14.11.2022

Der Klima-Sozialfonds der EU: Bürger entlasten, Klima schützen

Dr. Katja Schumacher vom Berliner Öko-Institut erläutert, wie die EU die CO2-Abgabe sozial gerecht gestalten will – und welche Hürden dem entgegenstehen.

Wald mit großen Bäumen
Wald mit großen Bäumen

LBBW: Frau Dr. Schumacher, in der öffentlichen Diskussion um hohe Energiepreise ist immer öfter vom Klima-Sozialfonds der EU zu hören. Was ist das eigentlich?

Dr. Katja Schumacher: In ihrem „Fit-for-55“-Klimapaket schlägt die Europäischen Kommission vor, ein neues Emissionshandelssystem für Gebäude und den Straßenverkehr namens EU-ETS 2 einzuführen. Parallel dazu soll ein Klima-Sozialfonds eingerichtet werden. Mit diesem Fonds will die Kommission finanzielle Belastungen abfedern, die durch den neuen Emissionshandel entstehen werden. Die Mittel aus dem Fonds sollen vor allem Haushalten und Kleinstunternehmen zugutekommen, die hohe Energiepreise besonders hart trifft. Außerdem ist vorgesehen, damit klimafreundliche Mobilität günstiger zu machen.

LBBW: Wie soll das geschehen?

Schumacher: Zum einen will die EU-Kommission die Mittel für zeitlich begrenzte Einkommenshilfen verwenden. Zum anderen plant sie, damit Investitionen zu unterstützen, die für bezahlbare, nachhaltige Wärme, Kühlung und Mobilität sorgen. Das ist eine echte Neuerung, denn bislang werden einkommensschwache Haushalte üblicherweise durch Direktzahlungen entlastet. Das hilft ihnen natürlich finanziell, sorgt aber nicht für Energieeinsparungen und trägt damit auch nicht zum Klimaschutz bei. Mit den geplanten Investitionshilfen reagiert die Kommission darauf, dass diese Haushalte meist nicht die Mittel haben, um etwa einen neuen, sparsamen Kühlschrank zu kaufen oder andere Effizienzmaßnahmen umzusetzen. Auch fehlt es ihnen oft am Zugang zu Finanzierungen. Diese Lücke soll der Klima-Sozialfonds schließen.

LBBW: Wer konkret soll von dem Fonds profitieren?

Schumacher: Haushalte, Kleinstunternehmen und Verkehrsnutzer*innen, die mit Blick auf die Energiekosten besonders vulnerabel sind. Dabei heißt vulnerabel aber nicht nur arm oder einkommensschwach – auch der energetische Zustand eines Gebäudes, der Heizung oder der Haushaltsgeräte sowie der Zugang zu Mobilität und Energie, die jeweiligen Preise und mehr spielen hier eine wichtige Rolle. Der Klima-Sozialfonds zielt also darauf, den Bedarf an Energie und Mobilität auf klimaschonende Weise zu decken und zugleich die finanzielle Belastung zu reduzieren – eine gute Sache also.

LBBW: Die Europäische Kommission hat vorgeschlagen, den Klima-Sozialfonds im ersten, zwischen 2025 und 2027 umgesetzten Schritt mit 23,7 Mrd. Euro auszustatten, bis zum Jahr 2032 sollten es dann 72 Mrd. Euro sein. Woher soll das Geld kommen?

Schumacher: Die EU-Kommission möchte, dass bis 2032 ungefähr 25 Prozent der Einnahmen aus dem EU-ETS 2 in den Klima-Sozialfonds fließen. Es bleiben also noch 75 Prozent des Geldes für andere Zwecke. Die Kommission hat vorgeschlagen, dass Mitgliedstaaten diese Einnahmen zum einen nutzen, um den Klima-Sozialfonds um die jeweils ihrem Land zugeteilte Summe zu verdoppeln. Zum anderen sollen die restlichen Gelder im weiteren Sinne auch dazu verwendet werden, klimabezogene Ausgaben zu finanzieren.

Die EU-Kommission möchte, dass bis 2032 ungefähr 25 Prozent der Einnahmen aus dem EU-ETS 2 in den Klima-Sozialfonds fließen. Es bleiben also noch 75 Prozent des Geldes für andere Zwecke.

Dr. Katja Schumacher, stellvertretende Leiterin des Referates Energie und Klima am Berliner Öko-Institut

LBBW: Was halten EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten von dieser Idee?

