Fördern, Bewahren und Vermitteln
Das Profil der Sammlung
50 Jahre Sammlungsgeschichte, die rund 100 Jahre Kunstgeschichte abbilden: Die Sammlung LBBW vereint in ihrem aktuell existierenden Bestand die Kunstsammlungen ihrer Vorgängerinstitute und bildet somit unterschiedliche, spezifische Interessen, regionale Schwerpunkte wie auch den Wandel in den konzeptionellen Überlegungen für die jeweiligen Sammlungserweiterungen ab. Seit ihrem offiziellen Bestehen 1999 hat sich die Sammlung LBBW so in Phasen und Brüchen und nicht immer linear weiterentwickelt. Damit eröffnet die Sammlung LBBW heute nicht nur einen Blick auf etwa 100 Jahre überwiegend deutscher Kunstgeschichte, sondern ist auch Teil der Historie der mit ihr verbundenen Unternehmen.
Gründung und Entwicklung
Kunst im deutschen Südwesten
Die Sammlungsgeschichte beginnt mit der Städtischen Spar- und Girokasse Stuttgart. Dem Vorstandsbeschluss zur Einrichtung einer Galerie für die Präsentation von Kunst in bankeigenen Räumen im Jahr 1970 folgt ein Jahr später die Entscheidung für den kontinuierlichen Erwerb von Kunst. Mit Dr. Walther Zügel, Mitglied des Vorstands und ab 1972 Vorstandsvorsitzender der Städtischen Spar- und Girokasse Stuttgart, verbindet sich damit rückblickend die Sammlungsgründung. Sein Engagement setzt sich nach der Fusion der Städtischen Spar- und Girokasse mit der Württembergischen Landessparkasse zur Landesgirokasse (LG) im Jahr 1975 fort. Bis zu seinem Ausscheiden 1996 prägt er als Vorstandsvorsitzender das Sammeln und Fördern von Kunst für die nun etablierte "Sammlung Landesgirokasse" entscheidend mit. Dazu zählt auch der „Wettbewerb der Landesgirokasse zur Förderung der künstlerischen Photographie in Deutschland“ von 1989 bis 1995.
Referenzpunkt Abstraktion
Die Stuttgarter Akademie und der Hölzel-Kreis
Der Stuttgarter Hölzel-Kreis, der aus der Klasse Adolf Hözels an der Stuttgarter Kunstakademie ab 1905 hervorgeht, bildet aus kunsthistorischer Sicht den Ausgangspunkt der Sammlung Landesgirokasse und ist gleichzeitig ein Markstein der heutigen Sammlung LBBW. Dazu zählen Werke von Adolf Hölzel selbst sowie das künstlerische Schaffen seiner ehemaligen Schüler und Schülerinnen, darunter Oskar Schlemmer, Willi Baumeister, Ida Kerkovius, Max Ackermann und Adolf Fleischmann, die ebenfalls Eingang in die Sammlung gefunden haben.
Referenzpunkt Figuration
Die Karlsruher Akademie
Mit der Karlsruher Kunstakademie existiert ein zweites, einflussreiches Zentrum der Kunstausbildung im deutschen Südwesten. Erich Heckel, Mitbegründer der Künstlergruppe „Die Brücke“, ist frühzeitig in der Sammlung Landesgirokasse vertreten – er lehrt, nachdem er einen Ruf nach Berlin ablehnt, von 1949 bis 1955 in Karlsruhe. Sein unmittelbarer Nachfolger wird HAP Grieshaber. Mit Grieshaber kommt es zu einer originären Neuinterpretation des vor dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland etablierten „Expressionismus“, der letztlich in die „Neue Figuration" führen wird. Dieser Neuansatz gegenständlicher Malerei prägt sich im Werk seiner ehemaligen Studenten Horst Antes, Dieter Krieg und Walter Stöhrer unterschiedlich aus, wie es auch die Werkbeispiele aus der Sammlung LBBW belegen.
