- Prognose zur Inflation im Jahresdurchschnitt 2022: Deutschland bei 2,6 Prozent, Euroraum bei 2,4 Prozent
- BIP-Prognose 2022 für Deutschland bei plus 5,0 Prozent, für den Euroraum bei plus 5,1 Prozent
- EZB-Einlagesatz Ende 2022 weiter bei minus 0,5 Prozent
- DAX schließt Ende 2022 bei 16.500 Punkten: ein kleines Plus
- Rohölpreis im kommenden Jahr unter Druck in Richtung 75 US-Dollar
Für das Jahr 3 nach dem Ausbruch des Corona-Virus rechnet das LBBW Research mit einer kräftigen Erholung der Weltwirtschaft. „In Deutschland und im Euroraum werden wir 2022 rund 5 Prozent durchschnittlichen Zuwachs der Wirtschaftsleistung sehen“, sagt Chefvolkswirt Moritz Kraemer voraus. „Dabei steht das dicke Plus nicht für eine blühende Landschaft. Vielmehr schlägt sich dort rein rechnerisch eine starke Erholung nieder, die zu einem großen Teil bereits im zu Ende gehenden Jahr 2021 abgelaufen ist.“ Bei alldem leidet die Wirtschaft im Euroraum weiter unter Materialmangel, hoher Inflation und steigenden Inzidenzzahlen.
Im kommenden Jahr sollte die Welt die schlimmsten wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen der Coronakrise hinter sich lassen, erwarten die Analysten der Landesbank. Obwohl manche Folgen noch jahrzehntelang zu spüren sein dürften, sollten nun vermehrt langfristige strategische Überlegungen in den Fokus rücken. In einem Punkt herrsche unter den Beteiligten dabei Einmütigkeit, urteilen die Experten: Zukunftsstrategien müssen nachhaltig sein! Umstritten sei bei alledem, was genau dies bedeutet.Wenig nachhaltig wurde die gesamtwirtschaftliche Nachfrage im zurückliegenden Jahr in vielen Ländern massiv von einer stützenden Wirtschaftspolitik getragen. Was im Zeichen der Pandemie unausweichlich war, ging auf Kosten eines immensen Preisdrucks und einer höheren Staatsverschuldung. Die Bedeutung von Corona-Sonderprogrammen zur Wirtschaftsbelebung nimmt am aktuellen Rand ab. Im kommenden Jahr sollte demgegenüber eine weltweit starke Nachfrage die Erholung der Weltwirtschaft tragen. Dieser Trend, erwarten die Analysten, mag anhalten; schließlich sorgen ein Digitalisierungsboom und das Thema Klimaschutz noch viele Jahre lang für einen regen Investitionsbedarf. Zugleich dürfte sich der lockdowngeplagte Dienstleistungssektor dank steigender Impfquoten weltweit erholen.
Weitere Notenbanken läuten die Zinswende ein
Nicht nur die steigenden Inzidenzzahlen könnten diese optimistische Erwartung gefährden. Vielmehr laste eine exorbitant ausgeweitete Staatsverschuldung in vielen Ländern ebenso auf der Konjunktur, wie ein zuletzt stark erhöhter Preisdruck. Zwar läuteten im zu Ende gehenden Jahr die ersten Notenbanken die Wende in Richtung höherer Leitzinsen ein. Insgesamt werde das weltweite Zinsniveau aber noch mindestens zwei Jahre auf niedrigem Stand verharren, vermuten die Volkswirte der Landesbank.
Erste Schritte zur Normalisierung des Zinsniveaus unternimmt in diesen Wochen auch die US-Notenbank. Die 2021 in den Vereinigten Staaten wohl erreichten 5,5 Prozent Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts werden dort im kommenden Jahr kaum zu wiederholen sein, sagen die Analysten. Auch für die Weltwirtschaft erwarten sie einen leicht nachlassenden Rückenwind aus den USA. Die Analysten rechnen für die USA und für die Weltwirtschaft insgesamt mit einem Zuwachs der Produktion von 4,5 bzw. 4,6 Prozent. Deutschland, Europa und der Volksrepublik China sagen sie ein Plus von jeweils rund 5 Prozent voraus.
