„Nachhaltige Produkte sind ein Wettbewerbsvorteil“

Nachhaltigkeit ist für den Naturkosmetikhersteller Weleda wichtigstes Unternehmensziel. Chief Financial Officer Michael Brenner erklärt, warum.

Hand streift durch blühende Lavendelpflanzen

Bei Weleda ist Nachhaltigkeit Ursprung allen unternehmerischen Handelns. Aber wie sieht es insgesamt in der Branche Naturkosmetik und bei den Arzneimitteln aus – wird auch dort Nachhaltigkeit mehr und mehr zum Ziel?

Michael Brenner: Im Bereich Naturkosmetik ist Nachhaltigkeit ein klarer Trend. Die Wachstumsraten in der Naturkosmetik sind deutlich größer als in der konventionellen Kosmetik. „Ethical Living“ ist einer der Megatrends bei den Konsumenten. Darauf müssen alle Wettbewerber reagieren. Wir bei Weleda begrüßen das, weil die Welt dadurch insgesamt nachhaltiger wird.

Was sind die Vorreiterbranchen in Sachen Nachhaltigkeit?

Michael Brenner: In den meisten Ländern wird das Thema Bio zuerst im Lebensmittelbereich aufgegriffen, gefolgt von Kosmetik- und Bekleidungsprodukten. Ich beobachte aber, dass es weniger ganze Branchen sind, die eine Vorreiterrolle übernehmen, als vielmehr einzelne Unternehmen in ganz unterschiedlichen Industrien. Das reicht von Banken über Baufirmen bis hin zu IT-Unternehmen.

Was sind die unternehmerischen Gründe für nachhaltiges Handeln: Geht es dabei vor allem um Ökonomie oder eher um die Erkenntnis, dass ein verantwortungsvoller Umgang mit den Ressourcen generell sinnvoll und daher auch gut fürs Unternehmen ist?

Michael Brenner: Die Gründe sind von Unternehmen zu Unternehmen sehr unterschiedlich. Der Impuls zum wirklich nachhaltigen Wirtschaften kommt in den meisten Fällen vom Unternehmer oder Eigentümer. Weleda hat das Glück, dass die Nachhaltigkeit schon 1921 bei der Gründung eine wichtige Rolle gespielt hat und heute immer noch spielt. Das Thema ist uns also in die Wiege gelegt worden und seither in unseren Genen verankert. Unsere Vision zeigt diese Verpflichtung sehr gut: „Eine Welt, in der Gesundheit und Schönheit von Mensch und Natur immer wieder neu entstehen.“ Verschreibt sich ein Unternehmen dem verantwortungsvollen und damit nachhaltigen wirtschaftlichen Handeln, ist der Profit – so wie er in den Büchern steht – nur eine Komponente des Erfolgs. Einen nachhaltigen Gewinn zu erzielen, ist Grundvoraussetzung, um nachhaltig zu wirtschaften, und nicht mehr. Alleinige Maximierung des Gewinns und nachhaltiges Wirtschaften schließen sich meiner Meinung nach klar aus.

50 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher geben laut LBBW-Studie an, beim Kauf von Produkten darauf zu achten, dass Unternehmen sozial und ökologisch verantwortlich handeln. Wie beurteilen Sie diese Werte und lässt sich eine echte Bereitschaft feststellen, dass die Kunden für diese Produkte auch höhere Preise akzeptieren?

Michael Brenner: Der Trend ist da und er hält an. Inwieweit Kunden wirklich bereit sind, für nachhaltige Produkte mehr zu bezahlen, ist aber umstritten. Für „Bio“ scheint diese Bereitschaft vorhanden zu sein, während beispielsweise für „ethisches Wirtschaften“ bisher in der Praxis noch nicht gezeigt werden konnte, dass der Durchschnittskunde wirklich bereit ist, einen höheren Preis zu bezahlen. Das Anbieten von nachhaltigen Produkten ist aber ein klarer Wettbewerbsvorteil für die Produzenten.

Sind nachhaltige Produkte automatisch teurer?

