22.02.2024

So will die EU bei Klimaschutztechnologien unabhängiger werden

Der Net-Zero Industry Act soll bewirken, dass Unternehmen strategisch wichtige Klimaschutztechnologien vermehrt in der EU fertigen.

Arbeiter in einer Fabrik für Solarmodule
Arbeiter in einer Fabrik für Solarmodule

Ohne Technologien „Made in China“ käme die Energiewende in Deutschland heute längst nicht so schnell voran: Rund 90 Prozent der installierten Fotovoltaikmodule stammen derzeit aus Fernost – die Produkte sind günstig, die Qualität stimmt. Das gilt ebenso für Batteriezellen, auch hier dominieren Hersteller aus China sowie aus Südkorea und Japan den Markt.

In den anderen europäischen Ländern ist die Abhängigkeit von Importen aus Asien nicht minder gering. Für den European Green Deal und die „Fit for 55“-Strategie erwächst daraus ein großes Risiko: Angesichts der globalen Spannungen kann sich die EU nicht darauf verlassen, dass die Lieferketten künftig stabil bleiben.

EU-Kommission und -Parlament sowie der Europäische Rat als Vertretung der Mitgliedsstaaten haben sich deshalb jetzt mit dem „Net-Zero Industry Act“ (NZIA) auf eine Strategie geeinigt, die Europa mehr Unabhängigkeit verschaffen soll. Ziel ist es, bis 2030 insgesamt 40 Prozent des Bedarfs an Klimaschutztechnologien aus europäischer Fertigung decken zu können. Parlament und Rat müssen dem Beschluss noch zustimmen, was jedoch als Formsache gilt.

Weniger Risiko, mehr Wachstum

Mit der Industriestrategie sichert die EU nicht nur den Green Deal ab – sie schafft zugleich ein Konjunkturprogramm für die europäische Wirtschaft. Die Initiative soll das Wachstum der heimischen Hersteller beschleunigen, deren Position im globalen Wettbewerb stärken und neue Arbeitsplätze schaffen. Damit reagiert die EU auch auf den Inflation Reduction Act (IRA) der USA. Mit dem rund 400 Milliarden Dollar schweren Förderprogramm unterstützt die US-Regierung Unternehmen, neue Werke für Klimaschutz- und andere Technologien zu errichten. Einige europäische Hersteller haben daraufhin bereits erklärt, geplante Fabriken nicht in der EU, sondern in den USA anzusiedeln.

Genehmigungen vereinfachen, Technologien fördern

Die Industriestrategie umfasst ein ganzes Bündel von Maßnahmen, die der heimischen Fertigung Schub geben sollen. Ein zentraler Ansatzpunkt ist die Genehmigungspraxis: Die nationalen Behörden müssen künftig innerhalb vorgegebener Fristen grünes Licht für den Neu-, Um- oder Ausbau von Produktionsstätten geben. Auch sollen die Mitgliedsstaaten nach dem Vorbild des Silicon Valley regionale Cluster für Klimaschutztechnologien aufbauen. Zudem will die EU die Einrichtung von Akademien anschieben, in denen die benötigten Fachkräfte ausgebildet werden.

Eine weitere Säule des NZIA ist, die Nachfrage nach Technologien aus europäischer Fertigung zu stimulieren. So dürfen die Staaten bei öffentlichen Vergabeverfahren künftig verlangen, dass die Bieter eine Mindestquote für Produkte aus der EU einhalten. Bei Auktionen etwa für den Erneuerbare-Energien-Ausbau sind in Zukunft ähnliche Klauseln erlaubt. So dürfen Länder zum Beispiel künftig Sonderausschreibungen für Anlagen vornehmen, die ganz oder teilweise in der EU produziert worden sind (Resilienz-Ausschreibung).

Nicht zuletzt gibt die EU den Mitgliedsstaaten mit der Industriestrategie mehr Freiheiten, Investitionen in die Produktion von Klimaschutztechnologien zu unterstützen. Damit wird es zum Beispiel künftig einfacher, sogenannte Reallabore zu fördern, in denen Innovationen in der Praxis erprobt werden.

Diese – wie auch andere Förderungen – müssen die Länder allerdings alleine tragen. Die EU stellt für den Netz-Zero Industry Act keine Mittel zur Verfügung. Stattdessen empfiehlt sie den Mitgliedsstaaten unter anderem, Einnahmen aus dem EU-Emissionshandel (EU ETS) für heimische Klimaschutztechnologien zu verwenden.

Viele Freiheiten für die EU-Staaten

Wie die Strategie konkret umgesetzt wird, bleibt den EU-Staaten weitgehend selbst überlassen. Dazu gehört die Entscheidung, welche Vorhaben sie unterstützen. Die EU hat zwar eine Liste mit Technologien erstellt, die grundsätzlich als strategisch relevant im Sinne des NZIA gelten. Die Länder sind aber nicht verpflichtet, sie allesamt zu fördern.

Grund dafür ist, dass kein Mitgliedsstaat verpflichtet werden kann, sich für Technologien zu engagieren, die sie für ihre eigene Energieversorgung ausgeschlossen haben. Das gilt etwa für die Atomenergie, die es vor allem auf Druck Frankreichs auf die Liste geschafft hat. Zudem ist zu erwarten, dass nicht alle Mitgliedsstaaten Technologien für das Abscheiden und Endlagern von Kohlendioxid („Carbon Capture and Storage“, kurz CCS) als förderwürdig einstufen werden.

43 Prozent

des gesamten Energieverbrauchs sollen bis 2030 aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden.

Unstrittig sind dagegen die Bereiche Solar- und Windenergie. Kein Wunder, gelten hier doch EU-weit ambitionierte Ziele: Bis 2030 sollen mindestens 42,5 Prozent des gesamten Energieverbrauchs aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden. Auch bei den von der EU als strategisch relevant definierten Technologiefeldern Batteriespeicher, Wärmepumpen, Elektrolyseure und Stromnetze dürfte kein Mitgliedsstaat beiseitestehen.

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