21.11.2025

Der digitale Euro

Versuch einer Versachlichung.

Der Digitale Euro – Vision oder Albtraum?
Der Digitale Euro – Vision oder Albtraum?

Kraemers Klartext

Chefvolkswirt Dr. Moritz Kraemer

Der digitale Euro ist nicht das Einfallstor eines Orwellschen Überwachungsstaates.

Dr. Moritz Kraemer, Chefvolkswirt und Leiter Research

Es gibt derzeit nicht viele Wirtschaftsthemen, die in der Öffentlichkeit solche Emotionen hervorrufen wie der digitale Euro. Regelmäßig werde ich bei Kundenveranstaltungen Zeuge von besorgten Nachfragen, wozu das Ganze eigentlich gut sei. Und manchmal mischt sich kaum verdeckt auch die Sorge vor einer „totalen Überwachung“ hinein: Manche fürchten offenbar, der digitale Euro sei ein erster Schritt hin zur gläsernen Bürgerin.

Was ist der digitale Euro eigentlich?

Also mal der Reihe nach. Zunächst geht die EZB mit ihren Plänen für einen digitalen Euro keineswegs einen Sonderweg. Weltweit arbeitet die große Mehrheit der Notenbanken an ihrer jeweiligen Version von digitalem Zentralbankgeld. Einige nutzen es bereits, darunter Entwicklungsländer wie Jamaika, die Bahamas oder Nigeria.

Im Gegensatz zu Stablecoins handelt es sich beim digitalen Euro und seinen weltweiten Vettern nicht um privates Geld, sondern um Bargeld in digitaler Form. Das bedeutet, dass ausschließlich Notenbanken die digitalen Währungen ausgeben können. Das Ziel ist, im gesamten Euroraum Transaktionen zu vereinfachen und günstiger zu machen. Denn der ist bis heute in nationale Zahlungssysteme zersplittert.

Als Nutzer würden Sie den digitalen Euro in einer Wallet halten – etwa über das Smartphone – und könnten damit länderübergreifend und gebührenfrei überall bezahlen, wo der Euro gesetzliches Zahlungsmittel ist. Sie sparen die Abhebegebühr im Euro-Ausland, und anders als bei Zahlungsanbietern aus den USA würde der europäische Datenschutz greifen. Die Wallet können Sie als EU-Bürger mit bis zu 3.000 Euro befüllen. Ihre Hausbank verbindet ihr Girokonto mit dem digitalen Portemonnaie, wie schon bislang mit einer Bankkarte. Mit der Notenbank haben Nutzer keinen Kontakt. Es handelt sich also nur um eine neue Form des ohnehin üblichen nichtbaren Bezahlens (siehe Abb.).

Abb: Bargeldzahlungen

Anteil der Umsätze, 2024

Die geopolitische Komponente

Jetzt werden Sie sagen: Na ja, gut und schön, aber wer braucht das schon? Das kann man doch auch alles mit PayPal erledigen. Hier kommt der Faktor währungspolitische Souveränität ins Spiel. Denn die Zweifel an der Verlässlichkeit der USA nehmen zu. Was, wenn ein Präsident (ich nenne bewusst keinen Namen!) im Zorn gegen Europa die großen US-Zahlungsdienstleister dazu brächte, die EU von ihren Diensten abzukoppeln? Wie sähe unser Alltag ohne Visa, Mastercard, Apple Pay und so weiter aus? Um das nicht möglicherweise irgendwann schmerzhaft herauszufinden, sollte Europa unabhängiger werden. Das gilt auch für die mögliche Verbreitung von dollarbasierten Stablecoins. Denn auch sie könnten die geldpolitische Unabhängigkeit untergraben. Niemand wird gezwungen werden, den digitalen Euro zu verwenden. Er ist lediglich ein zusätzliches Angebot an die Bürgerinnen und Bürger.

Der Anfang vom Ende des Bargelds?

Oft höre ich auch, der digitale Euro sei nur der erste Schritt zur Abschaffung von Bargeld. Schließlich habe die EZB 2018 auch den Druck des 500-Euroscheins eingestellt (bereits im Umlauf befindliche Scheine behalten dauerhaft ihre Gültigkeit als gesetzliches Zahlungsmittel). Warum das seinerzeit beschlossen wurde, liegt auf der Hand: Scheine mit hohem Nennwert sind besonders beliebt für illegale Transaktionen und Geldwäsche.

Auch in Ländern, die uns bei digitalen Zahlungen weit voraus sind, etwa Schweden, China oder Singapur, kommt noch Bargeld zum Einsatz. Kein Land auf der Welt hat das Bargeld abgeschafft. Und es ist kaum vorstellbar, dass der Euroraum damit beginnen würde. Denn Bargeld ist in mehreren europäischen Rechtsakten verankert, beispielsweise im Artikel 128 des EU-Vertrags oder der Euro-Einführungsverordnung. Es bedürfte eines einstimmigen Beschlusses aller EU-Mitglieder, um das Bargeld aufs Altenteil zu schicken. Das ist ähnlich wahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto. Da Bargeld bei der Bevölkerung beliebt ist, besteht auch kein politischer Anreiz, es abschaffen zu wollen. Also ruhig Blut! Der digitale Euro ist nicht das Einfallstor eines Orwellschen Überwachungsstaates.

Kommt der digitale Euro und wenn ja, wann?

Die EZB hofft auf eine Einführung bis 2029. Die Finanzminister sehen das ähnlich. Dafür müsste das Europaparlament 2026 den rechtlichen Rahmen beschließen. Dort regt sich aber Widerstand. Insbesondere in der konservativen EVP-Fraktion, die eine private Lösung europäischer Banken bevorzugt. Dagegen wünscht sich etwa CDU-Kanzler Friedrich Merz eine möglichst rasche Einführung des digitalen Euro. Einmal mehr könnten Bedenkenträger in Europa die Handbremse anziehen. Die amerikanische Konkurrenz wird ihr Glück kaum fassen können.

Von: Dr. Moritz Kraemer, Chefvolkswirt und Leiter Research

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