Klimazoll auf Importe: So will die EU die Wirtschaft schützen

Die EU beendet ab 2026 die kostenlose Zuteilung von CO₂-Zertifikaten. Im Gegenzug führt sie einen CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) ein.

Industrieanlage

Ob Raffinerie oder Hochofen, Schmelz- oder Sinteranlage, Gießerei oder Walzwerk: Wer eine energieintensive Industrieanlage betreibt, ist verpflichtet, am Emissionshandel der Europäischen Union (EU ETS) teilzunehmen. Dabei erhalten die Unternehmen derzeit einen großen Teil oder gar sämtliche der benötigten CO₂-Zertifikate kostenlos. So will die EU verhindern, dass die Betriebe im globalen Wettbewerb benachteiligt werden.

Diese Gratis-Zuteilung lässt die EU im Zuge ihrer „Fit for 55“-Strategie jedoch ab 2026 schrittweise auslaufen. Die Unternehmen müssen dann für ihre Emissionen CO₂-Zertifikate erwerben. „Made in Europe“ wird also teurer. Damit droht, dass Unternehmen ihre Produktion in Länder verlagern, in denen keine solche CO₂-Abgabe fällig wird („Carbon Leakage“). Deshalb führt die EU nun parallel zum Auslaufen der kostenlosen Zuteilung einen sogenannten CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) ein – einen Klimazoll auf Importe von energieintensiven Gütern aus Ländern, in denen der Treibhausgas-Ausstoß den Unternehmen keine oder geringere Kosten verursacht.

Wie funktioniert der CBAM?

Importeure müssen künftig für die Einfuhr bestimmter Güter CBAM-Zertifikate erwerben, analog zu den kostenpflichtigen Zertifikaten im EU ETS. Die Höhe dieser Importabgabe bemisst sich nach der Menge an CO₂, das bei der Produktion emittiert wird, und am durchschnittlichen Wochenpreis der Zertifikate im EU ETS. Unter dem Strich entstehen den Unternehmen bei der Einfuhr damit genauso hohe CO₂-Kosten wie bei der Produktion in Europa.

Dabei berücksichtigt der CBAM, dass manche außereuropäischen Länder oder Regionen bereits eigene Emissionshandelssysteme etabliert haben. Hier reduziert sich der Klimazoll auf die Differenz zwischen dem CO₂-Preis im Exportland und dem der EU.

Welche Güter unterliegen dem CBAM?

Sechs Produktgruppen sind zunächst vom CO₂-Grenzausgleichsmechanismus betroffen: Eisen und Stahl; Aluminium; Zement und Ziegel; Düngemittel, Ammoniak und Kaliumnitrat; Elektrizität sowie Wasserstoff. Zudem fallen auch einige nachgelagerte Produkte, beispielsweise Schrauben oder Rohre, unter den Mechanismus.

Bis 2026 prüft die EU-Kommission, ob der CBAM auf weitere Produkte ausgeweitet werden soll, etwa auf organische Chemikalien oder Polymere.

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Wann entstehen den Unternehmen welche Pflichten?

Seit dem 1. Oktober 2023 müssen die Unternehmen die Emissionen der importierten Produkte berechnen und dokumentieren. Dabei sind sie verpflichtet, neben den direkten Emissionen aus der Produktion auch den indirekten CO₂-Ausstoß anzugeben, der etwa durch die Erzeugung des in den Fabriken benötigten Stroms verursacht wird. Die Unternehmen müssen die direkten und indirekten Emissionen zusammen mit den eingeführten Gesamtmengen der jeweiligen Warenart quartalsweise in einem CBAM-Report zusammenfassen. Auch der CO₂-Preis im Ursprungsland ist anzugeben, falls es dort eine solche Abgabe gibt.

Anfang 2026 beginnt dann die zweite Phase: Die Unternehmen müssen bei der zuständigen EU-Behörde für die direkten Emissionen die entsprechende Menge an CBAM-Zertifikaten erwerben. Bei Zement, Düngemitteln und Strom sind auch die indirekten Emissionen zertifikatspflichtig. Bis 2026 will die EU entscheiden, ob das auch für die indirekten Emissionen der anderen Produktgruppen gelten soll.

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Was bedeutet der CBAM für die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen?

Das Auslaufen der kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten im EU ETS macht es nötig, parallel ein System einzurichten, das den Produktionsstandort Europa schützt. Der CBAM erfüllt diese Aufgabe in manchen Bereichen, urteilt die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) – schaffe aber an anderer Stelle neue Wettbewerbsnachteile. So stelle das „hochkomplexe CBAM-System“ insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen, die Güter aus dem nichteuropäischen Ausland importieren, eine große administrative Belastung dar, argumentiert die DIHK. Auch die Kurzfristigkeit und Eile, mit der CBAM-Konsultationen durchgeführt sowie die entsprechenden Rechtsakte verabschiedet wurden, sei für die Wirtschaft hochproblematisch – die Umsetzung erfolge übereilt.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) kommt in einer Analyse zu dem Ergebnis, dass der CBAM die befürchtete Carbon Leakage zumindest in Maßen verhindert. Die Fachleute verweisen allerdings darauf, dass der Mechanismus die wirtschaftlichen Nachteile, die das Auslaufen der kostenlosen Zuteilung von CO₂-Zertifikaten für Exporteure in außereuropäische Länder bedeutet, nicht aufhebt. Diese Unternehmen stehen auf den Exportmärkten mit Betrieben im Wettbewerb, die ihre Güter ohne CO₂-Abgabe produzieren können. Zudem machen die DIW-Forschenden deutlich, dass negative Effekte für die Wettbewerbsfähigkeit nachgelagerter Industrien entlang der Wertschöpfungskette entstehen, da der CBAM nur auf Grundstoffe erhoben wird. Auch seien die administrativen Kosten, die der Mechanismus europäischen Unternehmen verursacht, hoch. Nicht zuletzt bestehe die Gefahr, dass die außereuropäischen Handelspartner den CBAM als protektionistisches Instrument begreifen, auf das sie mit eigenen Schutzmaßnahmen reagieren.