Schumacher: Das Europäische Parlaments sieht das etwas anders: Die Abgeordneten sind mehrheitlich der Meinung, dass ein größerer Teil der Einnahmen aus dem ETS 2 in den Klima-Sozialfonds fließen soll. Vor allem aber setzen sie sich dafür ein, dass der Betrag, der in den Fonds geht, nicht fix ist, sondern sich nach dem jeweils aktuellen CO₂-Preis richtet. Wenn der nämlich steigt, steigen auch die Einnahmen, so dass mehr Geld aus dem EU-ETS 2 dem Klima-Sozialfonds zugutekommt. Allerdings soll der Brennstoffverbrauch privater Verbraucher*innen nach dem Willen des Parlaments erst ab 2029 vom Emissionshandel erfasst werden. Der EU-Ministerrat als Vertretung der Mitgliedsstaaten möchte dagegen den Klima-Sozialfonds lieber kleiner halten, mit weniger Budget und unabhängig vom CO₂-Preis. Insgesamt ist das eine interessante Gemengelage …

LBBW: In den ersten Verhandlungsrunden über den Klima-Sozialfonds und auch den EU-ETS 2 gab es Streit unter Mitgliedsstaaten. Dabei ist ihre Zustimmung erforderlich. Wer löst den Gordischen Knoten?

Schumacher: Dafür gibt es in der EU das sogenannte Trilog-Verfahren. Dabei verhandeln die beteiligten Akteure – also EU-Kommission, Europäisches Parlament und der europäische Rat als Gremium der Mitgliedsstaaten – miteinander. Welche Position sich dabei durchsetzt oder ob ein Kompromiss geschlossen wird, ist offen.

LBBW: Wie könnte der Rahmen für die Auszahlung der Mittel aussehen?

Schumacher: In ihrem Konzept zum Klima-Sozialfonds beschreibt die EU-Kommission, wie ihrer Vorstellung nach Mittel abgerufen werden können und welche Bedingungen dafür erfüllt sein müssen. So soll jeder Mitgliedstaat der Kommission einen nationalen Klima-Sozialplan vorlegen, um Mittel aus dem Fonds zu bekommen. Diese Pläne enthalten die Maßnahmen und Investitionen, die über den Fonds finanziert werden sollen, ebenso die damit verbundenen Kosten, Meilensteine und Ziele. Die EU-Kommission prüft die Klima-Sozialpläne dann anhand der Kriterien Relevanz, Wirksamkeit, Effizienz und Kohärenz. Die Gelder werden nur dann ausgezahlt, wenn ihre Prüfung positiv ausfällt. Ein Monitoring und regelmäßige Evaluationen sollen den Klima-Sozialfonds begleiten und sicherstellen, dass die Mittel richtig eingesetzt werden.

LBBW: Wird der Fonds für mehr Gerechtigkeit in Europa sorgen?

Schumacher: Der Klima-Sozialfonds ist ein neuer Weg, zielgerichtet vulnerable Gruppen zu entlasten und zugleich beim Umstieg auf klimafreundliche Technologien und Verhaltensweisen finanziell zu unterstützen. Damit ermöglicht er auch Menschen, sich am Klimaschutz zu beteiligen, denen dafür die Mittel und Möglichkeiten fehlen. Mit geringerem Energieverbrauch sind diese Gruppen auch resilienter gegenüber Energiepreissteigerungen.

Der Klima-Sozialfonds ist ein neuer Weg, zielgerichtet vulnerable Gruppen zu entlasten und zugleich beim Umstieg auf klimafreundliche Technologien und Verhaltensweisen finanziell zu unterstützen.

Dr. Katja Schumacher, stellvertretende Leiterin des Referates Energie und Klima am Berliner Öko-Institut

Für mehr Gerechtigkeit sorgt der Klima-Sozialfonds aber auch mit Blick auf die Mitgliedsstaaten. Denn er schafft einen Ausgleich zwischen ihnen – was angesichts der Einkommensunterschiede unbedingt notwendig ist. Denn ein einheitlicher CO₂-Preis für alle EU-Länder bedeutet, dass beispielsweise ein Liter Benzin oder Heizöl in ärmeren Mitgliedstaaten um den gleichen Betrag teurer wird wie in reicheren Ländern. Im Verhältnis zum Einkommen ist die Belastung in ärmeren Staaten damit deutlich höher. Ein solidarischer Ansatz zur Verteilung der Erlöse aus dem Emissionshandel, wie er im Klima-Sozialfonds vorgesehen ist, ist daher gerecht und sorgt für einen sozialen Ausgleich.

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