26.09.2025
Die EU hat Grund, selbstbewusst zu sein
Die USA sind abhängiger von Europas Waren, als viele glauben.


Kraemers Klartext

In Anbetracht der anhaltenten transatlantischen Spannungen liegt es nahe, zu erwarten, dass es schon bald wieder auf höchster Ebene zu Verhandlungen über die Handelsbeziehungen kommt
Nach dem auf einem schottischen Golfplatz per Handschlag besiegelten Handels-Deal der EU mit den USA Ende Juli ist auf die EU-Kommission eine massive Welle der Kritik eingestürzt: Kapitulation! Demütigung! Diktatfrieden! (siehe Abb. 1). Da ist schon was dran, aber wir müssen fair bleiben. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte es nicht einfach.
Welches Gefühl überwiegt, wenn Sie an das US-EU Handelsab-kommen denken?
Abb. 1 (in %)
Umfrage Anfang September 2025, 5302 Personen in 5 EU-Staaten, ohne „Sonstige“-Antworten.
Unmut in der EU über Handelsabkommen.
Denn die EU-Mitgliedsstaaten waren im Vorfeld – ich möchte fast sagen: mal wieder – uneins, welche Gangart die EU einschlagen sollte. Insbesondere die Regierungen von Ländern mit hoher Exportabhängigkeit, allen voran Deutschland und Italien, wollten eine Eskalation um fast jeden Preis vermeiden. Paris und Madrid hingegen warben für eine eher robustere Reaktion. Am Ende versuchte die Kommission die Quadratur des Kreises. Und ging dabei auch durchaus geschickt vor: Sie machte dem US-Präsidenten leere Versprechungen , Energie im Wert von 750 Mrd. USD aus den USA zu importieren und dort 600 Mrd. USD direkt zu investieren. Das erlaubte es Donald Trump, vor seiner Gefolgschaft daheim zu prahlen und sich als Sieger zu inszenieren. Er könne nun aussuchen, welche europäischen Investitionen in Amerika getätigt würden. Ob die europäischen Unternehmerinnen und Unternehmer dem wohl beipflichten?
Der EU-US Handelsdeal ist voller Missverständnisse
Es dauerte nicht lange, bis deutlich wurde, dass sich Washington und Brüssel uneins waren, was sie eigentlich in Schottland beschlossen hatten. Und das ist nicht verwunderlich. Stabile Handelsabkommen werden in der Regel über lange Zeiträume, zumeist Jahre, von Technokraten bis ins filigranste Detail verhandelt. Sie entstehen nicht zwischen Tür und Angel.
So glaubte Washington, die EU habe ihre Standards für Lebensmittelsicherheit von Fleisch und Milchprodukten gesenkt, was Importe aus den USA erleichtern würde. Brüssel ist von dieser Interpretation überrascht und spricht davon, die Vereinheitlichung von diesbezüglichen Formularen zu prüfen. Zudem geht Trump offenbar davon aus, dass die EU die Regulierung digitaler Dienstleistungen lockert. Das sei gar nicht Gegenstand des Gesprächs gewesen, kontert die Kommission. Folgerichtig drohte das Weiße Haus auch umgehend mit weiteren Zöllen gegen die EU, als die Kommission Anfang September gegen Google ein Bußgeld von fast 3 Mrd. EUR wegen Marktmissbrauchs verhängte. Die US-Zölle auf Stahl und Aluminium hatte Trump bereits Mitte August auf Produkte ausgedehnt, die diese Metalle enthalten. Haben Sie Mitleid mit den Zollbeamten in den USA, die nun beurteilen sollen, ob der angegebene Wertanteil der Metallteile in Fertigprodukten stimmt oder nicht.
Viele Fragen bleiben offen
Europa kann auf Augenhöhe verhandeln
In Anbetracht der anhaltenten transatlantischen Spannungen liegt es nahe, zu erwarten, dass es schon bald wieder auf höchster Ebene zu Verhandlungen über die Handelsbeziehungen kommt. Es ist verständlich, dass viele Beobachter glauben, Europa sitze am kürzeren Hebel. Denn während Europa eine offene Volkswirtschaft ist, machen Exporte in den USA nur wenig mehr als zehn Prozent des BIP aus. Und natürlich exportieren europäische Unternehmen mehr in die USA als umgekehrt.
Aber wie eine neue Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, ist die EU weit mehr als ein hilfloser Spielball der US-Regierung. Denn beide Seiten sind voneinander abhängig. Die EU ist die wichtigste Quelle für US-Importe geworden, noch vor China und den Nachbarn Mexiko und Kanada (siehe Abb. 2). Die Vereinigten Staaten führen zahlreiche Produkte aus der EU ein, die sie nicht ersetzen können.
Anteil an den gesamten US-Importen
Abb. 2
Die IW-Forscher Samina Sultan und Jürgen Matthes haben errechnet, dass die Anzahl der von den USA importierten Waren-gruppen, die zu mehr als 50 % europäischen Ursprungs sind, im Zeitablauf erheblich gewachsen ist (siehe Abb. 3). Ihr Wert belief sich im vergangenen Jahr auf 287 Mrd. USD. Besonders angewiesen auf EU-Einfuhren sind US-Unternehmen demnach bei chemischen Erzeugnissen, sowie Maschinen und elektrotechnischen Geräten. Auch militär-strategische Produkte finden sich auf der Liste der US-Importabhängigkeiten.
Abb. 3: US-Importabhängigkeit von der EU
Anteil der Warengruppen mit mindestens xx % US-Importanteil aus der EU
Grundgesamtheit: 1780 Warengruppen.
Und da sich Washington bereits seit Jahren bemüht, unabhängiger von China zu werden, ist im Gegenzug die Importabhängigkeit von Europa gestiegen (Abb. 2). Die EU-Ausfuhren sind für die Wertschöpfungsketten in den Vereinigten Staaten von großer und wachsender Relevanz und teils auch strategisch bedeutsam. Wenn es also zu Neuverhandlungen kommt, und da-von gehe ich aus, muss sich die EU nicht kleiner machen, als sie ist. Nur Mut!
Von: Dr. Moritz Kraemer, Chefvolkswirt und Leiter Research
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1.2 MB | 26.09.2025
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