25.07.2025

Hito Steyerl im MAK

Die Sammlung LBBW ist Leihgeberin für die Einzelausstellung der international renommierten Künstlerin im Museum für Angewandte Kunst in Wien.

Hito Steyerl im MAK
Hito Steyerl im MAK

Bis zum 11. Januar 2026 ehrt das MAK in Wien mit zwei raumgreifenden multimedialen Installationen das Schaffen der deutsch-japanischen Filmemacherin und Künstlerin Hito Steyerl. Bekannt wurde Steyerl mit Dokumentar- und Episodenfilmen, in welchen sie sich mit politischer Deutungshoheit und interessengeleiteter Wahrheitsproduktion auseinandersetzt. Desgleichen beschäftigt sie sich mit der Frage nach dem Status des historischen Dokuments in Bildern und sprachlichen Äußerungen. Somit findet in den Werken Steyerls parallel zur inhaltlichen Ebene wiederholt auch eine kritische, formale Überprüfung der Verbindlichkeit von Bildern aber auch von sprachlichen Zeugnissen statt.

In ihren Multimediainstallationen, mit welchen sie nunmehr die Verwobenheit von politischen Konflikten und gegenwärtigen technologischen Entwicklungen thematisiert, bleibt sie ihrem Ansatz des ‚kritischen Dokumentarismus‘ treu: Durch die Montage von Film- und animierten Videosequenzen sowie der Einbettung von Text in Form von Bildelementen, Kommentar- oder Dialogzeilen.

Hito Steyerl im MAK

Hito Steyerl: Hell Yeah We Fuck Die, 2016.

Hito Steyerl: Hell Yeah We Fuck Die, 2016

Hito Steyerl: Hell Yeah We Fuck Die, 2016. Videoinstallation, Ausstellungsansicht MAK, Leihgabe Sammlung LBBW, ©Hito Steyerl, VG Bild-Kunst, Bonn 2025. Foto: ©kunst-dokumentation.com/MAK

Die Schau im MAK zeigt neben der Leihgabe der Sammlung LBBW mit dem Titel „Hell Yeah We Fuck Die“ (2016) das in diesem Jahr fertiggestellte Werk „Mechanical Kurds“ (2025). Beide Videoinstallationen nehmen Bezug auf den politischen Konflikt über die Gleichberechtigung der kurdischen Gemeinden in den Staatsgebieten der Türkei, von Syrien und dem Irak. Dabei verschränkt „Hell Yeah We Fuck Die“ de facto zwei Videoarbeiten innerhalb eines modular aufgebauten Stangenparcours, in den unterschiedliche Würfelelemente aus Leuchtbuchstaben, die die einzelnen Worte des Werktitels wiedergeben, eingebettet sind. Es sind die, laut dem amerikanischen Musikmagazin „Billboard“, meist verwendeten Worte in den englischsprachigen Musikcharts der 2010er Jahre.

Hito Steyerl im MAK

Hito Steyerl: Hell Yeah We Fuck Die, 2016.

Hito Steyerl: Hell Yeah We Fuck Die, 2016. Videostill, Detail

Hito Steyerl: Hell Yeah We Fuck Die, 2016. Videostill, Detail, Leihgabe Sammlung LBBW. ©Hito Steyerl, VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Das gleichnamige Video „Hell Yeah We Fuck Die“ dokumentiert wiederum Labortests mit Robotern, die darauf trainiert werden, Menschen aus Katastrophengebieten zu retten. Das zweite Video „Robots Today“ ist eine Montage aus Filmsequenzen aus den kurdischen Gebieten im Südosten der Türkei, aus Diyarbakir und der Stadt Cizre, die inzwischen einer Geisterstadt gleicht. Wir erfahren im weiteren Filmverlauf: Es ist die Geburtsstadt des arabischen Autors und Ingenieurs al-Dschazari, der im Jahr 1205 ein Werk über sinnreiche mechanische Vorrichtungen des Maschinenbaus verfasste und bis heute als wichtigste Quelle zum hohen Standard der technischen Erfindungen des Mittelalters im arabischen Raum gilt. Die Videobilder aus der zerstörten Stadt sind mit Untertiteln und einer Tonspur hinterlegt, die u. a. einen Dialog mit der digitalen Sprachassistenz Siri über den Einsatz von Computern im Krieg wiedergeben.

Hito Steyerl im MAK

Hito Steyerl: Hell Yeah We Fuck Die, Robots Today, 2016. Videostill, Detail

Hito Steyerl: Hell Yeah We Fuck Die, Robots Today, 2016.

Hito Steyerl: Hell Yeah We Fuck Die, Robots Today, 2016. Videostill, Detail, Leihgabe Sammlung LBBW. ©Hito Steyerl, VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Auch die Videoinstallation „Mechanical Kurds“ ist in ihrer Anlage raumfüllend und verschränkt den Ausstellungsraum mit den filmisch inszenierten Bildräumen des Videos. Zwei Autorikschas stellen den Besuchern Sitzplätze vor einem großen Screen zur Verfügung, der in zwei Quader hineingestellt ist. Die Konstruktion nimmt Bezug auf den CAVE, (Cave Automatic Virtual Environment), also einen Raum zur Projektion einer dreidimensionalen Illusionswelt der virtuellen Realität. Einzelne Sequenzen des Videos geben nun genau diese fiktionale, virtuelle Welt wieder. Einer ihrer Schauplätze zeigt ein Flüchtlingslager, das eine Besuchergruppe mit Autorikschas durchfährt und von Drohnen angegriffen wird.

