02.10.2025

Die Kosten des Wegschauens steigen

Es ist nicht gut bestellt um Europas Umwelt.

Überschwemmung Flut Klimawandel Auto
Überschwemmung Flut Klimawandel Auto

Kraemers Klartext

Chefvolkswirt Dr. Moritz Kraemer

Kein Kontinent erwärmt sich so rasch wie Europa

Dr. Moritz Kraemer, Chefvolkswirt und Leiter Research

Die multiplen geopolitischen Krisen, die beklagenswerte Wirtschaftslage, Migrationsentwicklungen sowie die Nachwehen von Pandemie und Inflationsschock lassen den Klima- und Umweltschutz in den Hintergrund geraten. Und das trifft keineswegs nur auf die USA zu, auch wenn sich dort der Klimawandelskeptizismus in besonders brachialer Weise Bahn bricht.

In Deutschland kaum mehr Interesse an Klimapolitik

Auch hierzulande verlieren Wählerinnen und Wähler das Interesse. Nach der „Klimawahl“ 2021 war der Themenkomplex Umwelt und Klima beim Urnengang Anfang des Jahres nur noch zweitrangig. Nur jeder Vierte sah im Klimawandel eines der Top-Drei-Themen für die Wahlentscheidung. Vor allem Anhänger von AfD, BSW und FDP hielten Klimapolitik für irrelevant.

Besonders überrascht hat mich eine internationale Befragung des Meinungsforschungsinstitutes Ipsos vom April: So finden aktuell nur noch 41 % der Bundesbürger, Deutschland solle sich mehr gegen den Klimawandel engagieren. Damit liegt die Bundesrepublik auf dem letzten Platz aller 32 befragten Länder (globaler Durchschnitt: 62 %)! Vor zwei Jahren zeigten sich die Deutschen mit 55 % Zustimmung noch deutlich enthusiastischer.

Mit der Haltung scheint auch das Faktenwissen zu erodieren. 59 % aller Deutschen glauben zu wissen, dass der Umstieg auf erneuerbare Energien zu höheren Energiepreisen führt – so viele wie in keinem anderen Land. Und jeder zweite Bundesbürger ist der Meinung, dass Elektroautos genauso schlecht für die Umwelt sind wie konventionelle Fahrzeuge. Auch hier ist der Anteil der Skeptiker in Deutschland so hoch wie in keinem anderen Land mit Ausnahme von Frankreich und Polen. Zudem sehen immer mehr Menschen einen Zielkonflikt zwischen Energie- und Verkehrswende einerseits und der wirtschaftlichen Entwicklung andererseits (siehe Abb. 1).

Abb. 1: Rückhalt für Transformation sinkt

(„Schädlich für Wirtschaft und Wohlstand?“: % der Antworten „stimme eher/ voll und ganz zu“)

Auch die Politik verliert das Interesse. Nicht nur die neue Bundesregierung zeigt sich bei Fragen des Klimas frappierend ideen- und ambitionslos. Brüssel war im vergangenen Monat nicht in der Lage, der UN für den Klimagipfel im November klare Ziele für die Emissionsminderung mitzuteilen. Im Jahr 2035 will die EU verglichen mit 1990 zwischen 66,25 % und 72,5 % weniger Treibhausgase emittieren, schrieb die Kommission an das UNFCCC. Ungenau und präzise zugleich!

Klima- und Naturschutz ist kein „Nice-to-have“

Da kommt der Anfang der Woche von der Europäischen Umweltagentur veröffentlichte umfangreiche Bericht zum Zustand der Umwelt in Europa gerade recht, um uns an ein paar Fakten zu erinnern. Die Umweltagentur berichtet zwar brav, dass es auch Erfolge gebe wie etwa die Verringerung des CO2-Ausstoßes in Europa und Fortschritte bei der Luftqualität. Aber die dazugehörige Presseerklärung redet nicht um den heißen Brei herum: „Der Zustand der Umwelt in Europa ist nicht gut“, heißt es da. Die Behörde beklagt vor allem die Verschlechterung der Bodenqualität, die Übernutzung durch intensive Landwirtschaft sowie eine schrumpfende Biodiversität.

Aber auch ökonomische Folgekosten. Extremwetterereignisse verursachten zwischen 2020 und 2023 in der EU jährliche Schäden in Höhe von 44 Mrd. EUR, fast so viel wie in den gesamten drei Jahrzehnten zuvor (siehe Abb. 2). Weniger als die Hälfte der Schäden waren versichert. Immer mehr werden unversicherbar. So liegen 15 % aller industriellen Produktionsstätten Europas in überflutungsgefährdeten Gebieten. Daten des Rückversicherers MunichRe demonstrieren den weltweit rasanten Anstieg

Abb. 2: Jährliche Kosten von Naturkatastrophen in der EU

Mrd. EUR; Preise von 2023

Ein Bericht im Frühsommer von OECD und dem UN-Entwicklungsprogramm UNDP kam zum Schluss, dass der Klimawandel bei fehlendem Gegensteuern bis 2050 das globale BIP um 2,9 % sinken lassen würde. Bis 2100 sogar um sage und schreibe 13 %. Ein intaktes Öko- und Klimasystem ist also ein wichtiger Produktionsfaktor. Nachlassende Anstrengungen beim Klima- und Naturschutz kosten unsere Kinder und Enkel Wohlstand. Und auch uns schon ein wenig.

Abb. 3: Globale Schäden durch Naturkatastrophen

Mrd. USD, inflationsbereinigt, Durchschnittswerte

Aus der Herausforderung eine Chance machen

Kein Kontinent erwärmt sich so rasch wie Europa. Das ist ein Grund mehr, die Herausforderung als Chance zu begreifen. Denn Klima- und Umwelttechnologien werden in den kommenden Jahrzehnten eine globale Wachstumsbranche sein. Das werden auch die wissenschaftsfeindlichen Klimaleugner nicht verhindern können. Wer in der Klimatechnologie die Lösungen hat, wird reüssieren. Deshalb sollte die EU auch keine Klimakehrtwende machen. Der Horizont liegt vor uns, nicht hinter uns.

Von: Dr. Moritz Kraemer, Chefvolkswirt und Leiter Research

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