Ergänzende Perspektiven
Deutsche und internationale Kunst
Vor dem Hintergrund der Stuttgarter und Karlsruher Akademien umfasst die Sammlung Landesgirokasse damit sowohl Werke der abstrakten als auch der gegenstandsbezogenen Kunstrichtungen. Ebenso ist auch Otto Dix im Sammlungsbestand vertreten und erweitert, künstlerisch unabhängig von den südwestdeutschen Zentren, den Sammlungsradius. Mit Prof. Dr. Peter Beye, von 1969 bis 1994 Direktor der Staatsgalerie Stuttgart, wird 1993 ein international anerkannter Museumsmann als Berater für die Sammlung gewonnen. Zusammen mit Lutz Casper, dem damaligen Referenten und Leiter der Sammlung LBBW bis Ende des Jahres 2023, gelingt es Peter Beye, den Bestand mit weiteren Ankäufen konzeptionell zu verbinden und zu einem Ganzen zu fügen. Damit sind bedeutende Werke von Georg Baselitz, Julius Bissier, Peter Brüning, Ernst Wilhelm Nay, Markus Lüpertz, Anselm Kiefer und Gerhard Richter in die Sammlung gelangt. Parallel werden ab den frühen 1990er Jahren für die Sammlung Landesgirokasse Werkgruppen namhafter jüngerer deutscher Künstlerinnen und Künstler, wie Asta Gröting, Andreas Gursky, Candida Höfer, Martin Kippenberger, Astrid Klein, Thomas Locher, Thomas Ruff und Rosemarie Trockel aufgebaut.
Die 1993 begonnene Sammlungsaktivität der SüdwestLB geht ebenso auf einen Vorstandsbeschluss zurück: Im Zuge des Neubaus am „Am Hauptbahnhof 2“ soll eine Sammlung explizit zeitgenössischer, internationaler Kunst aufgebaut werden, die mit der Konzeption von Prof. Dr. Stephan Schmidt-Wulffen als externem Berater bis 1998 umgesetzt wird. Damit bereichern Kunstwerke, die ortsspezifisch in die Arbeitswirklichkeit der Bank integriert werden, die heutige Unternehmenszentrale der LBBW. Auf architektonische und funktionale Kontexte bezogene Werke von Siah Armajani, Jorge Pardo, Thomas Locher, Liam Gilick und Vito Acconci gelangen damit ebenso in die Sammlung LBBW, wie Werke von Thomas Schütte und Franz West. Zudem sind unter anderem Arbeiten deutscher und internationaler Künstlerinnen, darunter Isa Genzken und Rosemarie Trockel sowie Cindy Sherman, Elizabeth Peyton, Tracy Emin und Gillian Wearing vertreten.
Zusammenschluss und neue Akzente
An der Schwelle zum 21. Jahrhundert
Die Fusion der Landesgirokasse, der SüdwestLB und Teilen der L-Bank im Jahr 1999 zur Landesbank Baden-Württemberg führt auch die eigenständig gewachsenen Sammlungsbestände der Landesgirokasse und der SüdwestLB unter einem Dach zusammen. Damit bietet sich ein Überblick über die Kunstszenen und Kunstgeschichten seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Die beiden Sammlungen bringen zu diesem Zeitpunkt jeweils Werke von Künstlerinnen und Künstlern ein, die seitdem als bedeutende Werkgruppen die Sammlung LBBW nun mit auszeichnen. Mit der Ausstellung „Zoom – Ansichten zur deutschen Gegenwartskunst“ wird der Sammlungsbestand der LBBW noch im gleichen Jahr der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Aufgabe, die Sammlung LBBW weiter zu entwickeln, vorhandene Werkgruppen auszubauen und um jüngere Positionen zu erweitern, übernimmt Lutz Casper, Leiter der Sammlung bis Ende 2023. Bedeutende Erwerbungen von Günther Förg, Georg Herold, Albert Oehlen oder auch von Franz Ackermann, André Butzer, Michel Majerus, Josephine Meckseper, Tobias Rehberger, Wolfgang Tillmans und Corinne Wasmuht bestimmen die Sammlungstätigkeit dieser Jahre.
