10.10.2025

Deutschland auf der Standspur

Erst hatten wir kein Glück, und nun kommt auch noch Pech dazu.

Container Logistik: Lagerung von Ware
Container Logistik: Lagerung von Ware

Kraemers Klartext

Chefvolkswirt Dr. Moritz Kraemer

Wie vieler Weckrufe bedarf es eigentlich noch, damit die Europäer verstehen, dass wir nur gemeinsam eine Chance haben?

Dr. Moritz Kraemer, Chefvolkswirt und Leiter Research

Die Hiobsbotschaften aus der deutschen Wirtschaft, insbesondere aus der Industrie, reißen nicht ab. Gefühlt jede Woche verkünden namhafte Unternehmen, vorzugsweise aus dem Automobilbau, sie müssten ihr Personal der Absatzlage anpassen. Auf gut Deutsch: Zehntausende Stellen werden wegfallen. Die Insolvenzzahlen sind wieder über das Niveau vor Corona geklettert, und der vielbeachtete ifo-Geschäftsklimaindex ist nach ein paar Monaten leichten Anstiegs im September wieder gesunken. So oder so ist das Zutrauen gering. Das letzte Mal, dass der ifo-Index der Geschäftserwartungen den Durchschnittswert der zurückliegenden zwei Dekaden erreichte, war Anfang 2022.

Die Wirtschaft steckt in der Krise fest

Die Malaise der deutschen Wirtschaft ist also mehr als nur ein konjunkturelles Phänomen. Dahinter steckt vielmehr ein Konglomerat aus zahlreichen Problemen und Fehlstellungen. Das LBBW-Research hat die Vielzahl struktureller Bremsklötze bereits im Herbst 2024 in seiner Stagnationsstudie herausgearbeitet. Seither ist so gut wie nichts passiert.

Abwarten und Hoffen ist keine Strategie

Und zu all dem kommen jetzt auch noch externe Schocks. Der überbordende Protektionismus der Trump-Regierung (na ja, streichen Sie das Wort „Regierung“ – Washington ist zu einer One-Man-Show verkommen) trifft uns in Deutschland besonders hart und in unserer Home Base Baden-Württemberg noch härter. Denn wie in kaum einem anderen Land war das Wachstum der vergangenen Jahrzehnte so stark vom Export beflügelt (siehe Abb. 1 im PDF). Die goldene Phase der Globalisierung liegt schon länger hinter uns. Doch jetzt gibt Trump auch noch im Rückwärtsgang Vollgas.

Eine unerwünschte Nebenwirkung dessen bekommen wir langsam immer deutlicher zu spüren: Die USA halten Chinas Ausfuhren mit besonders hohen Zöllen von ihrem Markt fern. Peking braucht aber Exporterfolge, weil sein Binnenmarkt – geschwächt durch eine schrumpfende Erwerbsbevölkerung, die zähe Immobilienkrise und die hohe Verschuldung – nicht mehr richtig in Schwung kommt. Deshalb verschicken chinesische Hersteller ihre oft stark subventionierten Produkte in andere Ecken der Welt. Auch nach Europa. Wir können also wegen zunehmender Zollmauern nicht nur schlechter exportieren, sondern stehen zusätzlich auch auf dem heimischen Markt unter Druck.

Jetzt die Flucht nach vorn ergreifen!

Auf diese Herausforderungen sind verschiedene Reaktionen denkbar. Eine nenne ich mal „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Und tatsächlich will die EU Medienberichten zufolge offenbar bald ein Paket von Zöllen auf chinesische Waren und „Buy European“ Regeln vorlegen. Einen ersten Vorgeschmack hat sie diese Woche mit der Ankündigung eines 50-prozentigen Zolls auf Stahl gegeben. Der österreichische Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer fordert gar einen „ Schutzschirm “ für Europas Industrie: „Wir müssen protektionistischer und patriotisch-europäisch auftreten.“ Klingt nach „Make Europe Great Again“. Von Trump lernen heißt siegen lernen?

Ich halte es ja für durchaus richtig, gegen Dumpingimporte aus Fernost ausgleichende Zölle zu erheben. Aber Protektionismus an sich verspricht keine Wohlstandsgewinne. Das werden übrigens auch die MAGA-Getreuen noch erfahren. Denn Amerika war nie so „great“ wie jetzt nach Jahrzehnten des Freihandels. Die Zeit, die Europa mit Chinazöllen gewinnt, muss die EU aber auch nutzen und die Bemühungen verdoppeln, ihren technologischen Rückstand aufzuholen. Trauert Europa stattdessen nostalgisch einer unwiederbringlich vergangenen Ära industrieller Dominanz nach, wird sich der Niedergang beschleunigen (siehe Abb. 2 im PDF). Weshalb nennen wir uns eigentlich immer noch Industrienation, wenn bereits 80 % der Wertschöpfung außerhalb des verarbeitenden Gewerbes entstehen? Und wenn Politiker von „Technologieoffenheit“ sprechen, meinen sie damit womöglich, alles möge so bleiben wie es war, als wir Weltspitze waren? Technischem Fortschritt und Strukturwandel zum Trotz? Wir schauen zu viel zurück und zu wenig nach vorne, scheint mir.

Vor etwas mehr als einem Jahr lieferte uns der Draghi-Bericht eine Blaupause für ein wettbewerbsfähiges Europa. Von den Empfehlungen ist bisher nur gut ein Zehntel umgesetzt. Von den 800 Mrd. EUR jährlicher Investitionsoffensive keine Spur. Und die Vollendung des EU-Binnenmarktes lässt ebenfalls auf sich warten. Nach Schätzung des IWF entsprechen die Handelshemmnisse innerhalb der EU einem Zollsatz auf Waren von durchschnittlich 40 % – bei Dienstleistungen noch darüber. Wie vieler Weckrufe bedarf es eigentlich noch, damit die Europäer verstehen, dass wir nur gemeinsam eine Chance haben?

Von: Dr. Moritz Kraemer, Chefvolkswirt und Leiter Research

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