23.04.2021
Nachhaltige Unternehmensanleihen auf der Überholspur
Die Emission nachhaltiger Unternehmensanleihen, sogenannter ESG-Bonds, bricht alle Rekorde. LBBW Research erwartet für 2021 ein Wachstum von 60 Prozent.
Nachhaltige Anleihen liegen im Trend. Wie dynamisch dieser Trend ist, das überrascht selbst Experten. Der Markt für ESG-Corporate-Bonds (Environment, Social, Governance) stieß im Februar 2021 mit einem Plus von rund 300 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat in völlig neue Dimensionen vor. Bereits im Januar legte die Zahl der Neuemissionen um fast 50 Prozent zum Januar 2020 zu.
Dieser Trend wird sich fortsetzen, sagen die Spezialisten vom LBBW Research, und heben ihre Prognose für das Jahr 2021 deutlich an: Sie erwarten weltweite Neuemissionen von ESG-Corporate-Bonds im Umfang von 150 Milliarden Euro. Das wäre ein Plus von 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Eine entscheidende Rolle spielt dabei der European Green Deal.
European Green Deal befördert nachhaltige Finanzierungen
„Bereits 2020 ist der Markt nachhaltiger Unternehmensanleihen um fast 25 Prozent gewachsen und hat damit eine neue Bestmarke aufgestellt”, sagt Alexandra Schadow, Abteilungsleiterin beim LBBW Research. „Diese Entwicklung beschleunigt sich nun. Gegenüber 2018 wird sich das Volumen der ESG-Corporate-Neuemissionen in diesem Jahr verfünffachen.“ Schadow erwartet, dass das Neuemissionsvolumen sich 2021 zu 25 Prozent aus Sustainable Bonds, zu 5 Prozent aus Social Bonds und zu 70 Prozent aus Green Bonds speist.
Trendsetter: Sustainable Bonds
Anteil von Sustainable Bonds an allen ESG-Anleihen in 2018
Trendsetter: Sustainable Bonds
Prognostizierter Anteil von Sustainable Bonds an allen ESG-Anleihen für 2021
Die Europäische Union (EU) übt mit ihren Klimavorgaben großen Druck auf die Wirtschaft aus – insbesondere auf Branchen wie Energie und Transport. Der European Green Deal, der EU-Aktionsplan und die Taxonomie-Verordnung sorgen dafür, dass Firmen ihre Wertschöpfungsketten aufbrechen und neue Wege gehen müssen. „Das führt bei den Unternehmen zu einem steigenden Kapitalbedarf, der natürlich durch nachhaltige Finanzierungen gedeckt werden soll. Das heizt den Markt nachhaltiger Finanzprodukte weiter an”, sagt LBBW-Expertin Schadow. „Gleichzeitig sorgen die Gesetzesinitiativen der EU für höhere Kosten bei den Unternehmen, was mittelfristig den Preisdruck erhöhen könnte.“
Der Druck der EU-Vorgaben heizt den Markt nachhaltiger Finanzprodukte an.
Bereits 2020 ist der ESG-Markt um fast ein Viertel gewachsen und diese Dynamik hat sich in den ersten Monaten des neuen Jahres fortgesetzt. „Ein derart kräftiges Wachstum gab es noch nie”, sagt Alexandra Schadow. „Wir erwarten, dass sich der Trend fortsetzt.“
Sustainable Bonds und Green Bonds treiben den ESG-Markt voran
Derzeit überwiegt der Anteil grüner Anleihen (Green Bonds) mit 80 Prozent am Corporates-ESG-Markt, jedoch steigt der Anteil der Sustainable Bonds am Gesamtvolumen stetig. Als „sustainable” gelten Anleihen, deren Emissionserlöse ausschließlich zur (Re-)Finanzierung von Umwelt- und Sozialprojekten dienen. Sie entsprechen sowohl den Kriterien von Green Bonds als auch von Social Bonds. Hatten Sustainable Bonds im Jahr 2018 noch einen Anteil von zwei Prozent an allen nachhaltigen Anleihen, so waren es 2020 bereits 14 Prozent. Sustainable Bonds sind damit ein Motor dieses Wachstumsmarkts.
Gegenüber 2018 wird sich das Volumen der Corporate-ESG-Neuemissionen in diesem Jahr verfünffachen.
Bis vor kurzem noch wenig genutzt, sind Sustainability Linked Bonds (SLBs) aktuell stark im Kommen. Sie erweitern den Markt für nachhaltige Bondformate um eine neue Investmentmöglichkeit. Bei SLBs legt der Emittent messbare Kennzahlen in Kombination mit einem Nachhaltigkeitsziel fest. Zugleich ist dem Unternehmen die Verwendung des Bonderlöses auch für allgemeine Betriebszwecke möglich.
Nachhaltige Finanzprodukte: Auf dem Weg zum grünen Kontinent
Mit zahlreichen Gesetzesinitiativen im Kontext des European-Green-Deal-Konzepts treibt die EU den Trend voran, in nachhaltige Finanzprodukte zu investieren. Dabei greift sie spürbar in den Geschäftsalltag der Wirtschaft ein. 50 Maßnahmen, wie beispielsweise den gezielten Ausbau erneuerbarer Energien, hat die EU-Kommission bisher definiert. Unternehmen müssen konkrete Schritte umsetzen, damit der European Green Deal ein Erfolg wird. Der Fahrplan sieht vor, dass die Netto-Treibhausgasemissionen der EU bis Mitte des Jahrhunderts auf null sinken und Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent wird.
Die anspruchsvollen Ziele der EU sorgen dafür, dass sich der Trend zu nachhaltigen Finanzierungen fortsetzt
Bereits die Zwischenziele sind anspruchsvoll: 2030 soll Europa 55 Prozent weniger Treibhausgase emittieren als noch 1990. Das Finanzsystem spielt bei der Umsetzung dieser Maßnahmen eine Schlüsselrolle. Ziele der Europäischen Kommission sind es, die Kapitalflüsse auf nachhaltige Investitionen umzulenken sowie die finanziellen Risiken von Klimawandel, Ressourcenknappheit, Umweltzerstörung und sozialen Problemen zu bewältigen. Außerdem möchte sie Transparenz und langfristige Planung in der Finanz- und Wirtschaftstätigkeit fördern. Dafür hat die EU ein eigenes Instrumentarium entwickelt: Die 2020 vorgestellte EU-Taxonomie gibt Investoren klare Bewertungskriterien bei der Anlage in nachhaltige Produkte vor.