11.07.2025
Des Zolldramas nächster Akt steht an
Nachdem Donald Trump seine "One Big Beautiful Bill" erfolgreich durch den Kongress gebracht hat, läutet er nun den nächsten Akt im Zolldrama ein.


Kraemers Klartext

Die Saat von Trumps „Divide et Impera“-Politik scheint leider aufzugehen.
Vergangene Woche haben sich die USA mit der Verabschiedung von Donald Trumps „One Big Beautiful Bill Act“ selbst in den Fuß geschossen. Sollten Investoren nun beginnen, ernsthaft an der Nachhaltigkeit der ausufernden US-Staatsschulden zu zweifeln (siehe Abb. 1), wären die Folgen völlig unabsehbar.
Abb. 1: Staatsschulden USA
% des BIP
⬤ {series.name}: {point.y}
Angestachelt durch seinen legislativen Erfolg schaltet Trump nun bei seiner aggressiven Zollpolitik noch einen Gang höher. Schließlich endete am Mittwoch ja der 90-tägige Aufschub der (fälschlich so bezeichneten) „reziproken“ Zölle, mit denen er Anfang April die Märkte in Aufruhr versetzt hatte. Damit schießen sich die USA auch noch in den zweiten Fuß. Die US-Wirtschaft könnte als Folge der Zölle um bis zu 0,8 % langsamer wachsen.
Die Zollhängepartie wird weitergehen
Es war von vorneherein illusorisch zu glauben, man könne in 90 Tagen ein umfassendes Handelsabkommen verhandeln. Und das mit Dutzenden von Handelspartnern gleichzeitig. So etwas dauert üblicherweise Jahre. Natürlich liegen diese Woche entsprechend auch keine tragfähigen Verträge vor. Darüber kann auch Trump nicht hinwegtäuschen, auch wenn er unweigerlich von „historischen“ Ergebnissen spricht. Unter Superlativen macht er’s halt nicht. Tatsächlich werden auch die Vereinbarungen am 1. August, der neuen Deadline, nur Stückwerk sein können. Sie beschreiben lediglich prinzipielle Ambitionen.
Die US-Handelspolitik erinnert mich immer mehr an die TikTok-Saga der Vereinigten Staaten: Nach kernigen Sprüchen und Abschaltdrohungen verlängert Washington seit fünf Jahren die Frist für den chinesischen Online-Dienst wieder und wieder, potenziell bis zum St. Nimmerleinstag. Trump ist offenbar nicht an echten Lösungen interessiert, sondern an Nachrichten zu blitzschnellen Erfolgen sowie an der Möglichkeit, Macht auszuüben und andere in Angst und Schrecken versetzen zu können.
Ganz gleich, wo sich die US-Zollsätze final einpendeln werden, sie werden ziemlich sicher eine Höhe erreichen, wie sie kaum ein heute lebender Mensch je bewusst erlebt hat (siehe Abb. 2). Und machen wir uns nichts vor: Selbst, wenn es eine vordergründig belastbare Lösung im Handelskonflikt gäbe, würde Trump sich nicht daranhalten, wenn sich nicht die erwünschten Ergebnisse einstellen. Er würde vielmehr erneut einseitig die Spielregeln ändern. Und genau dieser Mangel an Verlässlichkeit ist das Kernproblem für Unternehmen, die Entscheidungen über Lieferketten und Produktionsstandorte zu treffen haben.
Abb. 2: Durchschnittlicher Zollsatz auf US-Importe
in %
⬤ {series.name}: {point.y}
Europa darf sich nicht spalten lassen
Die beste Lösung wäre gewesen, wenn alle Staaten der Welt sich erst gar nicht auf Verhandlungen mit dem Rumpelstilzchen im Weißen Haus eingelassen hätten. Natürlich hätte das wirtschaftliche Einbußen bedeutet. Aber nirgendwo wären die Folgekosten so groß gewesen wie in den USA selbst. Denn während wir einen Handelskonflikt mit nur einem, wenn auch gewichtigen Land, haben, liegt sich Washington mit dem gesamten Rest der Welt in den Haaren. Und hätte der Rest der Welt zusammengehalten und nach Karl Valentins Devise agiert („Des ignoriern ma net amoi!“), hätten die USA einknicken müssen und Trump wäre als selbstverliebter Angeber entlarvt worden.
Stattdessen fällt es selbst der EU schwer, geeint aufzutreten. Deutschland und Italien, als besonders exportabhängige Nationen, dringen auf weitgehende Zugeständnisse gegenüber Washington, während etwa Paris, Madrid und Kopenhagen vor einem Ausverkauf europäischer Interessen warnen. Die Saat von Trumps „Divide et Impera“-Politik scheint leider aufzugehen.
Von: Dr. Moritz Kraemer, Chefvolkswirt und Leiter Research
Download Klartext
-
305.9 KB | 11.07.2025
Diese Publikation richtet sich ausschließlich an Empfänger in der EU, Schweiz und in Liechtenstein. Diese Publikation wird von der LBBW nicht an Personen in den USA vertrieben und die LBBW beab- sichtigt nicht, Personen in den USA anzusprechen. Aufsichtsbehörden der LBBW: Europäische Zentralbank (EZB), Sonnemannstraße 22, 60314 Frankfurt am Main und Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Graurheindorfer Str. 108, 53117 Bonn / Marie-Curie-Str. 24-28, 60439 Frankfurt. Diese Publikation beruht auf von uns nicht überprüfbaren, allgemein zugänglichen Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit und Vollständigkeit wir jedoch keine Gewähr übernehmen kön- nen. Sie gibt unsere unverbindliche Auffassung über den Markt und die Produkte zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses wieder, ungeachtet etwaiger Eigenbestände in diesen Produkten. Diese Publika- tion ersetzt nicht die persönliche Beratung. Sie dient nur Informationszwecken und gilt nicht als Angebot oder Aufforderung zum Kauf oder Verkauf. Für weitere zeitnähere Informationen über konkrete Anlage- möglichkeiten und zum Zwecke einer individuellen Anlageberatung wenden Sie sich bitte an Ihren An- lageberater. Wir behalten uns vor, unsere hier geäußerte Meinung jederzeit und ohne Vorankündigung zu ändern. Wir behalten uns des Weiteren vor, ohne weitere Vorankündigung Aktualisierungen die- ser Information nicht vorzunehmen oder völlig einzustellen. Die in dieser Ausarbeitung abgebildeten oder beschriebenen früheren Wertentwicklungen, Simulatio- nen oder Prognosen stellen keinen verlässlichen Indikator für die künftige Wertentwicklung dar. Die Entgegennahme von Research Dienstleistungen durch ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen kann aufsichtsrechtlich als Zuwendung qualifiziert werden. In diesen Fällen geht die LBBW davon aus, dass die Zuwendung dazu bestimmt ist, die Qualität der jeweiligen Dienstleistung für den Kunden des Zuwendungsempfängers zu verbessern.