05.09.2025

Zehn Jahre nach „Wir schaffen das!“

Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingsströme aus Syrien vor fast genau einem Jahrzehnt fiel ein Zitat, das bis heute widerhallt.

Flüchtlinge Personen mit Gepäck zu Fuß In einer Reihe
Flüchtlinge Personen mit Gepäck zu Fuß In einer Reihe

Kraemers Klartext

Chefvolkswirt Dr. Moritz Kraemer

Vor allem die Integration von Zugewanderten läuft bei uns im Vergleich zu anderen europäischen Ländern nicht gut.

Dr. Moritz Kraemer, Chefvolkswirt und Leiter Research

Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingsströme aus Syrien vor fast genau einem Jahrzehnt fiel ein Zitat, das bis heute widerhallt. Bei der traditionellen Sommerpressekonferenz sprach die damalige Kanzlerin Angela Merkel ihre berühmten – andere würden sagen: berüchtigten – Worte: „Wir schaffen das!“ Damit verlieh sie der damals ausgeprägten Willkommenskultur Ausdruck. Und sie vermittelte Zuversicht und eine zupackende Haltung – Dinge, die heute in der Politik so nicht mehr wahrzunehmen sind.

Integration in den Arbeitsmarkt – es geht voran

Nun ist es Zeit für eine Bilanz. Inwieweit haben wir „es“ tatsächlich geschafft? Was war mit dem „das“ in „Wir schaffen das!“ überhaupt gemeint? Und wie misst man den Erfolgsgrad? Ich versuche es einmal mit Statistiken zur Integration Zugewanderter in den Arbeitsmarkt und unsere Bildungssysteme.

War Merkels Optimismus berechtigt?

Zunächst die guten Nachrichten. Knapp zwei Drittel der 2015 zugezogenen Schutzsuchenden gehen heute einer bezahlten abhängigen Beschäftigung nach (siehe Abbildung 1). Dazu kommen noch etwa fünf Prozent, die sich selbstständig gemacht haben. Sogar die niedrige Beschäftigtenquote von Frauen, die 2015 zu uns kamen, steigt beständig und lag vergangenes Jahr bei immerhin 35 % – doppelt so hoch wie noch im Jahr 2021.

Abb. 1: Beschäftigungsquoten der 2015 zugezogenen Schutzsuchenden

in %

Mit zunehmender Aufenthaltsdauer sind auch die Verdienste der 2015 zugezogenen Geflüchteten deutlich gestiegen. Die Vollzeitbeschäftigten unter ihnen erreichten acht Jahre nach ihrer Ankunft 70 % der mittleren Verdienste aller Vollzeitbeschäftigten in Deutschland. Damit lagen sie knapp über der Niedriglohnschwelle von 66 Prozent. Allerdings sind viele Geflüchtete noch jung und stehen erst am Anfang ihrer Erwerbsbiografie.

Aber anders als in anderen europäischen Ländern läuft die Integration von Zugewanderten bei uns nicht gut (siehe Abbildung 2). Im vergangenen Jahr lag die Differenz der Beschäftigungsquoten zwischen deutschen Staatsbürgern und denjenigen mit einem Pass aus einem Nicht-EU-Staat bei 21 Prozentpunkten. Das ist fast doppelt so hoch wie in der EU insgesamt. Da geht noch was. Wir müssen die Gründe für die große Lücke beherzter angehen. Häufig liegen sie in bürokratischen Prozessen, nicht anerkannten Abschlüssen oder Sprachbarrieren. Aber Dänisch ist auch nicht einfacher, und trotzdem scheint die Integration in Dänemark besser zu gelingen.

Abb. 2: Beschäftigungsquoten (Prozentpunkte)

Differenz zwischen jeweiligen Staatsbürgern und nicht-EU Ausländern

Integration ins Bildungssystem – Versetzung gefährdet!

Mangelnde Deutschkenntnisse führen offenbar auch dazu, dass Kinder mit Einwanderungsgeschichte in Deutschland im internationalen Vergleich besonders schwache schulische Leistungen erbringen. Seit Beginn der Flüchtlingskrise 2015 ist der Trend klar negativ. Dabei zahlt sich bei der Bildung anzusetzen und den Schwächsten eine Starthilfe zu geben, aller Erfahrung nach über Jahrzehnte hinweg aus. Für beide Seiten! Wenn Kinder und Jugendliche hingegen nicht an Bildung teilhaben können, wächst die Gefahr des Abgleitens in Parallelgesellschaften, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt bedrohen.

Integration ist kein Almosen

Die demografische Entwicklung Deutschlands ist außerordentlich besorgniserregend. In den kommenden Jahren wird die Wohnbevölkerung im erwerbsfähigen Alter jährlich um etwa ein Prozent zurückgehen. Ob wir es wollen oder nicht: Um die Wirtschaftsleistung Deutschlands auch nur konstant zu halten, benötigen wir Migration und müssen Zugezogene integrieren. Die hiesige durchschnittliche Geburtenrate pro Frau lag seit Mitte der 1970er Jahre unter 1,5. Ohne Zuwanderung würde die Bevölkerung jede Generation um ein Viertel schrumpfen. Vor dem Hintergrund des demografischen Niedergangs erscheint es mir extrem lebensfern, wenn etwa die AfD, statt auf bessere Integration zu setzen, millionenfache „Remigration“ fordert.

Deutschland braucht Immigration und Integration

Die Zeiten, als wir uns die Zuwanderer aussuchen konnten, sind ohnehin vorbei – falls es sie jemals gab. Von diesem hohen Ross muss noch so mancher herabsteigen. Im vergangenen Jahr zogen erstmals mehr EU-Bürger aus Deutschland weg als zu uns kamen (siehe Abbildung 3). Und bei einer jährlichen Umfrage unter zumeist hochqualifizierten Expats liegt Deutschland auf, jetzt festhalten, Platz 50 von 53. Bei Freundlichkeit und Willkommen schmieren wir besonders ab.

Abb. 3: Nettozuwanderung aus anderen EU-Ländern

Tausend

Es wird Zeit anzuerkennen, dass wir Einwanderer mehr brauchen als sie uns. Und dass wir nicht ausgerechnet diejenigen Migranten mit Abschiebung bedrohen sollten, die hier bereits arbeiten oder studieren, die zur Gesellschaft beitragen und ihr nicht zur Last fallen. Eigentore zählen auch! Und das nicht nur beim Fußball.

Von: Dr. Moritz Kraemer, Chefvolkswirt und Leiter Research

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