Hito Steyerl im MAK

Hito Steyerl: Mechanical Kurds, 2025.

Hito Steyerl: Mechanical Kurds, 2025. Videoinstallation, Detail

Hito Steyerl: Mechanical Kurds, 2025. Videoinstallation, Detail, Courtesy Hito Steyerl, Andrew Kreps Gallery, New York, Esther Schipper, Berlin/Paris/Seoul. ©Hito Steyerl, VG Bild-Kunst, Bonn 2025. Foto: ©kunst-dokumentation.com/MAK

Ein weiterer inhaltlicher Strang des Videos besteht aus Interviews mit syrischen Flüchtlingen, die in Lagern in den Gebieten der kurdischen Regionalverwaltung im Nordirak gestrandet sind und von globalen Digitalunternehmen rekrutiert wurden. Ihr Job als sogenannte Micro-Worker, so berichten sie, war das Daten-Tagging, um KIs die Identifizierung von Objekten beizubringen. Auch dieses Tagging-Verfahren wird in einer Videosequenz anschaulich. Mittlerweile ist die Lernfähigkeit ziviler und militärisch genutzter KI jedoch so weit fortgeschritten, dass sie sich, ohne menschliche Unterstützung, selbst weiter entwickeln kann.

Hito Steyerl im MAK

Hito Steyerl: Mechanical Kurds, 2025.

Hito Steyerl: Mechanical Kurds, 2025. video installation, exhibition view MAK

Hito Steyerl: Mechanical Kurds, 2025. Videoinstallation, Ausstellungsansicht MAK, Courtesy Hito Steyerl, Andrew Kreps Gallery, New York, Esther Schipper, Berlin/Paris/Seoul. ©Hito Steyerl, VG Bild-Kunst, Bonn 2025. Foto: ©kunst-dokumentation.com/MAK

Der Titel des Werks „Mechanical Kurds“ verweist nun nicht allein auf die Kurdenfrage und die Auswirkungen des syrischen Bürgerkriegs auf die gegenwärtige katastrophale Situation in der Region des ehemaligen Kurdistans. Wie in „Hell Yeah We Fuck Die“ zieht die Künstlerin auch in diesem Werk wiederum einen historischen Bogen, dieses Mal zurück ins 18. Jahrhundert, zum „Schachtürken“ des Wiener Hofbeamten Wolfgang von Kempelen. Der mechanische Schachautomat vermittelte den Eindruck, das Gerät sei in der Lage, selbstständig Schach zu spielen. Tatsächlich war in diesem Kasten ein Mensch mit Kleinwuchs versteckt, der das Gerät bediente.

Hito Steyerl im MAK

Hito Steyerl: Mechanical Kurds, 2025.

Hito Steyerl: Mechanical Kurds, 2025. Videostill, Detail

Hito Steyerl: Mechanical Kurds, 2025. Videostill, Detail, Courtesy Hito Steyerl, Andrew Kreps Gallery, New York, Esther Schipper, Berlin/Paris/Seoul. ©Hito Steyerl, VG Bild-Kunst, Bonn 2025

In ihrer Gesamtheit umspannt die Einzelausstellung von Hito Steyerl somit einen zeitlichen Horizont vom 13. Jahrhundert in die Gegenwart. Sie streift dabei nicht nur den Wissensdrang in der Erfindung technischer Geräte und Automaten. Sie zeigt nicht nur die teilweise irrwitzigen Implikationen technologischer Hochrüstung. Sie bebildert auch eindrücklich eine prekäre Gegenwart, die unter dem Einfluss von KI vielleicht bald nicht mehr zwischen Fakten, Fake und Fiction unterscheiden kann. Insofern wird auch der von Steyerl gewählte Titel der Schau „Der Menschheit ist die Kugel bei einem Ohr hinein und beim anderen herausgeflogen“, ein Zitat von Karl Kraus, verständlich.

Hito Steyerl im MAK

Hito Steyerl: Mechanical Kurds, 2025.

Hito Steyerl: Mechanical Kurds, 2025. Videostill

Hito Steyerl: Mechanical Kurds, 2025. Videostill, Detail, Courtesy Hito Steyerl, Andrew Kreps Gallery, New York, Esther Schipper, Berlin/Paris/Seoul. ©Hito Steyerl, VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Hito Steyerl: Der Menschheit ist die Kugel bei einem Ohr hinein und beim anderen herausgeflogen
MAK Contemporary, MAK Wien
25. Juni 2025 – 11. Januar 2026

Abb. oben, Hito Steyerl: Hell Yeah We Fuck Die, 2025. Videostill, Detail, Leihgabe Sammlung LBBW. ©Hito Steyerl, VG Bild-Kunst, Bonn 2025

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