14.11.2025
Postkarte aus Belém
Der Klimagipfel muss dringend Fortschritte erzielen.
Kraemers Klartext
Schon heute nehmen die Kosten für klimabedingte Naturkatastrophen kontinuierlich zu und das leider nicht nur linear.
Ich schreibe Ihnen heute aus Brasilien, genauer gesagt vom UN-Weltklimagipfel COP30 in Belém. Ich habe dort morgen das Privileg, beim Finanztag eine Studie vorzustellen, in der meine Co-Autoren und ich analysieren, welche innovativen Kapitalmarktinstrumente sich anbieten, um das ambitionierte Ziel der „Baku-to-Belém-Roadmap“ umzusetzen: Ab 2035 sollen jährlich 1,3 Bio. USD mobilisiert werden, um die Maßnahmen im sogenannten globalen Süden zu finanzieren, die zur Einhaltung der Pariser Klimaziele notwendig sind, die Erderwärmung auf unter 2 °C einzudämmen. Insbesondere für Schwellen- und Entwicklungsländer wird es eine Herausforderung, die notwendigen Finanzmittel bereitzustellen, kämpfen doch viele von ihnen mit großen sozialen Problemen. Zugleich ist aber der größte Zuwachs an Treibhausgasemissionen gerade in diesen Ländern zu erwarten. In den fortgeschrittenen Industrieländern nimmt die Emissionsintensität der Produktion dagegen schon seit mindestens der Jahrtausendwende ab. Und die Zeichen deuten darauf hin, dass auch China – dank des massiven Ausbaus erneuerbarer Energien – den Emissionsgipfel überschritten hat.
Eklatante Zielverfehlung: Paris ist fast schon gefallen
Trotz der durchaus respektablen Erfolge einzelner Länder, die Treibhausgasemissionen einzudämmen, ist die Zielverfehlung in Summe eklatant. Erinnern wir uns: Vor zehn Jahren einigten sich die Regierungen der Welt, alle Hebel in Bewegung setzen zu wollen, um die Erderwärmung auf unter 2 °C gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen – idealerweise auf 1,5 °C . Vergangenes Jahr war wieder einmal das heißeste jemals gemessene (siehe Abb.1), und erstmals wurde die 1,5 °C-Marke überschritten Derzeit steuern wir nach Schätzungen der Klimaforscher auf 2,7 °C zu.
Abb. 1: Globale Durchschnittstemperaturen, 1980-2024
Abweichung von 1951-1980, in °C
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Nun kommt erschwerend hinzu, dass die Volkswirtschaft mit den zweitgrößten CO2-Emissionen weltweit von einem Präsidenten regiert wird, der den wissenschaftlichen Konsens des menschengemachten Klimawandels schlicht leugnet. Eines der ersten Dekrete Donald Trumps nach seiner Amtseinführung war der erneute Austritt der USA aus dem Pariser Abkommen. Der Klimawandel sei der „größte Betrug der Menschheitsgeschichte“ gab der US-Präsident vor der UN-Vollversammlung zum Besten. Stattdessen gilt das fossile Credo „drill, baby, drill“, und andere Länder – inklusive der EU – nötigt er unter vorgehaltener Zollpistole dazu, mehr fossile Energieträger aus Amerika zu importieren. Ob das dann hinterher auch wirklich geschieht, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Dass die weltweiten ökonomischen Kosten mit einem „Weiter so“ immens wären (siehe Abb. 2), interessiert Trump und seine servile Entourage offenbar so sehr, wie wenn in China der sprichwörtliche Sack Reis umfällt.
Potenzieller Verlust an globaler Wirtschaftskraft bei konstanter Klimapolitik
Abb. 2
Trump: nicht bei der Konferenz, aber allgegenwärtig
Man kann nur darauf hoffen, dass die USA nach Trump sich eines Besseren besinnen und wieder aus dem Lager der Klimaleugner zurückkehren. Ermutigend wirkt etwa, dass der Gouverneur Kaliforniens, Gavin Newsom, nach Belém gereist ist. Er ist einer der Favoriten für die demokratische Präsidentschaftskandidatur 2028. Besorgniserregend ist dagegen, dass Trump diejenigen Länder mit Strafzöllen bedroht, die weiterreichende klimapolitische Maßnahmen beschließen wollen. Dass das nicht bloß Säbelrasseln ist, hat Trump im Oktober bei der Sitzung der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) bewiesen. Deren 176 Mitgliedstaaten hatten im April CO2-Steuern für die Schifffahrt beschlossen. Das war das Ergebnis von fast zehn Jahren zäher Verhandlungen. Trump drohte kleineren Ländern mit Zöllen und Visaentzug, sollten sie den „grünen Schwindel“ ratifizieren, und versenkte damit den Verhandlungserfolg.
Das darf sich in Belém auf keinen Fall wiederholen. Zu viel steht auf dem Spiel. Denn letzten Endes ist Klimaschutz immer Menschenschutz. Dem Klima selbst ist es gleich, wie warm oder kalt es ist. Schon heute nehmen die Kosten für klimabedingte Naturkatastrophen kontinuierlich zu und das leider nicht nur linear (siehe Abb. 3).
Abb. 3: Ökonomische Schäden infolge von Naturkatastrophen
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Hinzu kommen unzählige menschliche Tragödien . Jüngsten Schätzungen zufolge stirbt im Durchschnitt jede Minute ein Mensch auf der Erde an den Folgen des Klimawandels. Wenn die Staatengemeinschaft nicht gegensteuert, wird dieser „ Kill Score “ weiter steigen. Aber auch politische Krisen entstehen häufig aus Klimafolgeschäden. Ein vielleicht überraschendes Beispiel: Der eskalierende Bürgerkrieg in Syrien und die daraus resultierende Flüchtlingskrise lassen sich nicht zuletzt auf mehrere Dürrejahre, mithin Klimawandelfolgen, zurückführen. Dass Assad ein ruchloser Diktator war, wusste die syrische Bevölkerung schon vorher. Was das Fass zum Überlaufen brachte, war eine Hungersnot. Belém darf auch deshalb nicht scheitern.
Von: Dr. Moritz Kraemer, Chefvolkswirt und Leiter Research
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1.3 MB | 14.11.2025
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