Willi Baumeister

Willi Baumeister Belebte Halde 1949
Willi Baumeister: Belebte Halde II, 1949, Detail. ©VG Bild-Kunst, Bonn 2021, Foto: Volker Naumann

Werke in der Sammlung

Das vielgestaltige Werk Willi Baumeisters nimmt seinen Anfang in der Kompositionsklasse von Adolf Hölzel an der Stuttgarter Kunstakademie. Dort begegnet er um 1909 Oskar Schlemmer und Otto Meyer-Amden, die sich wie Baumeister in ihrem künstlerischen Schaffen, angeregt durch ihren Lehrer, mit der Flächentektonik der menschlichen Figur befassen. Bis etwa 1930 kennzeichnen reduziert anthropomorphe und geometrische Grundformen Baumeisters Arbeiten, die auch in zahlreichen Bühnenbildern, die Baumeister ab 1919 fertigt, ihren Nachhall finden. Seine Überlegungen zu einem abstrakten Ausdruck in der Kunst, der sich nicht um das naturalistische, gegenständliche Abbilden bemüht, sondern einer Eigengesetzlichkeit im freien Umgang mit Formen und Farben folgt, führen um 1919 zunächst zur wegweisenden Werkgruppe der „Mauerbilder“. Mit diesen schafft Baumeister die Basis für seine weitere Werkentwicklung, denn für ihn ist die Fläche das „Urmittel, das erste elementare Mittel der Malerei“. Er legt die Bildfläche in den „Mauerbildern“ reliefartig an und wird eine solche oder vergleichbare Behandlung von Oberflächen bei späteren Werkgruppen wieder einsetzen.

Willi Baumeister Weißer Kammzug 1948
Willi Baumeister: Weißer Kammzug, 1948. ©VG Bild-Kunst, Bonn 2021, Foto: Volker Naumann

Wichtig für das Werk Willi Baumeisters ab 1928 wird, etwa zeitgleich mit seiner Berufung an die Frankfurter Kunstgewerbeschule, sein Interesse an Objekten und Artefakten aus dem afrikanischen und ozeanischen Raum, an Fossilien sowie an vor- und frühgeschichtlichen Steinwerkzeugen und seine Beschäftigung mit den Bildschöpfungen steinzeitlicher Fels- und Höhlenmalerei. Obgleich Baumeister mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 seine Frankfurter Professur verliert und 1941 mit einem Ausstellungsverbot belegt wird, setzt er die Entwicklung seiner malerischen Kompositionsansätze dennoch fort. Es entstehen unter anderem die Werkgruppen der „Ideogramme“ und „Kammzuglandschaften“. Auch beginnt Baumeister ab 1943 ein Manuskript, in dem er die Summe seiner bisherigen Arbeit zieht und das unter dem Titel „Das Unbekannte in der Kunst“, ein Jahr nach seiner Berufung an die Stuttgarter Kunstakademie, 1947 veröffentlicht wird.

Willi Baumeister Belebte Halde 1949
Willi Baumeister: Belebte Halde II, 1949. ©VG Bild-Kunst, Bonn 2021, Foto: Volker Naumann

Die zwei Gemälde Willi Baumeisters in der Sammlung LBBW, „Weißer Kammzug“ und „Belebte Halde II“ sind aufschlussreiche Werkbeispiele für den Umgang des Künstlers in der lebendigen Strukturierung von Oberflächen, die er mit freischwebenden Formen, Farbakzenten und Bildzeichen anreichert, wobei er mit einem Metallkamm der weißen Ölfarbe eine prägnante Binnenstruktur verleiht oder durch die Verwendung von Kunstharz und Spachtelkitt den Eindruck eingeritzter Lineaturen hervorhebt. Auch geben beide Werke Baumeisters ästhetische Grundhaltung wieder, dass die abstrakte Kunst wie ein Gleichnis zur Natur verständlich werden sollte.

Die späten Werkgruppen Willi Baumeisters, „Han-i“, „Montaru“ und „ARU“, bleiben mit ihrem Bildinhalt ebenso wie seine früheren Werke in der Schwebe zwischen Motiv und Motivlosigkeit verankert. Gegenstand der Malerei ist nun vor allem eine Vielheit an korrespondierender Farbmasse, die bei „Montaru 7A“ von einem großflächigen schwarzen Farbfeld dominiert wird. Baumeister gelingt es, eine substanzielle Anschaulichkeit in der Anlage einer Farbgestalt als Formmaterie zu erzielen, die er bereits bei seinen „Ideogrammen“ und „Eidosbildern“ angelegt hat.

Seit 2005 befindet sich das „Archiv Willi Baumeister“ im Kunstmuseum Stuttgart. Das Archiv enthält Autografen, Fotos, Publikationen von und über Willi Baumeister sowie Ton- und Filmaufnahmen.

Willi Baumeister Montaru 1953
Wili Baumeister: Montaru 7A, 1953. ©VG Bild-Kunst, Bonn 2021, Foto: Volker Naumann

Vita

Willi Baumeister (1889–1955): Ausbildung als Dekorationsmaler, ab 1905 parallel Kunststudium an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, 1907 Gesellenprüfung als Dekorationsmaler. Fortsetzung des Kunststudiums in der Kompositionsklasse von Adolf Hölzel, Begegnung mit Oskar Schlemmer, Ida Kerkovius und Johannes Itten. 1911 erste Reise nach Paris, 1913 Teilnahme am „Ersten Deutschen Herbstsalon“ in der Berliner Galerie „Der Sturm“. 1914, gemeinsam mit Schlemmer und Hermann Stenner, Auftrag für Wandgemälde für die „Kölner Werkbundausstellung“. 1914 bis 1918 Kriegsdienst. 1919 Gründung der Künstlergruppe „Üecht“, bis 1921 Mitglied. 1922 Abschluss des Kunststudiums und eigenes Atelier in Stuttgart. Ab 1922 Ausstellungen im In- und Ausland. 1928 Berufung an die Frankfurter Kunstgewerbeschule (heute Städelschule) als Professor für Gebrauchsgrafik, Typografie und Stoffdruck. Mitglied der Künstlergruppen „Cercle et Carré“ und „Abstraction – Création“. 1930 Württembergischer Staatspreis. 1933 Entlassung aus dem Lehrdienst, ab 1941 Mal- und Ausstellungsverbot. 1946 Berufung an die Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart als Professor für Dekorative Malerei, 1947 Veröffentlichung der Publikation „Das Unbekannte in der Kunst“. 1949 Gründungsmitglied der Künstlergruppe „ZEN 49“ (ursprünglicher Name: „Gegenstandslose“) mit Rupprecht Geiger, Fritz Winter, Rolf Cavael, Gerhard Fietz u. a., erste Ausstellung der Gruppe im Central Collecting Point, München. 1951 – 1953 Stellvertretender Rektor der Kunstakademie Stuttgart, 1955 Emeritierung. Nach 1949 bis zu seinem Tod 1955 nationale und internationale Ausstellungen, u. a. Biennale Venedig, Biennale São Paulo, Guggenheim Museum, New York.