31.10.2025
Maggie zum Hundertsten!
Das vielschichtige Erbe der Eisernen Lady Margaret Thatcher.
 
				 
				Kraemers Klartext
 
					Maggies 100. Geburtstag ist ein guter Anlass, um über die Gründe und Konsequenzen des Verlusts der politischen Mitte zu reflektieren.
Es gibt wahrscheinlich keine politische Gestalt, die ihr Land dermaßen umgekrempelt hat wie Margret Thatcher Großbritannien als Premierministerin zwischen 1979 bis zu ihrem erzwungenen Rücktritt 1990. Und wenige waren umstrittener – auch wenn gerade ein US-Präsident in der Kategorie „kontrovers“ alle Konkurrenten meilenweit hinter sich lässt. Diesen Monat wäre die Eiserne Lady 100 Jahre geworden. Ihre Spuren sind geblieben.
Ein Land in der Agonie
Großbritannien war in den Siebzigerjahren ein Land in rasantem Niedergang: Inflation, Arbeitslosigkeit, Streiks, Blackouts und eine demütigende Rettung durch den Internationalen Währungsfonds. Die Mehrheit der beiden großen Parteien, der konservativen Tories und der Arbeiterpartei Labour, unterstützte den Nachkriegskonsens: Dessen Ziel waren Vollbeschäftigung und Einbeziehung der Gewerkschaften in Regierungsentscheidungen. Strategische Unternehmen sollten im Staatsbesitz verbleiben, egal wie defizitär sie operierten. Und wenn die Vollbeschäftigung gefährdet war, butterte der Staat rein.
Die Siebzigerjahre: Not so Great Britain
Nach dem Ölpreisschock 1973 geriet die Inflation immer mehr außer Kontrolle. Die konservative Regierung unter Premierminister Edward Heath versuchte mit einer Lohndeckelung gegenzusteuern. Die Gewerkschaften streikten. Heath gab nach. Die daraus entstehende Revolte der konservativen Abgeordneten brachte Thatcher 1975 an die Spitze der Partei und 1979 in die Downing Street. Die erste Frau im höchsten Regierungsamt! Und auch sozial eine Außenseiterin in der Partei der Elite: Sie war die Tochter eines Gemüsehändlers aus der nordenglischen Provinz. Kein Stallgeruch von Eton, aber ein eiserner Wille.
Die Thatcher-Revolution
Die eiserne Lady räumte beherzt auf. Um die Inflation zu bekämpfen, erhöhte sie die Zinsen. Ja, Sie haben richtig gelesen: Die Bank of England wurde erst 1997 unter Tony Blair unabhängig. Privatisierungen und Etatkürzungen folgten – insbesondere auch bei Sozialausgaben. Und den streikenden Kohlekumpels gab Thatcher – anders als ihr Parteikollege Heath 1974 – nicht nach. Die Gewerkschaften kapitulierten. Die Inflation wurde besiegt (siehe Abb. 1), aber die Arbeitslosigkeit stieg auf 13 %. Dass das Thatcher nicht das politische Genick brach, verdankt sie Argentinien: Das besetzte 1982 die Falklandinseln. Deren Rückeroberung trat eine patriotische Welle los, die Thatcher 1983 zur Wiederwahl trug. Ich erinnere mich gut an das allgegenwärtige Union-Jack-Gewedel: Ich war damals Gastschüler in Wolverhampton, einer maroden Industriestadt in den Midlands.
Abb. 1: Inflationsrate in Großbritannien
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Die dunkle Seite des Erbes
Thatcher hat die Wirtschaft aufgemöbelt. Sie hat aber auch die Natur des angloamerikanischen Konservatismus für immer verändert. Zuvor standen die Tories für Tradition und stabile Institutionen. Dann kam Thatcher mit ihrem revolutionären Eifer und konstatierte, „es gibt keine Gesellschaft, nur Individuen“. Die alten Tugenden der Konservativen – Ausgleich und vorsichtige, schrittweise Veränderung – opferte sie auf dem Altar radikaler Disruption. So, wie die Revolution bisweilen ihre Kinder frisst, wurde auch Thatcher 1990 von ihren eigenen Abgeordneten aus dem Amt gedrängt. Ihre Radikalität ging der Partei irgendwann über die Hutschnur.
Aber die Saat war gelegt. Die traditionellen Tories konnten sich nicht mehr gegen die radikalen Revoluzzer durchsetzen. So fiel die Partei in die Hände der Brexiteers, obwohl die Konservativen traditionell proeuropäisch waren. Der Tory Heath hatte das Land nach Europa geführt. Thatcher befeuerte nach ihrer Demission den antieuropäischen Kurs von der Seitenlinie. Ihre politischen Erben bezichtigten proeuropäische Parteigenossen des Verrats oder der Sabotage. Absolutismus statt Ausgleich.
Abb. 2: Wählerumfrage Großbritannien
September 2025
Den Brexit hätte es ohne Thatcher vermutlich nicht gegeben. Aber geholfen hat er der Partei nicht. Und der britischen Wirtschaft schon gar nicht. Nach einer Reihe glückloser Premiermi-nisterinnen und -minister besiegte Labour die Tories erdrutschartig. Und ausgerechnet die Rechtsaußen-Partei Reform UK vom Brexit-Protagonisten Nigel Farage gräbt den Konservativen nun das Wasser und die Wähler ab (siehe Abb. 2). Kurzfristig hat Thatcher die Wirtschaft gerettet. Langfristig aber hat sie die gesellschaftlichen Gräben vertieft. Doch an das Konzept „Gesellschaft“ glaubte sie ja ohnehin nicht. So oder so: Wir sehen analoge Tendenzen in den USA, wo Ronald Reagan die Rolle Thatchers spielte. Maggies 100. Geburtstag ist ein guter Anlass, um über die Gründe und Konsequenzen des Verlusts der politischen Mitte zu reflektieren. Bitte auch hierzulande!
Von: Dr. Moritz Kraemer, Chefvolkswirt und Leiter Research
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