualität der jeweiligen Dienstleistung für den Kunden des Zuwendungsempfängers zu verbessern.