Grüner fliegen: So wollen die Fluggesellschaften klimaneutral werden

Die CO2-Emissionen aus dem Flugverkehr sollen drastisch sinken – obwohl die Passagierzahlen weiter steigen. Wie soll das funktionieren?

Flugzeug fliegt am Himmel

Sommer, Sonne, Ferienzeit! Nach Ende der Corona-Pandemie zieht es die Bundesbürger nun wieder in großer Zahl zu ferneren Zielen: Balearen und Bali statt Borkum und Bad Birnbach – die zeitweiligen Reisebeschränkungen haben die Sehnsucht nach einer Auszeit unter Palmen offenbar noch größer werden lassen.

Das spiegelt sich in den Buchungszahlen der Fluggesellschaften wider. So meldet etwa die Lufthansa bei touristischen Zielen bereits eine höhere Nachfrage als zu Vor-Corona-Zeiten. Auch die Ferienflieger Ryanair und Easyjet berichten von einem starken Sommergeschäft. Flugscham des Klimas wegen? Ist offenbar kein Thema mehr. Dabei tragen die Emissionen aus der Luftfahrt immerhin knapp vier Prozent zum Klimawandel bei, wie eine Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) zeigt. Ein guter Grund für die Europäische Union, mit der 2022 beschlossenen Reform des Emissionshandels (EU ETS) dem Luftverkehr strengere Klimaschutzvorgaben zu machen: Fluggesellschaften bekommen für Strecken innerhalb Europas ab 2026 keine kostenlosen CO2-Zertifikate mehr zugeteilt.

Die Branche selbst hat den Klimaschutz schon seit vielen Jahren auf dem Radar. Dabei setzen die Unternehmen bislang vor allem auf effizientere Triebwerke – und reduzieren damit nicht nur die Emissionen, sondern auch ihre Treibstoffkosten. Lag der durchschnittliche Verbrauch der deutschen Flotte pro Passagier und 100 Kilometern 1990 noch bei 6,3 Liter, so waren es 2019 nur noch 3,6 Liter, hat der Branchenverband BDL errechnet.

Die Branche setzt auf Bio-Sprit und synthetisches Kerosin

Unter dem Strich ist der CO2-Ausstoß der Luftfahrt dennoch gestiegen, da sich der Flugverkehr von und nach Deutschland seit 1990 mehr als verdreifacht hat. Und die Passagierzahlen wachsen weiter – die UN-Luftfahrtorganisation ICAO rechnet weltweit mit einer Verdoppelung bis 2050. Zugleich haben sich die ICAO-Mitglieder das Ziel gesetzt, die globale Luftfahrt bis 2050 klimaneutral zu machen. Mehr Passagiere, aber weniger Emissionen – wie soll das gehen?

Die Luftfahrtindustrie setzt, ebenso wie die Politik, vor allem auf klimaneutrale Treibstoffe. Bereits seit einigen Jahren experimentieren Fluggesellschaften mit Kerosin, das aus Biomasse produziert wird. Zum Einsatz kommen vor allem Energiepflanzen wie Jatropha, ein schnell wachsender, in den Tropen und Subtropen beheimateter Strauch. Auch Algen, Reststoffe aus der Holzindustrie und Abfälle biologischen Ursprungs lassen sich dafür verwenden. Der Bio-Sprit gilt als klimaneutral, da bei seiner Verbrennung nur so viel CO2 freigesetzt wird, wie die Pflanzen zuvor der Atmosphäre entnommen haben.

Auch auf den synthetischen Treibstoffen, den sogenannten E-Fuels, liegen große Hoffnungen. Sie unterscheiden sich chemisch nicht von fossilen Kraftstoffen, sind aber klimaneutral, da sie mit grünem Wasserstoff hergestellt werden. Die Raffinerie im schleswig-holsteinischen Heide zum Beispiel errichtet derzeit zusammen mit Partnern eine Pilotanlage, die den Hamburger Flughafen mit synthetischem Kerosin beliefern soll.

Heute liegt der Anteil klimaneutraler Treibstoffe in der Luftfahrt allerdings erst bei 0,05 Prozent. Doch das wird sich schon bald ändern. Denn EU-Kommission und -Parlament sowie der Europäische Rat haben sich im Rahmen der Fit-for-55-Strategie darauf geeinigt, dass die Mineralölwirtschaft ab 2025 dem Kerosin 2 Prozent klimafreundliche Treibstoffe beimischen muss. Ab 2030 steigt die Quote dann stark an. Die Industrie will deshalb in den nächsten Jahren massiv in Produktionsanlagen investieren.

2 %

klimafreundliche Treibstoffe müssen ab 2025 beigemischt werden.

Laechelnder Geschaeftsmann mit Tablet am Fenster

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Kein Platz für Batterien im Flugverkehr

Anders als im Straßenverkehr werden Batterien in der Luftfahrt auch langfristig, von Ausnahmen abgesehen, keine Rolle spielen. Für die benötigten Energiemengen müssten die Akkupakete nämlich so groß ausfallen, dass für Passagiere und Fracht kein Platz mehr bliebe. Auch wären die Batterien viel zu schwer – das Flugzeug käme erst gar nicht in die Luft.

Ganz auf Strom als Antriebsenergie möchte die Branche aber nicht verzichten. So entwickelt das DLR derzeit ein Flugzeugkonzept, bei dem Brennstoffzellen Strom für einen Elektromotor liefern. Betrieben werden sie mit grünem Wasserstoff. Bei Start und Landung unterstützen Triebwerke, in denen ein klimaneutraler Treibstoff eingesetzt wird. Bis 2040 soll die Entwicklung des Öko-Fliegers abgeschlossen sein – gerade noch rechtzeitig, um den Fluggesellschaften zu helfen, bis 2050 klimaneutral zu werden. Und die Ära des grünen Fliegens kann beginnen!