Teil zwei des Klimaschutz-Pakets Fit for 55

Die EU-Kommission stellt den zweiten Teil von „Fit for 55“ vor: hier steht die Dekarbonisierung von Gebäuden im Mittelpunkt.

Frau und Kind vor futuristischem Holzhaus

„EU lässt unsere Mieten explodieren“ – auf diese Schlagzeile verdichtete die Bild-Zeitung den zweiten Teil des Klimaschutz-Pakets „Fit for 55“, den die EU-Kommission im Dezember 2021 vorgestellt hat. Tatsächlich sind die Auswirkungen für Immobilieneigentümer, Mieter und die Wohnungswirtschaft weitreichend. Im Zentrum stehen Maßnahmen, um den Energieverbrauch und den Ausstoß von CO2 im Immobiliensektor deutlich zu verringern. Das Ziel: Bis 2050 soll der gesamte Gebäudebestand unabhängig von fossiler Energie sein. Hier sieht die Kommission einen großen Hebel für den Klimaschutz, denn 40 Prozent des Energiebedarfs in der EU entfallen auf die Wohnungs- und Gebäudewirtschaft. Damit ist dieser Sektor für 36 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich.

Als eine der Ursachen für die schlechte Klimabilanz des europaweiten Gebäudebestandes sieht die Kommission die Tatsache, dass der Großteil der Bauten immer noch mit fossilen Brennstoffen betrieben wird.

Neubauten ab 2030 nur noch klimaneutral

Der Zeitplan sieht vor, dass bis zum Jahr 2030 alle Neubauten emissionsfrei sein müssen. Für öffentliche Gebäude wie etwa Schulen und Krankenhäuser gilt die Vorgabe sogar bereits ab 2027. Konkret bedeutet dies, dass besonders energieeffizient gebaut werden muss, nur erneuerbare Energien genutzt werden und keine CO₂-Emissionen aus fossilen Brennstoffen entstehen dürfen.

Die schlechtesten Gebäude zuerst

Für den Bestand ist eine Sanierungsoffensive vorgesehen. So sollen die 15 Prozent der Gebäude, welche die schlechteste Energiebilanz G aufweisen, so saniert werden, dass sie mindestens das Niveau F vorweisen können. Für Nichtwohngebäude gilt dies bis 2027, für Wohngebäude bis 2030. Neben dem erklärten Ziel, den Ausstoß von Treibhausgasen zu minimieren, zielt die Vorgabe darauf ab, die Energiearmut zu minimieren. Energiearmut beschreibt die übermäßige finanzielle Belastung von Menschen mit geringem Einkommen auf Grund steigender Energiekosten.

Ausweispflicht für Gebäude

Um Mietern, Käufern und Investoren eine genormte Entscheidungshilfe auf dem Immobilienmarkt zu geben, wird für alle Gebäude ein Ausweis über die Energieeffizienz verpflichtend. Dieser ist erforderlich für alle Gebäude und Gebäudeteile, welche einer größeren Renovierung unterzogen, verkauft oder vermietet werden. Bei der Verlängerung eines bestehenden Mietvertrages ist eine Ausweisung der Energieeffizienz ebenfalls verpflichtend. Dies gilt auch für öffentliche Gebäude. Bis 2025 müssen alle Ausweise auf einer einheitlichen Skala von A (sehr gut) bis G (sehr schlecht) basieren.

Einbindung auf nationaler Ebene

Die Pläne der Kommission werden vollständig in die nationalen Klimapläne der Mitgliedstaaten integriert. Dadurch können die Fortschritte auf EU-Ebene besser verglichen und nachverfolgt werden. Sie sind zusätzlich Teil der Strategie zum Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen für die Wärme- und Kälteversorgung bis 2040. Ab 2027 soll es auch keine finanziellen Anreize für Heizkessel geben, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. Zusätzlich bekommen die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, die Nutzung fossiler Brennstoffe in Gebäuden sogar rechtlich zu verbieten.

Gasmarkt muss seinen Beitrag zum Green New Deal leisten

Neben den Sektoren Stromerzeugung und Gebäudewirtschaft soll auch der europäische Gasmarkt seinen Beitrag zum Abbau der CO₂-Emissionen leisten.

Dort hat Erdgas derzeit einen Anteil von 95 Prozent. Diese Quote soll sinken. Biogas, Biomethan, synthetische Kraftstoffe sowie CO₂-armer Wasserstoff sollen an die Stelle von Erdgas treten. Nicht gewünscht ist allerdings Methan, das als Abfallprodukt entweicht. Ein Drittel der Methanemissionen der Gasbranche stammt aus Lecks in der Infrastruktur. Dem soll eine neue Methanverordnung entgegenwirken, die erstmals verpflichtende Gegenmaßnahmen vorsieht. In ihren Forderungen ist die EU allerdings noch nicht sehr konkret geworden. Einstweilen fordert sie nur, „robustere Lecksuche- und Reparaturprogramme einzurichten“.

Rechtliche Umsetzung der Beschlüsse auf EU-Ebene und in den Nationalstaaten

Mit der Vorstellung der einzelnen Maßnahmen ist der Legislativprozess nicht abgeschlossen. Die Vorschläge werden zunächst im EU-Parlament und Rat verhandelt, bevor sie in eine verbindliche Rechtsform gebracht werden. Darauf folgt die Arbeit in den Parlamenten der Mitgliedsstaaten, um die Beschlüsse auf nationaler Ebene in einen Gesetzesrahmen einzubinden. Da die einzelnen EU-Mitglieder noch über Spielräume verfügen, ist anzunehmen, dass es zu unterschiedlichen Auslegungen kommen wird. Die generelle Marschroute ist jedoch durch die EU vorgegeben.