Das leere Regal als Symbol
Für die Grenzen des Wachstums stand 2021, speziell in Großbritannien, vor allem ein Symbol: das leere Regal. Dabei gilt für viele Länder: Produktionsausfälle, coronabedingte Lockdowns, Logistikprobleme und starke Aufholeffekte bei Industrie- und Konsumgütern haben die Schere zwischen Angebot und Nachfrage weit auseinanderklaffen lassen. Die monatliche Umfrage der EU-Kommission zu den Lagerbeständen der Unternehmen in der Union zeigt, dass die Bestände inzwischen überwiegend knapp oder sogar unzureichend sind. Ein großer Teil der aufgelaufenen Aufträge sollte zwar 2022 abgearbeitet werden können, aber der Halbleitermangel wird gemäß Einschätzung der LBBW Researcher noch das gesamte Jahr zu spüren sein.
Die große Unbekannte in allen Prognosen ist die Inflation. Der zuletzt kräftige Preisdruck ist vor allem merklich gestiegenen Energiepreisen geschuldet. Gleichzeitig machen sich Basiseffekte im Vergleich zu coronabedingt niedrigen Vorjahreskennzahlen bemerkbar, da beispielsweise der Rohölpreis mit Ausbruch der Pandemie dramatisch eingebrochen war. In Deutschland kommt noch der Effekt durch das Auslaufen einer temporären Mehrwertsteuer-Senkung zum Tragen. Mittelfristig dürfte uns eine erhöhte Teuerung erhalten bleiben, befürchten die Analysten. Erholt sich die Konjunktur wie erwartet, werde es den Unternehmen leichter fallen, höhere Einstandspreise auf ihre Kunden abzuwälzen. Zudem dürften Löhne und Gehälter wie die Renten nach jahrelanger Zurückhaltung wieder stärker steigen. Die EZB mag sich bei alledem auch 2022 noch nicht aufgefordert fühlen, an der Leitzinsschraube zu drehen, allen Inflationsgefahren zum Trotz.
Inflation ist kein Gift für den Aktienmarkt
An den Aktienbörsen dürften auch im kommenden Jahr die Pluszeichen den Kurszettel dominieren. Zwar sinkt derzeit die Gewinndynamik der Unternehmen, aber ihre Auftragsbücher bleiben prall gefüllt. Auch die Teuerung stellt dabei keinen Hinderungsgrund dar, wie die LBBW Researcher festgestellt haben. „Bewegte sich die Inflationsrate unterhalb beziehungsweise an der Zielmarke der US-Notenbank von 2 Prozent, dann entwickelte sich seit 1950 der US-Aktienmarkt in den folgenden zwölf Monaten ordentlich.“ Erst eine höhere Inflation als derzeit sei Gift für die Performance. Vor dem Hintergrund eines globalen Umfelds von Mini- und Minuszinsen sticht weiterhin das sogenannte TINA-Argument: „There Is No Alternative“ – es gibt so gut wie keine Alternative zu Aktien. Ende 2022 sieht das LBBW Research den DAX bei 16.500 Punkten, den Dow-Jones-Index erwarten sie bei 37.500 Punkten und den EuroStoxx 50 bei 4.400 Zählern. Die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen wird auf 0,0 Prozent taxiert. Zugleich sollte der Euro unter Druck bleiben.
An den Rohstoffmärkten dürfte sich die Rekordjagd nicht mit der zuletzt gesehenen Stärke fortsetzen. Der Preis für ein Fass Rohöl der Nordseesorte Brent sollte bis Ende 2022 auf 75 US-Dollar je Fass nachgeben. Obwohl eine erfreuliche Konjunktur die Nachfrage treiben mag, sollte stärker noch ein erwarteter Angebotsüberschuss die Entwicklung prägen. Zugleich dürften Gold und Silber etwas von ihrem Glanz verlieren, weil die physische Nachfrage von den Erzeugern mehr als erfüllt werden kann. Die Feinunze Gold dürfte bis Ende des kommenden Jahres seitwärts tendieren, die Unze Silber bis auf 20 US-Dollar nachgeben.