Klimaschutz: Wie der Fachkräftemangel die Energiewende gefährdet

Die Klimaziele der Europäischen Union hängen stark vom Gelingen der Energiewende ab. Doch in Deutschland droht die Umsetzung zu scheitern.

Frau mit gelbem Helm zeichnet etwas an eine Wand

Bis 2030 möchte die EU-Kommission den Anteil der Erneuerbaren am Energiemix auf 45 Prozent erhöhen. Das ist deutlich ambitionierter als die derzeit geplanten 32 Prozent. Bis zum Ende dieses Jahrzehnts sollen zudem die europäischen Endkunden insgesamt 13 Prozent weniger Energie verbrauchen als noch 2020.

Die Vorschläge sind Teil des Klimamaßnahmenpakets „Fit for 55“, das die Kommission vorgelegt hat. Damit sollen die im Europäischen Green Deal formulierten Ziele erreicht werden, bis 2030 die klimaschädlichen Emissionen um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren und bis 2050 klimaneutral zu sein. Noch ist unklar, ob EU-Staaten und EU-Parlament dem Vorschlag zustimmen und damit aus dem ehrgeizigen Plan ein Gesetz wird.

Doch wenn es so kommen sollte, droht die Umsetzung in Deutschland zu scheitern. Grund dafür ist der massive Fachkräftemangel im Handwerk. Nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) sind derzeit 150.000 unbesetzte Stellen bei den Arbeitsagenturen gemeldet. Hinzu kommen schätzungsweise 100.000 weitere fehlende Handwerker, da nicht alle Betriebe die Agenturen über freie Stellen informieren. Tendenz bei den offenen Positionen steigend.

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Nach Angaben des ZDH sind derzeit 150.000 unbesetzte Handwerker-Stellen bei den Arbeitsagenturen gemeldet

Fehlender Nachwuchs verschärft das Problem

Fachkräfte fehlen insbesondere bei der Umsetzung der Energiewende. Denn egal ob es um die Installation von Ladesäulen und Solardächern, den Aufbau und die Wartung von Windanlagen oder energieeffiziente Gebäudesanierung geht: Für all diese Aufgaben braucht es Handwerker.

Besonders stark ist der Fachkräftemangel laut dem ZDH im energierelevanten Bereich bei Installateuren, Heizungsbauern, Elektrotechnikern sowie Elektromaschinen- und Metallbauern. Der Personalmangel dürfte sich in den kommenden Jahren noch verschärfen, da viele qualifizierte Beschäftigte der geburtenstarken Jahrgänge das Rentenalter erreichen. Gleichzeitig bleiben viele Lehrstellen im Handwerk unbesetzt. Im Jahr 2021 konnten die Betriebe für rund 18.800 Ausbildungsplätze keinen Lehrling finden.

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Rund 18.800 Ausbildungsplätze blieben im Jahr 2021 unbesetzt.

Fachleute fordern politische Maßnahmen

Aus Sicht vieler Experten sind gezielte Maßnahmen der Politik nötig, um die Situation zu verbessern. Dazu gehört vor allem eine Aufwertung der beruflichen Bildung. Denn viele junge Menschen studieren lieber, weil sie darin eine vermeintliche Garantie für eine berufliche Karriere sehen – und unterschätzen dabei die Möglichkeiten einer Ausbildung. Gerade klimarelevante Handwerksjobs bieten zum Beispiel die Chance, den Klimaschutz zum Beruf zu machen. Neben dem Image hapert es auch an den Ausbildungsbedingungen. Sinnvoll wäre deshalb eine bessere Ausstattung für Berufsschulen und Bildungseinrichtungen des Handwerks.

Ein weiterer Hebel ist, das Potenzial von älteren Beschäftigten besser zu nutzen. Das gilt vor allem für die Mitarbeitenden, die im Zuge der Energiewende ihren Job verlieren werden, zum Beispiel durch den Kohleausstieg. Statt sie in staatlich finanzierten Vorruhestand zu schicken, ließen sich die Mittel auch für eine Umschulung verwenden. So könnten gut ausgebildete ältere Beschäftigte ihre Fähigkeiten und Erfahrungen für die Umsetzung der Energiewende einbringen.