08.08.2025
Zolldrama ohne Ende
Der „Deal“ zwischen der EU und den USA hat Sollbruchstellen.


Kraemers Klartext
Zum sogenannten Handels-„Deal“ zwischen Washington und Europa ist bereits viel gesagt worden. Es hagelt vielstimmig Kritik, seit sich Präsident Donald Trump und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Schottland auf Trumps defizitärem Golfplatz die Hand gaben. Kritische Geister werfen der europäischen Seite vor, sich beinahe widerstandslos dem Schulhofrüpel im Weißen Haus ergeben zu haben. Das komme einer Demütigung gleich, die Europas nicht würdig sei.
Ja, es hätte (noch) schlimmer kommen können
Die Kommission und viele Politiker halten dagegen, dass der „Deal“ mit den 15 % Zöllen auf fast alles zwar durchaus wirtschaftliche Nachteile für Europa bringe, die Alternative der Eskalation aber viel schlimmer gewesen wäre. Da ist etwas dran. Die jähzornige Drohung Trumps, alle von der EU verhängten Gegenmaßnahmen auf die von Amerika verlangten Zölle eins zu eins aufzuschlagen, ist durchaus ernst zu nehmen. In einem solchen Fall wären die Aussichten für Europas Wirtschaft noch viel düsterer. Unter Ökonomen besteht weitgehend Einigkeit, dass sich ein Land, das Zölle verhängt, vor allem selbst schadet. Nur weil mein Handelspartner seinen Hafen vermint, sollte ich das nicht auch tun. Und Washington hat sich da so einiges ins Hafenbecken geworfen. Das LBBW-Research war immer skeptisch, dass sich mit den USA eine gütliche Einigung erzielen lassen würde, weswegen wir die deutsche Wachstumsprognose für 2025 bei 0 % belassen haben.
Die Einigung geht zulasten der EU.
Das Kleingedruckte im EU-„Deal” ist Augenwischerei
Aber es ging um viel mehr als nur um Zölle. Zur Beschwichtigung des Wüterichs in Washington verpflichtete sich Europa zu Zugeständnissen. Sie betreffen Waffenkäufe, Direktinvestitionen und den Kauf von amerikanischem Flüssiggas (LNG). Und hier verbirgt sich meines Erachtens des Pudels Kern.
Europa verspricht, von den USA in den kommenden drei Jahren Flüssiggas, Öl und Kernbrennstoffe im Wert von 750 Mrd. USD abzunehmen. Das ist unrealistisch, wenn man bedenkt, dass die EU 2024 insgesamt lediglich im Wert von 376 Mrd. EUR Energie importiert hat. Tendenz fallend. Auf die USA entfielen dabei weniger als 70 Mrd. EUR. Der jährliche Energiebezug aus den Vereinigten Staaten würde sich nach dem „Deal“ schlagartig fast vervierfachen und hätte einen Anteil von nahezu zwei Dritteln am Verbrauch. Dazu müssten europäische Importeure bestehende Lieferverträge (etwa mit Norwegen oder Katar) kündigen. Das zugesagte Importvolumen geht an Bedarf und Realität völlig vorbei. Wenn Trump das merkt, wird er auf den Tisch hauen.
Ähnlich verhält es sich mit dem Thema europäischer Direktinvestitionen in den USA: Die EU hat ein Volumen von 600 Mrd. USD in Aussicht gestellt. Aber Investitionen kommen nicht von der Kommission, sondern von Unternehmen. Und die scheinen nicht gerade in Stimmung zu sein, in Amerika Geld auszugeben: In den drei Monaten nach Trumps Amtsantritt haben allein deutsche Firmen 389 Millionen Euro mehr aus den USA abgezogen als dort investiert. Sonst flossen in den ersten drei Monaten einer US-Präsidentschaft seit der Jahrtausendwende im Schnitt 10 Mrd. EUR netto in die USA. Die Unternehmen stimmen mit dem Geldbeutel ab: Sie halten sich von den USA fern, weil deren Wirtschaftspolitik so unberechenbar geworden ist. Wenn sich von der Leyens Investitionsversprechungen nicht erfüllen – was ich für wahrscheinlich halte – wird auch das Trump sauer aufstoßen.
Zugesagte Energieimporte aus den USA so unrealistisch…wie die vereinbarten Investitionen.
Ein Tanz auf dünnem Eis statt Planungssicherheit
Sie mögen sich fragen, weshalb ich „Deal“ immer in Anführungszeichen setze. Nun, ich glaube nicht daran, dass der Hand-schlag von Schottland ein stabiles Umfeld geschaffen hat. Schon unmittelbar nach dem Tête-à-Tête am Golfplatz fielen die Interpretationen des vermeintlich Vereinbarten extrem unterschiedlich aus. Und Trump wird, wenn ihm danach ist, alles wieder umschmeißen und neue Regeln verhängen. Längst geht es bei der Zollpolitik um mehr als nur um Handel. Im Falle Brasiliens oder Indiens verfolgt das Weiße Haus unverhohlen politische Ziele. Wenn aus Europa zu viel Kritik kommt oder die EU wie oben beschrieben die Erwartungen enttäuscht, ist nach dem Zollabkommen ganz schnell wieder vor dem Zollabkommen. Das sehe übrigens nicht nur ich so.
Die Schweiz, wo ich diesen Klartext schreibe, kann ein Lied davon singen. Oder auf dem Alphorn blasen. Eigentlich hatten die Eidgenossen schon längst einen „Deal“ mit dem US-Handelsbeauftragten Jamieson Greer und Finanzminister Scott Bessent vereinbart. Aber Entscheidungen fällt in der aktuellen US-Regierung am Schluss halt nur einer. Und dessen Wege sind unergründlich. Am Ende steht ein Zoll von 39 %, weil dieser Eine die Schweiz beschuldigt, Amerika „bestohlen“ zu haben!
Von: Dr. Moritz Kraemer, Chefvolkswirt und Leiter Research
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