27.06.2025

Die Bundesregierung im Schuldenrausch

Auf dem Weg vom Paulus zum Saulus.

Der Reichstag in Berlin mit der Aufschrift „Dem deutschen Volke“
Der Reichstag in Berlin mit der Aufschrift „Dem deutschen Volke“

Erst diese Woche hat die neue Regierung von Bundeskanzler Friedrich Merz ihren Haushalt für das laufende Jahr auf den Weg gebracht. So spät hat meines Wissens noch kein Kabinett in der Geschichte der Bundesrepublik einen Haushaltsentwurf beschlossen. Damit geht die Phase der vorläufigen Haushaltsführung nach Art. 111 GG ihrem Ende entgegen. In ihr darf die Regierung nur existierende Zahlungsverpflichtungen erfüllen, aber keine neuen finanziellen Verpflichtungen eingehen. Wenn ich mir das Budget – vor allem aber die mittelfristige Haushaltsplanung bis 2029 – anschaue, muss ich sagen: schade eigentlich!

Alle Schuldenschamgrenzen sind gefallen

Regelmäßige Leser dieser Kolumne werden sich erinnern, dass ich ein Befürworter der Reform der Schuldenbremse war. Ich hielt eine Lockerung für notwendig, um die Infrastruktur im Land wieder auf Vordermann zu bringen und verschleppte Investitionen in Bildung, Digitalisierung und Klimawende zu finanzieren.

Als ich diese Woche dann aber die mittelfristige Finanzplanung des Bundes sah, beschlichen mich Zweifel: Hatten die Schuldenbremsenultras vielleicht doch recht mit ihrer Sorge, es werde nicht gut gehen, Politikern zu viel budgetären Spielraum einzuräumen? Wir sehen zwar keiner ausufernden Verschuldung entgegen, aber der Trend ist beunruhigend (siehe Abb. 1).

Abb. 1: Öffentliche Schulden

% des BIP

Quelle: Berechnungen des LBBW Research auf Basis von BMF und IWF. Annahme des jährlichen Defizits von Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen von 1%.

Bereits 2025 soll die Nettoneuverschuldung des Bundes inklusive Sondervermögen auf 143 Mrd. EUR ansteigen. Das wären mehr als 3 % des Sozialprodukts. Von nächstem Jahr an wird sich die Nettoschuldenaufnahme des Bundes dann planmäßig zwischen 3,5 % und 4 % des BIP einpendeln. Inklusive der zu erwartenden Defizite von Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen dürfte der gesamtstaatliche Fehlbetrag noch höher ausfallen. Habituelle Defizitsünder wie Italien oder Frankreich tun wenigstens noch so, als würden sie auf die Maastricht-Obergrenze von 3 % des BIP zielen. Deutschland wandelt sich dagegen offen vom fiskalischen Paulus zum Saulus. Dass es der Regierung in der Praxis operativ schwerfallen dürfte, Investitionen und Rüstungsausgaben im geplanten Ausmaß tatsächlich auszuweiten, tröstet dabei nur wenig.

Haupttreiber der Verschuldung: Verteidigungsausgaben

Das Sondervermögen zum Ausbau der Infrastruktur ist nicht das Kernproblem. Dafür nimmt der Bund pro Jahr etwas mehr als 1 % des BIP an neuen Krediten auf (siehe Abb. 2). In Anbetracht des Zustands der Infrastruktur ist das vertretbar. Denn Investitionen können mittelfristig das Wachstumspotenzial erhöhen und damit auch das Steueraufkommen, mit dem die Regierung dann den Schuldendienst leisten kann. Der größere Batzen der Neuverschuldung fällt im Kernhaushalt an, in den der Aufbau der Verteidigungsausgaben fällt. Ausgaben für das Militär sind konsumtiver Natur. Sie erzeugen keinen Cash-Flow, der sich zur Rückzahlung der Kredite heranziehen ließe. Zurecht schließt die Bundeshaushaltsordnung militärische Ausgaben vom Investitionsbegriff explizit aus. Wie ich an dieser Stelle argumentierte, sind schuldenfinanzierte Rüstungsausgaben der falsche Weg und generationenungerecht.

Abb. 2: Zusammensetzung der Nettoneuverschuldung der Bundesregierung

% des BIP

Quelle: BMF, IWF, LBBW Research (SV= Sondervermögen)

Missbrauch des Klima- und Transformationsfonds (KTF)

Da ist es fast nur noch eine Randnotiz, dass Bundesfinanzminister Lars Klingbeil das Wahlversprechen niedrigerer Gaspreise nun durch staatliche Zuschüsse aus dem KTF absichern will. Die eigentlich für die Finanzierung der Energiewende gedachten Mittel subventionieren jetzt einen fossilen Energieträger! Das Finanzgebaren der schwarz-roten Bundesregierung ist bislang eine herbe Enttäuschung.

Chefvolkswirt Dr. Moritz Kraemer

Das Finanzgebaren der schwarz-roten Bundesregierung ist bislang eine herbe Enttäuschung.

Dr. Moritz Kraemer, Chefvolkswirt und Leiter Research

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