Wenig später folgen in kurzen Abständen mehrere Übernahmen von Finanzinstituten durch die LBBW. 2005 wird die BW-Bank AG vollständig in die LBBW integriert. Sie bringt mit dem Bestand an Werken der Sammlung BW-Bank, die 1993 auf Initiative des Vorstandsmitglieds Dr. Frank Heintzeler gegründet worden ist, noch einmal eine Reihe kunsthistorischer Werke ein. Das Sammlungsinteresse der BW-Bank richtet sich bis 2005 vorrangig auf den südwestdeutschen Raum. Aus früherer Zeit stammen die Erwerbungen der Gemälde "Einsamkeit" (1906) von Hans Thoma oder Otto Reinigers "Elbe (Elbmündung bei Cuxhaven)". Regelmäßige Ausstellungen im Hauptgebäude am Kleinen Schlossplatz begleiten das Kunstengagement der Bank. Vereinzelt treten auch Ankäufe von namhaften deutschen Künstlern wie A. R. Penck oder Markus Lüpertz hinzu.
2008 erfolgen dann die Integrationen der Landesbank Rheinland-Pfalz und der Landesbank Sachsen in die LBBW. Den Schwerpunkt der Sammlung der Landesbank Rheinland-Pfalz setzt der ehemalige Direktor des Mainzer Landesmuseums, Dr. Berthold Roland, vor allem auf Druckgrafik – ein Verweis auf Johannes Gutenberg, Erfinder des Buchdrucks und Sohn der Stadt. Hinzu kommen bedeutende Ankäufe von Künstlern rheinland-pfälzischer und rheinländischer Provenienz wie Max Slevogt, Hans Purrmann und Otto Dill oder auch Erst Wilhelm Nay. Mit der Übernahme der Landesbank Sachsen gelangen zudem Absolventen der Leipziger und Dresdner Akademien in die Sammlung LBBW, die auch durch die Förderungen des Instituts mit Projektstipendien und einem Kunstpreis mit der Landesbank Sachsen verbunden sind. Darunter finden sich so prominente Namen wie Neo Rauch, Tim Eitel und Matthias Weischer.
Schon unter dem Vorzeichen der Finanzkrise werden 2009 im ZKM | MNK Karlsruhe unter dem Titel "Extended – Sammung LBBW" die Entwicklung der Sammlung LBBW vorgestellt, während noch im gleichen Jahr die Galerie für zeitgenössische Kunst Leipzig unter dem Titel "Vor heimischer Kulisse" Teile der Sammlung Landesbank Sachsen bereits ergänzt um Werke der Sammlung LBBW präsentiert.
Tradition und Ausblick
Collecting Contemporary
2018, nach erfolgreicher Restrukturierung der LBBW aufgrund der 2008 ausgelösten, internationalen Finanzkrise, feiert die LBBW nicht nur ihr 200-jähriges Bestehen. Es sind auch die Voraussetzungen geschaffen, die Sammlungsaktivitäten wieder aufzunehmen. Die Initiative dafür geht im Jahr 2017 von Rainer Neske aus, dem neuen Vorstandsvorsitzenden der LBBW, und hat die Ziele, das gesellschaftliche Engagement der Bank auch im Bereich der Kunst erneut zu verankern sowie der Sammlung LBBW zugleich neue, zeitgenössische Impulse zu geben. Die dazu erarbeitete Kunstkonzeption setzt dafür Themenkomplexe auf die Agenda, die sich in der zeitgenössischen Kunst vielfältig darstellen. Neben den Transformationsprozessen der Arbeitswelt im Zuge der Globalisierung und der sich zunehmend digital vernetzenden Welt sind es Themen zu Natur, Umwelt und Nachhaltigkeit sowie Migrations-, Gleichstellungs- und Identitätsfragen.
