19.09.2025
Der Haushalt 2025: Eine Mogelpackung
Vollgas ohne Schuldenbremse.


Kraemers Klartext

Natürlich ist es nicht ganz einfach, das fiskalpolitische Steuer noch herumzureißen, wenn der größte Teil des Haushaltsjahres schon vorbei ist.
Vergangene Woche habe ich an dieser Stelle den beklagenswerten Zustand der französischen Staatsfinanzen behandelt. Politische Gräben und fehlende Mehrheitsverhältnisse haben dort verhindert, dass ein Haushalt für 2026 beschlossen werden konnte. Die Regierung reichte wieder mal ihren Rücktritt ein.
Nie zuvor wurde ein Bundeshaushalt so spät verabschiedet
Bevor wir unsere Nachbarn auf der anderen Rheinseite mitleidig belächeln: In Deutschland haben wir gerade das Budget für das laufende Jahr verabschiedet. Über den Entwurf für 2026 stimmt der Bundestag frühestens Ende November ab. Sie erinnern sich: Die Ampel zerbrach nicht zuletzt an Meinungsverschiedenheiten bei der Finanzpolitik. So weit, so französisch. Aber auch die Regierung Friedrich Merz hat mehr als vier Monate gebraucht, um den Haushalt an den Start zu bringen. Immerhin hat die schwarzrote Parlamentsmehrheit am Donnerstag nun endlich den Etat für dieses Jahr durchgewunken. Anlass genug, sich den Haushalt mal ein bisschen näher anzuschauen.
Gestaltungswille bleibt unsichtbar
Natürlich ist es nicht ganz einfach, das fiskalpolitische Steuer noch herumzureißen, wenn der größte Teil des Haushaltsjahres schon vorbei ist. Aber gemessen an dem tapferen Insistieren der Regierung, es liege ein „Herbst der Reformen“ vor uns, bleibt das Budget seltsam ambitionslos. Die Einsparungen summieren sich auf etwa 460 Mio. EUR . Das ist weniger als 0,1 % der ursprünglich geplanten Ausgaben und entspricht gerade mal 5,50 EUR pro Einwohner. Im Vergleich zu den Wahlgeschenken ist das vernachlässigbar (siehe Abb. 1). Wenn das Budget in Zahlen gegossene Politik ist, so ist darin kein nennenswerter Fußabdruck einer wie auch immer gearteten Reformpolitik erkennbar. Ein „Herbst, der sich gewaschen hat“ (O-Ton CDUGeneralsekretär Carsten Linnemann) ist das bisher noch nicht.
Abb. 1: Einsparung im Haushalt 2025 und Kosten ausgewählter Wahlgeschenke
Verschiebebahnhof beim Sondervermögen
Als der alte Bundestag noch rasch die verfassungsmäßige Schuldenbremse aufweichte, stellte die Fraktion der Grünen, die für die notwendige Zweidrittelmehrheit zustimmen musste, eine wichtige Bedingung. Um einen Verschiebebahnhof von ohnehin geplanten Investitionen in das 500 Milliarden EUR schwere Sondervermögen zu verhindern, sollten die schuldenfinanzierten Investitionsausgaben unbedingt zusätzlich sein. So steht es jetzt auch im Artikel 143h des Grundgesetzes. Aber die Formulierung dort ist windelweich: „Zusätzlichkeit liegt vor, wenn im jeweiligen Haushaltsjahr eine angemessene Investitionsquote im Bundeshaushalt erreicht wird.“ Was bitte ist „angemessen“?
Grundgesetz pocht auf Zusätzlichkeit
Die Regierung Merz war offensichtlich der Ansicht, dass der Haushaltsentwurf der Ampel unangemessen hohe Investitionen vorsah. Denn ein Vergleich des von der Ampelkoalition vorgelegten Entwurfs mit dem Haushalt, den der Bundestag nun verabschiedet hat, zeigt eine bemerkenswerte Verschiebung der Prioritäten im Kern (siehe Abb. 2). Schwarz-Rot leitet Mittel aus investiven in konsumtive Zwecke um. Insgesamt planen Merz & Co. statt im Ampelentwurf 53 Mrd. EUR nur noch Investitionen in Höhe von 38 Mrd. EUR. Das ifo-Institut seziert etwa die Ausgabenveränderungen im Verkehrsministerium: 2,9 Mrd. EUR für den Breitbandausbau sind da genauso komplett gestrichen wie 2,4 Mrd. EUR für Schienenwege, und für den Autobahnbau gibt es 2,5 Mrd. EUR weniger. Mirakulös tauchen diese investiven Posten dann wieder im Wirtschaftsplan des schuldenfinanzierten Sondervermögens Infrastruktur auf.
Abb. 2: Nettoausgabenveränderung ggü. Entwurf Haushaltsplan 2025 der Ampel
Mrd. EUR, nach Ministerien
Mit solchen leicht durchschaubaren buchungstechnischen Taschenspielertricks führt die Regierung die verfassungsmäßige Vorgabe der Zusätzlichkeit ad absurdum. Das Vorgehen dokumentiert aber auch einen offensichtlichen Unwillen, den Bürgerinnen und Bürgern reinen Wein einzuschenken, was den Zustand der öffentlichen Finanzen betrifft. Das treibt die öffentliche Verschuldung nach oben und verschiebt die Kosten auf die zukünftige Generation. Dass der Kanzler beklagt, Deutschland lebe über seine Verhältnisse, ist da nur noch eine ironische Fußnote. Im Übrigen lebt ein Land mit einem Leistungsbilanzüberschuss mit dem Rest der Welt von fast 250 Mrd. EUR (2024) definitionsgemäß unter seinen Verhältnissen.
Kommission zur Reform der Schuldenbremse
Vergangene Woche hat übrigens auch eine Expertenkommission zur Reform der Schuldenbremse ihre Arbeit aufgenommen. Das kommt ein bisschen spät. Denn der Schaden ist ja angerichtet , seit konsumtive Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse ausgenommen sind. Aber wenn ich mir die Zusammensetzung des Gremiums so anschaue, ahne ich, dass die Positionen derart weit auseinanderliegen dürften, dass ohnehin keine einvernehmliche Empfehlung zustande kommen wird. Aber so entsteht wenigstens auch kein zusätzlicher Schaden.
Von: Dr. Moritz Kraemer, Chefvolkswirt und Leiter Research
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1.5 MB | 19.09.2025
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