So funktioniert der europäische Emissionshandel

Antworten auf die wichtigsten Fragen: Wer macht mit beim Emissionshandel, wie kaufen Unternehmen ihre CO₂-Zertifikate, wie wird der Preis festgelegt?

Raffinerie mit Qualm und blauem Himmel

Die Europäische Union will den Ausstoß an Treibhausgasen senken, und zwar um 55 Prozent bis zum Jahr 2030. Um dieses Ziel zu erreichen, hat sie das „Fit for 55“-Maßnahmenpaket geschnürt. Zentraler Hebel von Fit for 55 ist der Emissionshandel (Emissions Trading System, kurz EU ETS). Er definiert sich nach einem einfachen Prinzip: Wer CO₂ ausstoßen will, muss dies mit Zertifikaten kompensieren, also „bezahlen“. Die Emissionszertifikate werden von der EU vergeben, einige werden gratis bereitgestellt. Diese CO2-Zertifikate sind ein Gut, das Unternehmen frei miteinander handeln können. Die Gesamtmenge der zur Verfügung stehenden Emissionsrechte sinkt von Jahr zu Jahr. Das lässt die Preise der CO₂-Zertifikate tendenziell steigen – was Unternehmen Anreize gibt, in Klimaschutzmaßnahmen zu investieren.

Welche Unternehmen nehmen am EU ETS teil?

Alle Unternehmen in der Europäischen Union, die Strom oder Wärme aus Kohle, Erdgas oder Öl erzeugen, machen beim Emissionshandel mit. Allerdings müssen ihre Anlagen über eine Wärmeleistung von mehr als 20 Megawatt verfügen. Sowohl Energieerzeuger und Unternehmen aus der Industrie und dem Mittelstand, die energieintensive Anlagen betreiben – etwa Stahlwerke, Raffinerien, Papierhersteller oder Zementwerke –, fallen unter die Regularien des EU ETS.

Wo können Unternehmen CO₂-Zertifikate kaufen?

Die Europäische Union gibt für alle Anlagen, die dem EU ETS unterliegen, Emissionsberechtigungen an deren Betreiber aus. Der größere Teil dieser CO₂-Zertifikate wird per Auktion vergeben, einen kleineren Teil stellt die EU kostenfrei zur Verfügung. Die Gesamtmenge der Zertifikate ist begrenzt – und sie sinkt stetig, derzeit um 2,2 Prozent pro Jahr. Für jedes CO₂-Zertifikat dürfen die Unternehmen laut Definition eine Tonne Kohlendioxid ausstoßen.

Dr. Marcel Zürn ist Sektorenexperte Energie und Versorger

Der Emissionshandel ist ein sehr effizientes Instrument für den Klimaschutz. Emissionen werden dort vermieden, wo dies zu den geringsten möglichen Kosten möglich ist.

Dr. Marcel Zürn, Sektorspezialist Energie, Versorgung, Entsorgung bei der LBBW

Mit den Emissionsrechten können die Unternehmen handeln: Schöpfen sie ihr Kontingent nicht aus, etwa weil sie in Klimaschutzmaßnahmen investiert haben, dürfen sie ihre überschüssigen Zertifikate an Unternehmen verkaufen, die mehr davon benötigen, als sie per Auktion erworben oder kostenfrei zugeteilt bekommen haben. Dieses System heißt „Cap und Trade“ – Cap für die Begrenzung der ausgegebenen Zertifikatsmenge, Trade für den Handel.

Was kosten die CO₂-Zertifikate?

Mit dem Emissionshandel bildet sich ein Marktpreis für den CO2-Ausstoß. Lag dieser Preis viele Jahre lang unter 20 Euro je Tonne CO₂, so ist er seit 2020 stark angestiegen. Anfang 2022 kratzte der Kurs an der 100-Euro-Marke. Die Preisentwicklung hängt von vielen Faktoren ab – unter anderem von der Bereitschaft der Unternehmen zu Investitionen in den Klimaschutz, von der gesamtwirtschaftlichen Situation oder von den politischen Rahmenbedingungen, etwa der Förderung der erneuerbaren Energien. Auch Spekulation wirkt sich auf den Marktpreis aus.

Vor allem aber prägt den Preis, dass die zur Verfügung stehende Menge an Emissionsberechtigungen stetig sinkt. So will die Europäische Union im Zuge einer Reform des EU ETS die ausgegebenen Zertifikate künftig stärker verknappen, als das bislang der Fall ist. Damit ist klar: Trotz gelegentlicher Ausschläge nach unten dürfte sich der Preis der CO2-Zertifikate auf lange Sicht weiter nach oben bewegen.

Grafik zur Emissionsminderung von den Jahren 1990 bis 2050

Wie funktionieren Zertifikateauktion und -handel?

Die CO₂-Zertifikate werden an der European Energy Exchange (EEX) in Leipzig versteigert. Da nahezu täglich Auktionen durchgeführt werden, entsprechen die Preise denen des fortlaufenden Börsenhandels mit den Zertifikaten. Dieser findet ebenfalls an der EEX statt, zudem auch an anderen Börsenplätzen wie etwa in Amsterdam. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Handelshäusern, die Angebot und Nachfrage außerbörslich zueinander bringen. Um die Transaktionen zu verbuchen, haben alle europäischen Emissionshandel-Teilnehmer ein Konto im sogenannten Unionsregister, das von der Europäischen Kommission geführt wird.

Wie steuert die EU nach, wenn Angebot und Nachfrage auseinanderklaffen?

Übersteigt das Angebot an CO₂-Zertifikaten im Markt die Nachfrage deutlich, überführt die EU einen Teil der überschüssigen Emissionsberechtigungen in die Marktstabilitätsreserve. Konkret: Liegt die Überschussmenge über der Marke von 833 Millionen Zertifikaten, sinkt die Versteigerungsmenge um 24 Prozent des Überschusses – dem Markt werden also Zertifikate entzogen. Umgekehrt gehen 200 Millionen Zertifikate aus der Marktstabilitätsreserve als zusätzliche Menge in die Versteigerung, wenn die Überschussmenge unter 400 Millionen Zertifikate sinkt – dem Markt werden damit weitere Zertifikate zugeführt. Diese Maßnahmen sollen allzu starke Preisausschläge verhindern.