13.09.2023
Müssen Unternehmen künftig für Wasser zahlen?
Die Kosten für den Einsatz von Wasser gehen für Unternehmen gegen null. Sollten wir das angesichts der zunehmenden Trockenheit ändern? Ein Pro und Contra.
Auch wenn dieser Sommer einen anderen Eindruck vermittelt hat: Deutschland wird immer trockener. In den vergangenen Jahren fiel dem Umweltbundesamt zufolge fast ausnahmslos weniger Regen und Schnee als im langjährigen Durchschnitt. Der Grundwasserspiegel sinkt und die Flüsse führen weniger Wasser.
Das ist nicht nur ein ökologisches Problem. Trockenheit wird zu einer wirtschaftlichen Herausforderung – wegen möglicher Einschränkungen in der Binnenschifffahrt und vor allem, weil die Industrie auf eine verlässliche und kostengünstige Wasserversorgung angewiesen ist. Unternehmen brauchen riesige Wassermengen zum Beispiel zum Kühlen von Kraftwerkskesseln und Produktionsprozessen, für das Reinigen von Anlagen und Maschinen oder auch zur Dampferzeugung. Laut Statistischem Bundesamt entfallen 71 Prozent des Wasserverbrauchs in Deutschland auf Industrie und Gewerbe.
Privilegien bei der Wasserentnahme
Wasser ist also ein wertvolles Wirtschaftsgut, dessen Bedeutung für die Wirtschaft nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Deshalb genießen Unternehmen ein Privileg: Wer Wasser aus Flüssen und Seen entnimmt oder es mit einem eigenen Brunnen fördert, muss dafür nur einen geringen Betrag bezahlen. Die Höhe dieses sogenannten Wasserentnahmeentgelts oder „Wassercents“ wird von den Bundesländern festgelegt. In manchen Ländern gibt es das Wasser gar gratis.
Ist diese Praxis noch zeitgemäß angesichts der abnehmenden Niederschlagsmengen in Deutschland? Können wir es uns noch leisten, Unternehmen das Recht zu geben, Wasser nahezu kostenfrei oder sogar umsonst zu nutzen – wo doch die Europäische Union (EU) in ihrer Wasserrahmenrichtlinie betont, dass Wasser ein „ererbtes Gut“ ist, das „geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss“?
Das Wasser wird in die Umwelt zurückgeführt
Anders als bei den meisten anderen Rohstoffen, die Betriebe für ihre Prozesse benötigen, wird Wasser in der Regel nicht „verbraucht“, sondern an Ort und Stelle wieder in die Umwelt zurückgeführt. Verwenden es Unternehmen für die Kühlung von Kesseln und Anlagen, müssen sie dafür sorgen, dass es vor der Rückspeisung in den Fluss oder See auf ein Temperaturniveau abkühlt, das für Flora und Fauna unproblematisch ist. Viele Betriebe stellen zudem mit eigenen Kläranlagen sicher, dass mit dem Wasser keine Schadstoffe in die Umwelt gelangen. Die Nutzung des Wassers verringert dessen Menge in den Ökosystemen also meist nicht. Die Entnahme lässt sich demnach als eine Art Leihe verstehen, bei der strenge Auflagen gewährleisten, dass das Gut mit der Nutzung nicht an Qualität verliert. Das rechtfertigt, den Unternehmen das Wasser gratis oder zumindest zu niedrigen Kosten zu überlassen.
Dazu kommt, dass diese Regelung den heimischen Wirtschaftsstandort stärkt. Wäre die Entnahme aus Gewässern und dem Boden teurer, würden die hierzulande ohnehin schon hohen Produktionskosten noch weiter steigen – ein großer Nachteil im globalen Wettbewerb. In anderen europäischen Ländern und in den USA gelten vielerorts ähnlich niedrige Sätze wie in Deutschland.
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Standpunkt empfangenPreise geben Anreiz zu mehr Effizienz beim Wassereinsatz
Preise sind Effizienztreiber: Verursacht ein benötigtes Gut nennenswerte Kosten, suchen Unternehmen nach Wegen, dessen Einsatzmengen zu verringern. Dieser Mechanismus ließe sich auch für das Wasser nutzen. Läge die Entnahmegebühr deutlich höher, hätten Unternehmen einen Anreiz, ihre Produktion wassersparender zu gestalten. Damit könnten sich, quasi als Kollateralnutzen, zudem weitere positive Effekte einstellen. So wäre es etwa möglich, mit neuen, effizienteren Technologien und Prozessen auch den Bedarf an Energie und anderen Ressourcen zu senken.
Manche Unternehmen geben das Wasser, das sie Flüssen und Seen entnommen haben, als Dampf zurück in die Umwelt. Das trägt nicht dazu bei, den Pegel der Gewässer konstant zu halten. Da in diesem Fall der lokale Kreislauf aus Entnahme und Rückspeisung durchbrochen ist, könnte es sinnvoll sein, zumindest diesen Betrieben für den Eingriff in den Wasserhaushalt ein deutlich höheres Entgelt in Rechnung zu stellen.
Zeit für gesellschaftliche Debatte nutzen
Der EU-Emissionshandel (EU ETS) zeigt, dass die Bepreisung von Eingriffen in die Umwelt ein starkes, gut funktionierendes Instrument ist, um den Ressourceneinsatz von Unternehmen auf marktwirtschaftliche Weise zu lenken. Anders als bei den CO2-Emissionen bleibt bei der Wasserentnahme noch Zeit, um Wege zu finden, eine Überlastung der Ökosysteme zu verhindern. Diese Zeit sollte für eine breite gesellschaftliche Debatte darüber genutzt werden, ob es sinnvoll ist, Wasser aus Seen, Flüssen und dem Boden mit einem spürbaren Preis zu versehen. Die Naturschutzverbände haben sich hier längst positioniert. So verlangt etwa der BUND den Entgelten mit einer Erhöhung eine Lenkungswirkung zu geben. Zudem sollten auch diejenigen Bundesländer, in denen Wasser noch gratis entnommen werden darf, eine Gebühr erheben. In Bayern zeigt man sich dafür offen: Die Landesregierung will die bislang geltende Befreiung in der nächsten Legislaturperiode abschaffen.