Kunstkuratorium
Die weitere Fortentwicklung der Sammlung LBBW wird durch ein ehrenamtliches Kunstkuratorium begleitet, das sich 2018 neu konstituierte. Aktuell bildet sich das Kuratorium aus den folgenden Mitgliedern: Den Vorsitz hat LBBW-Vorstand Thorsten Schönenberger inne. Zudem gehören dem Kreis Prof. Dr. Dirk Boll, (Vorstand für Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts, Christie’s), Ann-Kristin Stetefeld (Vorständin BW-Bank), Dr. Ulrike Groos (Direktorin Kunstmuseum Stuttgart), Johan Holten (Direktor Kunsthalle Mannheim), Thomas Locher (Künstler und ehem. Rektor der HGB Leipzig) und Dr. Ulrike Lorenz (Präsidentin der Klassik Stiftung Weimar) an. Das Fachkuratorium wird gebildet von Dr. Nadia Ismail (Direktorin Kunsthalle Gießen), Dr. Gregor Jansen (Direktor Kunsthalle Düsseldorf) und Sarah Haberkorn (Leiterin Sammlung LBBW).
Kunst am Arbeitsplatz und Kunstvermittlung
Schnittstelle zur Öffentlichkeit
Viele Werke der Sammlung LBBW werden in der Unternehmenszentrale in Stuttgart sowie in den Niederlassungen und Filialen im In- und Ausland ausgestellt. Mit der Einladung an den iranisch-stämmigen Künstler Siah Armajani erhielt der Hauptsitz der LBBW am Stuttgarter Hauptbahnhof 1994 zudem ein prägnantes, ortspezifisches Werk: Armajanis „Bridge / Ramp" ist ein architektonisches Hybrid aus Brücke und Rampe, das den Innenhof der LBBW-Zentrale mit der Haupteingangsebene direkt verbindet.
Skulpturale Setzungen
Auch das große, lichtdurchflutete Foyer der LBBW-Zentrale in Stuttgart wird von einer weiteren, dauerhaft installierten Arbeit bespielt. Jorge Pardos Werk „Clock, clock, clock, clock (you have to say it fast)“ von 1997 greift als monumentaler vertikaler Zeitmesser die architektonische Eingangssituation des Gebäudes auf. Die Platzierung der insgesamt sechs beleuchteten, kreisrunden und farbigen Zifferblätter, entlang des von der Decke abhängenden, konstruktiven Gestänges, orientiert sich an den Geschosshöhen des Gebäudes.
Interne Vermittlung
Im Foyer und den Etagen der Stuttgarter Zentrale werden außerdem wechselweise Kunstwerke aus dem Kernbestand der Sammlung präsentiert. Diesen Kernbestand ergänzen die rund 13.000 Werke der Konzernausstattung mit ihrem weit gefächerten Spektrum von Werken in den Gattungen Grafik, Fotografie, Zeichnung und Malerei. Die Konzernausstattung vereint ehemalige große Teilbestände der Vorgängerinstitute der LBBW, deren Ankauf die regionale Förderung von jungen Künstlerinnen und Künstler zum Ziel hatte. Die Werke der Konzernausstattung stehen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zur Ausstattung ihrer Arbeitsplätze sowie für Gemeinschaftsräume und die kundenintensiven Bereiche der Bank zur Verfügung.
Sammlungspublikationen
Die Bestände der heutigen Sammlung LBBW wurden durch Kataloge stets dokumentiert und in dieser Form einem interessierten Publikum breiter zugänglich gemacht. So haben die Landesgirokasse Stuttgart, die SüdwestLB, die BW-Bank AG und die Landesbank Rheinland-Pfalz über ihre Sammlungen jeweils publiziert. 1999 erfolgte der erste Bestandskatalog der in diesem Jahr neu formierten Sammlung LBBW mit dem Titel „Zoom“. „Extended“, die Ausstellung der Sammlung LBBW im ZKM Karlsruhe im Jahr 2009 mit gleichnamigem Katalog, ermöglichte erneuten Zugang und weitere Einblicke in das Sammlungsinteresse der Bank. Zum 50-jährigen Jubiläum der Sammlung wurde mit „Jetzt oder nie“ die bisher umfassendste Publikation zur Sammlung LBBW herausgegeben.