29.06.2022

Wie nachhaltig ist der deutsche Mittelstand?

Pressemitteilung | Studie

Bei immer mehr Mittelständlern nimmt das Thema Nachhaltigkeit einen festen Platz auf der Unternehmensagenda ein. Wie die Umfrage „LBBW Mittelstandsradar“ unter mittelständischen Unternehmern zeigt, erkämpft sich das Thema neben der Sorge um steigende Energie- und Rohstoffkosten oder der beschleunigten Digitalisierung seinen festen Platz auf der Prioritätenliste. Einen wichtigen Anteil daran hat die zum Jahreswechsel eingeführte EU-Taxonomie für Großunternehmen und deren Auswirkungen auf deren Zulieferer.

Den Ergebnissen des Mittelstandsradars zufolge sehen rund 40 Prozent der befragten Unternehmen das allgemeine Thema Nachhaltigkeit als zunehmend relevanter werdend an. Weitere 36 Prozent finden es wichtig und 18 Prozent gar substanziell. Lediglich 5 Prozent erachten den Stellwert unverändert als gering.

Unternehmen, die die Vorteile von Sustainable Finance für sich nutzen wollen, haben eine Menge Arbeit vor sich. Dazu gehört eine abgestimmte Geschäftsstrategie ebenso wie die Definition von Prioritäten, konkreten Umsetzungszielen und Messgrößen. „Viele Unternehmen befinden sich aber noch ganz am Anfang des anstehenden Transformationsprozesses und werden somit noch viel Zeit benötigen“, urteilt Mittelstands-Analyst Andreas da Graça.

Gerade ein Viertel der befragten mittelständischen Betriebe hat für Nachhaltigkeitsfragen bereits die personellen Zuständigkeiten festgelegt und entsprechende Prozesse angepasst. Knapp ein Fünftel hat das Thema bislang praktisch nicht strategisch und operativ verankert. Immerhin sei die Festlegung sowie die Kommunikation von Nachhaltigkeitszielen bei fast der Hälfte der Unternehmen (42%) bereits in Planung, sagt der Analyst. Leuchtendes Gegenbeispiel sind mehr als ein Siebtel der Unternehmen, die die umfassende Integration von Nachhaltigkeits-Maßnahmen in ihre Prozesse, Strategien, Reportings und Zielsetzungen bereits erfolgreich hinter sich haben.

Nachhaltigkeit ist eine Chance – Ignoranz ein Geschäftsrisiko

Dabei nimmt der Druck auf die Unternehmen zu, ihr Geschäft entsprechend anzupassen. Regulatoren, Gesetzgeber, verbundene Unternehmen, Kunden, Mitarbeitende und Investoren forderten zunehmend lauter eine überprüfbare Nachhaltigkeit des Geschäfts, beobachtet der Analyst. Dies zu ignorieren, stelle zunehmend ein geschäftliches Risiko dar. Eigentlich aber könnte der deutsche Mittelstand aus der Not eine unternehmerische Tugend machen, rät da Graça. „Immerhin kann eine unternehmerische Transformation in Richtung Nachhaltigkeit die Option zum weiteren Wachstum sichern, da sie nicht nur die Unternehmens-Marke stärkt oder die Produktpalette aufwertet, sondern auch immaterielle Risiken verringert.“

Beschäftigen sich Unternehmen bereits mit einem nachhaltigen Wandel, geschieht dies hauptsächlich aus Gründen der ökologischen und sozial-gesellschaftlichen Verantwortung. An dritter Stelle nannten die Befragten Kundenanforderungen. Alle drei Faktoren zusammen werden von mehr als der Hälfte der Unternehmen genannt. Im Mittelfeld rangieren die Ursachen Imageförderung, Reaktion auf politische oder regulatorische Anforderungen oder ethische Gründe.

Betriebe hoffen auf sinkende Kosten durch Nachhaltigkeit

Doch der Anteil der Unternehmen steigt, die Nachhaltigkeit als Chance betrachten. Jedes fünfte Unternehmen erwartet sich davon sinkende Kosten oder motiviertere Mitarbeiter. Fast jedes sechste Unternehmen sieht bereits eine Chance zur Umsatzsteigerung. Gleichfalls rücken aber auch die kontinuierlich steigenden Anforderungen der Kapitalgeber ins Blickfeld der Unternehmer.

Seit Jahresbeginn drängt die Taxonomie der EU Banken, bei der Kreditvergabe Nachhaltigkeitsaspekte zu berücksichtigen. Zugleich müssen sie wetterbedingte Produktionsausfälle oder kostentreibende CO₂-Emissionen der Kreditnehmer in ihrer Risikobewertung berücksichtigen. Seit Längerem beraten Banken deshalb die Unternehmen bei der Transformation ihrer Geschäftsmodelle.

Für 90 Prozent der befragten 271 Mittelständler hat das Thema Nachhaltigkeit gegenwärtig allenfalls einen geringen Einfluss auf die Unternehmensfinanzierung. Tendenziell dürfte es bis Ende 2024 aber einen maßgeblichen Einfluss bekommen, erwarten gut ein Drittel der Firmen. 5 Prozent gehen sogar davon aus, dass Nachhaltigkeit als ein limitierender Faktor bei den Finanzierungsbedingungen angesehen werden könnte, Kredite also nicht nur teurer, sondern auch kleiner als gewünscht ausfallen könnten.

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