Der EU Green Deal Industrial Plan nimmt Fahrt auf

Gut gemeint, aber vielleicht zu bürokratisch: Die LBBW-Nachhaltigkeitsexpertin Sabrina Kremer sieht die EU-Industriepolitik kritisch.

Ingenieur mit Laptop und Warnweste

Mit ihrer Industriepolitik will die EU-Kommission ihre Umweltziele erreichen und gleichzeitig die Unternehmen wettbewerbsfähiger machen. Der Green Deal Industrial Plan soll das Erreichen der Fit-for-55-Klimaziele gewährleisten und zugleich die globale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen sichern. Dazu könnten die neuen Verordnungen beitragen – als überbordende Bürokratie aber auch das Gegenteil erreichen, befürchtet LBBW-Nachhaltigkeitsanalystin Sabrina Kremer: „Der Green Deal Industrial Plan nimmt Fahrt auf. Aber es könnte am Ende eine Fahrt durch den Nebel werden.“

Die Europäische Union (EU) zielt mit verschiedenen Verordnungen auf einfachere Beihilfevergaben, verkürzte Genehmigungsverfahren und neue Qualifizierungsprogramme für Beschäftigte. Für einen wirklich erfolgreichen Green Deal Industrial Plan wäre jedoch ein entbürokratisiertes schlankes Regelwerk wichtig, kritisiert Nachhaltigkeitsexpertin Kremer. „Jedes Mal, wenn sich irgendwo eine Änderung ergibt oder eine Lücke auftut, eilt die EU-Kommission herbei, schnürt ein neues Paket und schlägt eine neue Verordnung vor.“ Dabei werden dann alte Fördertöpfe umgewidmet oder erweitert. „Ein Leichtes, irgendwann den Überblick zu verlieren“, sagt Kremer. So könnten widersprechende Regeln entstehen.

Prof. Dr. Hans Joachim Schellnhuber: „Wir tun nicht genug gegen den Klimawandel“

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Der Klimawandel bedrohe unsere Existenz, deshalb hält Prof. Hans Joachim Schellnhuber politischen Druck für unerlässlich. Den EU Green Deal bewertet der Gründer der Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung im Talking-Transformation-Interview mit der LBBW als positiv: „Ich habe mehr Hoffnung als vor zehn Jahren, dass wir die Kurve noch kriegen.“

Herzstück der EU-Pläne: der Net-Zero Industry Act

Als Herzstück des Industrieplans unterstützt der Net-Zero Industry Act die Entwicklung wesentlicher Technologien, um die Emissionen in Europa bis zum Jahr 2050 auf null zu reduzieren. Klare Zielgröße: 40 Prozent des Bedarfs an Net-Zero-Technologien werden bis 2030 in der EU hergestellt. „Die Begrenzung der Genehmigungsdauer von Infrastrukturprojekten ist ein wirklicher Meilenstein“, sagt die Nachhaltigkeitsanalystin. „Damit werden Unternehmen ermutigt, einen weiteren Schritt in Richtung Klimaneutralität zu gehen und vermehrt in grüne Technologien wie Windkraftanlagen und Solarparks zu investieren.“ Zugleich sollen die Verordnungen des Critical Raw Materials Act die Versorgung mit kritischen Rohstoffen sicherstellen und das Electricity Market Design die bessere Integration erneuerbarer Energien in das Energiesystem regeln.

Sabrina Kremer, Nachhaltigkeitsexpertin der LBBW

Andere Länder sind mit einfachen, aber effektiveren Lösungen für den grünen Wandel an uns vorbeigezogen.

Sabrina Kremer, Nachhaltigkeitsanalystin der LBBW

Auf dem Papier wirken die neuen Maßnahmen für den grünen Wandel der EU erfolgversprechend. „Tatsächlich aber sind in den vergangenen Jahren andere Länder mit oftmals einfachen, aber effektiveren Lösungen an uns vorbeigezogen“, sagt Kremer. Dabei geht es nicht nur um das Klima. Sie schätzt unter Berufung auf die Internationale Energieagentur, dass sich der weltweite Markt massengefertigter Net-Zero-Technologien bis zum Ende des Jahrzehnts auf 600 Milliarden Euro summiert.

Gute Geschäfte also, die auf dem Spiel stehen. Dass es auch anders geht, zeigte sich in der Krise. Ende 2022 beschloss die EU-Kommission die Notfallverordnung zur drastisch beschleunigten Genehmigung von Erneuerbare-Energien-Anlagen und Wärmepumpen. Ein gutes Beispiel, meint Kremer, wie die EU mit einer entschlackten Regulierung den Klimaschutz voranbringen und zugleich den jeweiligen Branchen einen Schub geben könnte.