Die Renaissance der Zinssicherungsstrategien

Wie lassen sich Refinanzierungen in Zeiten stark gestiegener Zinsen krisenfest darstellen? Antworten von LBBW-Unternehmensfinanzierungsexperte Andreas Kliner.

Zinskurve mit mit einem Kugelschreiber überprüft

Die 2022 von der Europäischen Zentralbank (EZB) eingeleitete Leitzinswende hat sich erwartungsgemäß deutlich auf die Kredit- und Kapitalmarktfinanzierungen für Unternehmen ausgewirkt. Für Unternehmen mit Investment Grade (IG) beliefen sich die Finanzierungskosten an den Kapitalmärkten in Europa zuletzt auf rund 4 Prozent – das ist ein außergewöhnlich starker und schneller Anstieg um durchschnittlich drei bis vier Prozentpunkte. Angesichts der anhaltend hohen Inflation in der Eurozone könnte das Ende des aktuellen Zinszyklus der EZB noch längst nicht erreicht sein. Bei Finanzierungen gilt es deshalb nicht nur die aktuellen Zinsen, sondern auch die antizipierte Zinsentwicklung und mögliche Marktvolatilitäten genau im Blick zu behalten und daraus resultierende Risiken aktiv zu managen.

„In Zeiten negativer oder mit 0 Prozent gefloorter Referenz- und Basis-Zinssätze bestimmte über viele Jahre der Spread den entscheidenden Anteil der Finanzierungskosten“, erklärt Andreas Kliner, Corporate Sales Specialist bei der LBBW. Dies habe sich seit der Zinswende geändert. Bei einer Finanzierung mit fünfjähriger Zinsbindung etwa sei nun der 5-Jahres-Mid-Swap-Satz die maßgebliche Komponente. „Dabei gilt es zu beachten, dass seit Anfang 2022 nicht nur der größte und schnellste Zinsanstieg seit mehr als 20 Jahren erfolgte, sondern dass gleichzeitig die erhöhte Unsicherheit zu einem deutlichen Anstieg der täglichen Schwankungen an den Zinsmärkten geführt hat“, sagt Kliner. „Die 5-jährigen Mid-Swap-Sätze schwankten an einzelnen Tagen in der Spitze um mehr als 30 Basispunkte.“ Insofern erlebt die aktive Steuerung der Kapitalmarktbasis von Finanzierungen derzeit eine Renaissance. Und dies nicht nur klassisch in Form von Zinssicherungen auf variabel verzinste Finanzierungsbausteine, sondern in Form von Pre-Hedges auch für festverzinsliche Finanzierungen, die in der Zukunft aufgenommen werden sollen. Gerade bei Festsatzfinanzierungen, bei denen sich das Risiko auf den Zeitpunkt der Zinsfixierung verdichtet und Veränderungen des Referenzsatzes sich über die gesamte Laufzeit der Finanzierung auswirken, können Pre-Hedges geeignete Instrumente sein, um den Referenzzinssatz abzusichern.

Andreas Kliner

Die erhöhte Unsicherheit hat zu einem deutlichen Anstieg der täglichen Schwankungen an den Zinsmärkten geführt.

Andreas Kliner, Corporate Sales Specialist bei der LBBW

Mit Pre-Hedges den Referenzzinssatz absichern

Bei Pre-Hedges stehen für die Zinssicherung – ähnlich wie bei der Absicherung variabel verzinster Finanzierungen – unterschiedliche Produktausgestaltungen zur Verfügung, die je nach Ausgangs- und Marktsituation zum Einsatz kommen. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um die Vereinbarung fester Zinssätze für die Zukunft, also Termingeschäfte auf das Fixing der Kapitalmarktbasis über sogenannte Forward-Swaps. Hinzu kommen optionale Produkte, die einen Versicherungscharakter aufweisen, sowie Mischformen, die zum Beispiel Zinsbandbreiten absichern und somit gleichzeitig Risiken aus ungünstigen Marktentwicklungen, aber auch Chancen aus günstigen Marktentwicklungen begrenzen. Im Gegensatz zu den klassischen Zinssicherungen auf variable Finanzierungen, die über die gesamte Laufzeit gehalten werden, enden die Pre-Hedges jedoch mit der Fixierung des Zinssatzes im Finanzierungsbaustein. Veränderungen der Kapitalmarktreferenz werden über einen Barausgleich kompensiert. Bei Pre-Hedges kommt daher häufig eine beidseitig verpflichtende Beendigung gegen Zahlung eines Marktwertausgleichs zum Einsatz (Mandatory Break Clause). Diese reduziert aufgrund des verkürzten Risikohorizonts und den daraus resultierenden geringeren Risiko- und Kapitalkosten die Transaktionskosten signifikant.

„Offen bleibt die Frage, wie sich die Märkte weiter entwickeln werden und ob der Höhepunkt des Zinserhöhungszyklus, die Terminal Rate, bereits erreicht ist“, sagt Andreas Kliner. Deshalb müsse die Entscheidung für die passende Zinssicherungsstrategie je nach Situation und Risikotragfähigkeit individuell entschieden werden.

Welche wichtige Rolle vor dem Hintergrund der Zinswende eine solide Bonität und die Ratingdisziplin spielen, lesen Sie hier.