Michael Brenner: Im Durchschnitt sind nachhaltige Produkte in der Produktion teurer. Zum einen sind durch die in der Regel geringeren Mengen die Losgrößen kleiner – Skaleneffekte fallen also geringer aus, und so ist der Fixkosten-Anteil pro Stück größer. Zum anderen sind die Kosten der Ausgangsstoffe häufig höher, da beispielsweise der Anbau von Pflanzen mittels chemischer Pestizide und Monokulturanbau günstiger ist und die Produzenten für die Bodenverschmutzung und Verringerung der Biodiversität nichts bezahlen müssen. Würde ich alle Kosten betrachten, also auch jene, die durch die negativen Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft anfallen, dann wären nachhaltig produzierte Produkte vermutlich sogar günstiger.

Wie problematisch ist es, dass einige Unternehmen das Label „nachhaltig“ einsetzen, um damit höhere Preise durchzusetzen, ohne dass die Produkte wirklich nachhaltig erzeugt wurden? Vor allem: Wie können Verbraucher hier Sicherheit erlangen?

Michael Brenner: Ich glaube, dass der heutige Konsument sich dieser Gefahr sehr bewusst ist. Ein „Nachhaltigkeits-Label“ alleine löst keine nachhaltige Kaufentscheidung aus. Wichtiger ist, dass der Konsument Vertrauen in die Marke hat und die Unternehmen sich dieses Vertrauen laufend verdienen und authentisch kommunizieren. Will ich als Konsument sicher sein, dass ein Produkt gut ist, stütze ich mich stets auf eine Kombination verschiedener Faktoren: Dabei geht es um das Label, Vertrauen in die Marke, Informationen aus unabhängigen Bewertungsquellen, Firmeninfos, eigene Erfahrungen und Bauchgefühl.

Weleda veröffentlicht im Geschäftsbericht zwar auch das klassische Betriebsergebnis (EBIT). Sie haben mit der Wertschöpfungsrechnung aber auch einen komplexeren Weg zur Messung Ihres wirtschaftlichen Erfolgs eingeschlagen. Warum gehen Sie da weiter?

Michael Brenner: Die Messung des Erfolgs durch das Betriebsergebnis bietet nur eine einseitige und damit sehr eingeschränkte Sicht. Mit der Wertschöpfungsrechnung versuchen wir den Blick etwas zu weiten. Dabei betrachten wir zuerst, welche Wertschöpfung generiert wurde. Diese entspricht vereinfacht gesagt dem Entgelt für unsere verkauften Produkte abzüglich der eingekauften Vorleistungen unserer Lieferanten. In einem zweiten Schritt zeigen wir dann auf, wie wir diese Wertschöpfung verteilen, an unsere Mitarbeiter in Form von Gehältern, an unsere Kapitalgeber in Form von Zinsen und Dividenden, an die Öffentlichkeit in Form von Spenden und Steuern. Und wir sagen, wie viel wir einbehalten, um die Resilienz unserer Firma zu stärken und die Weiterentwicklung von Weleda zu ermöglichen.

Was ist das Besondere am Weleda-Wertschöpfungsverständnis?

Michael Brenner: Wertschöpfung entsteht bei uns hauptsächlich durch die Weiterentwicklung und die Verwandlung von Rohstoffen durch Mitarbeiter und technische Anlagen. Dieses Entwickeln und Produzieren folgt einer Idee. Das Produkt hat nach der Umsetzung der Idee eine höhere Wertigkeit. Durch seine Schaffenskraft hat der Mensch so einen Wert geschöpft. Der Wert entsteht aber nur, wenn jemand das Produkt auch kauft. Wertschöpfung muss also immer auf Wertschätzung treffen!

Sie sprechen in Ihrem jüngsten Nachhaltigkeitsbericht davon, dass Produkte einen „Sinn“ haben müssen. Wie kann man den messen?

Michael Brenner: Der Sinn des Produktes entsteht, wenn ich der Wertschöpfung einen Sinn gebe. Um das zu tun, muss ich in drei Richtungen schauen. Erstens: Wie kann ich den Wert des Produktes für den Kunden erhöhen? Zweitens: Wie kann ich beim Einkauf unserer Rohstoffe mithelfen, unserer Vision ein Stück näher zu kommen? Und drittens muss ich mir die Frage stellen, wie ich möglichst verantwortungsvoll mit der Verteilung der Wertschöpfungsrechnung umgehe. So betrachtet wird der Sinn des Produktes durch die Wertschöpfung zu einer eigentlichen Verantwortungsfrage. Je mehr Verantwortung ich für mein Tun übernehme, desto sinnvoller wird auch das Produkt sein.